Zwickau verzichtet im Pokalfinale auf das Heimrecht, Lok II auf die Partie gegen Roter Stern.
Fußballvereine kämpfen nicht nur mit dem sportlichen Kontrahenten, sondern schon längere Zeit mit Gewalttätern aus der Fanszene. Nun scheint sich partiell gar Resignation breitzumachen. Aktuelle Beispiele: Landespokalfinalist FSV Zwickau verzichtet am Dienstagabend gegen Erzgebirge Aue auf sein Heimrecht, spielt lieber beim Favoriten, weil er im heimischen Sportforum Sojus die Sicherheit nicht gewährleisten kann. Einige Etagen tiefer trat die zweite Mannschaft des 1. FC Lok am vorvergangenen Wochenende gar nicht erst zum Landesklasse-Match gegen Roter Stern Leipzig an.
Zuvor angekündigte Randale zwischen den mit politischem Hintergrund verfeindeten Fangruppierungen ließen Lok zum Verzicht auf Spiel und Punkte greifen. „Da flogen Giftpfeile hin und her, es gab Aufrufe zur Gewalt“, sagt Loks Geschäftsführer Tom Franke, „wir haben bewusst präventiv so entschieden, das Risiko war uns zu groß.“ Lok wolle keine Plattform für politische Auseinandersetzungen bieten, zudem wäre der Security-Aufwand für eine Siebtliga-Partie nicht zu rechtfertigen gewesen. Lok-Präsident Jens Kesseler verweist auf Fortschritte in der Fan-Arbeit und erklärt: „Wir kapitulieren nicht vor Chaoten, aber bei bestimmten Szenarien sind Fußball-Vereine einfach überfordert.“
Der Sächsische Fußball-Verband (SFV) hat den Verzicht durchgewunken, ebenso das getauschte Heimrecht im Pokalfinale. „Ich habe Verständnis für die Wünsche der Vereine“, sagt der neue SFV-Präsident Hermann Winkler, „aber das müssen Ausnahmen bleiben, Chaoten dürfen nicht die Spielpläne bestimmen.“ Der Verband habe das Problem erkannt, werde es im Präsidium thematisieren und nach Lösungen suchen. „Doch auch die Vereine sind in der Pflicht, auf ihre Anhänger einzuwirken“, betont Winkler und ergänzt speziell in Richtung Roter Stern: „Ich weiß, dass viele Kontrahenten gegen die am liebsten nicht mehr antreten würden. Vereine sollen Fußball spielen und nicht Politik machen.“
Der Probstheidaer Verzicht hat zu einem verärgerten Grummeln unter den anderen Vertretern der Landesklasse Nord geführt. Vor allem die ebenso wie Roter Stern und Lok II abstiegsbedrohten Teams sprechen offen von Wettbewerbsverzerrung. Erhält Roter Stern somit doch drei geschenkte Zähler. Trainer Christian Töpfer von Hartenfels Torgau ist stinksauer: „Die kommen zu Punkten, die ihnen so kampflos gar nicht zustehen. Sie sehen sich gern in der Opferrolle, aber überall wo Roter Stern aufkreuzt, muss wegen ihrer politischen Färbung ein riesiger Sicherheitsaufwand betrieben werden“, schimpft der Torgauer, „weil sie Politik mit dem Sport vermengen.“ Und er erklärt in Richtung Lok: „Der FCL macht sich das nun verdammt einfach.“
Das treibt auch dem Vereinsvorstand des Bornaer SV die Zornesröte ins Gesicht „Das ist eine Frechheit“, sagt Ingo Dießner. „Lok schluckt einfach die relativ kleine Geldstrafe, während wir für so ein Spiel gegen Roter Stern einen vierstelligen Betrag allein für Sicherheit aufbringen und sehr viel Extra-Organisation vornehmen müssen.“ Da die Bornaer dies mit erhöhten Eintrittspreisen fürs Spiel gegen die Sterne auffangen wollten, bekamen sie auch noch Schelte von den eigenen Anhängern. „Wir mussten das durchziehen, während Roter Stern nun die Punkte wohl einfach so zufallen“, kritisiert Dießner.
Tom Franke gefällt das auch nicht. Der Lok-Geschäftsführer räumt ein, lange über die Vor- und Nachteile nachgedacht zu haben. „In dieser brenzligen Situation gab es keinen zufriedenstellenden Ausweg“, glaubt er: „Es war eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Hätte es gegen Roter Stern heftig geknallt, hätten alle wieder auf Lok gezeigt. Da halte ich den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung für das kleinere Übel gegenüber den möglichen gravierenden negativen Auswirkungen inklusive Medien-Schlagzeilen ohne Ende.“
Uwe Dietrich, Spielausschuss-Chef des SFV, sind die Probleme und auch die Sichtweisen bekannt. „Wir resignieren keineswegs“, betont er, „wir geben aber zu, dass es alles sehr schwierig ist. Wir können und wollen niemanden vom Spielbetrieb ausschließen, müssen auch im Sport mit Gegensätzen leben.“ Allerdings frage er sich manchmal: „Wie weit können wir das treiben, um unseren Sport abzusichern? Können wir die vielen Polizeieinsätze und andere Anstrengungen vor der Gesellschaft rechtfertigen?“
Roter Stern selbst wundert sich auch, „dass für das Lok-Spiel keine andere Lösung gefunden wurde“, wie Trainer Marcus Bieleit bekennt. „Ich kann verstehen, dass die anderen Vereine darin Wettbewerbsverzerrung sehen.“
Beispiele, welche Kopfschmerzen bestimmte Spiele wegen potenziell gewalttätiger Fans auslösen können, gab es auch in den vergangenen Jahren auf Landesebene zur Genüge. Erinnert sei an Pokalpartien zwischen Kickers Markkleeberg oder dem VfB Zwenkau gegen die SG Dynamo Dresden, deren extremste Fangruppen sich erst jüngst wieder sogar bei der Aufstiegsfeier daneben benahmen. Die Kickers wie der VfB suchten damals ewig nach einer Austragungsstätte, in der Dynamos Horden zu beherrschen wären – ein geradezu irrsinniger Aufwand, der noch dazu mit dem Verlust des Heimvorteils einherging. Eigentlich unzumutbar, vor allem für kleine Vereine.