[B]: Tausende Nazis bei rechter Großdemonstration am 7.5. erwartet

Demorouten am 07.05.2016

Am kommenden Samstag findet eine rechte Großdemonstration in Berlin statt, zu der bundesweit mobilisiert wird. In einem vorhergehenden Artikel wurde auf die mutmaßlichen Redner*innen und die mobilisierenden Strukturen eingegangen. Eine kürzere Zusammenfassung der Situation findet ihr hier. In diesem Artikel soll auf neuere Konflikte in den rechten Strukturen eingegangen und eine aktuelle Einschätzung der kommenden Demonstration versucht werden. Außerdem soll die aktuelle Liste der Redner*innen vorgestellt werden.

Insgesamt haben viele verschiedene rechte Akteure in Deutschland ein großes Interesse an der kommenden Demonstration. Die lokalen Aktivitäten werden immer kleiner, deswegen steigt der Wunsch nach „Vernetzung“. Es werden sowohl Hooligans, als auch Kader-Nazis und Bürger-Rassist*innen in Berlin erwartet.

 

Koks und Salafisten

Zwei Akteure des extrem rechten Spektrums haben in letzter Zeit für Unruhe gesorgt. Der rechte Verschwörungstheoretiker Christoph Kastius veröffentlichte eine Privatadresse von einem Rassisten in einem Chat von Curd Schumacher. Dieser drohte ihm deswegen Prügel an. Christoph Kastius veröffentlichte deswegen ein nächtliches Telefonat von ihm mit dem Pogida-Chef Christian Müller. Dieser ist während des Telefonats alkoholisiert und nimmt nach Selbstaussage auch Koks ein. Das Telefonat ist durchzogen von gegenseitigen Drohungen, wahnhaften Ideen („ich habe Osama bin Laden erschoßen“), Größenwahn und Verschwörungstheorien. Nach dieser Veröffentlichung traute sich Kastius nicht mehr auf rechte Versammlungen und seine Facebookseiten wie „Kundgebungen“ sind gesperrt. Bei der letzten Demonstration trat Kastius noch als Unterstützer von Enrico Stubbe auf.

Aber auch Curd Schumacher wurde einige Tage später stark kritisiert. Offenbar aufgrund von starken Geldsorgen verbündete sich Curd Schumacher mit Salafisten um Pierre Vogel und nahm von diesen 650 Euro als Spende an. Dies kam in der rechten Szene gar nicht gut an. Curd Schumacher sollte eigentlich am 7.5. reden, wurde aber nun ausgeladen. Sein Facebookaccount wurde übrigens auch gesperrt.

Ebenfalls abgesagt hat der Redner von den Identitären aus Wien. Es ist wahrscheinlich, dass ihm die Demonstration inzwischen zu radikal geworden war. Weiterhin reden werden Eric Graziani Grünwald, Enrico Stubbe, Claudia Bötte (Pro Deutschland) und Ignaz Baerth. Außerdem wurden drei anonyme Redner*innen von Bürgerbewegungen angekündigt.

Es ist wahrscheinlich, dass einer dieser Redner David Köckert von Thügida sein wird. Thügida ist ein Nazi/NPD-Projekt aus Thüringen, welches versucht Bürger-Rassist*innen an extrem rechte Strukturen heranzuführen. Zuletzt führten sie einen Fackelmarsch in Jena zu Hitlers Geburtstag durch und waren an den Nazi-Krawallen in Plauen beteiligt. Es handelt sich um ein zur zeit stark radikalisiertes und aggressives Nazimilieu. Eine Rede von Köckert würde ein weiterer Hinweis auf die Radikalisierung von „Wir sind Deutschland“ sein. Auf der ersten Demonstration waren noch viele Verschwörungstheoretiker anwesend und haben auch geredet (Oertel, Geppert). Diese sind nun aber ausgestiegen und es sind nur noch extreme Rassist*innen auf der Redeliste zu finden.

Auch Melanie Dittmer (ehemals Dügida) und Ester Seitz mobilisieren diesmal nach Berlin. Auch diese scheiterten zuletzt an der Durchführung eigener Aktivitäten und versuchen von der großen Demo in Berlin zu profitieren.

Außerdem ist zu vermuten, dass eine Person vom „Bürgerprotest Hannover“ reden wird. Die dritte Person könnte aus dem Umfeld von Johnke und Köckert stammen und z.B. von der Bürgerinitiative „Roßwein wehrt sich“ oder vergleichbaren Strukturen gestellt sein. Aber auch ein Gastbeitrag von Bärgida-Chef Karl Schmitt ist nicht auszuschließen.

Im Gegensatz zur letzten Demonstration am 12.3 gibt es keine aktive Gegenmobilisierung von Pegida oder der AfD.

 

Gewalt?

Es könnte auch sein, dass sich die neue Nazigruppierung „Antikapitalistisches Kollektiv“ an der Demonstration beteiligen könnte. Die neue Nazigruppe ist bundesweit vernetzt, hat aber ihren Kern in Berlin. Sie trat in Plauen in Form eines äußerst aggresiven schwarzen Blocks auf, der völlig vermummt war und deutliche Anleihen an linke Demokultur nahm (Fahnen, Regenschirme, Seitentranspis, linke Sprüche). Bei der Demonstration in Plauen versuchten sie aus der Demonstration auszubrechen und die Gegendemo anzugreifen und warfen Gegenstände auf die Polizei. Eine Gegendemonstratin wurde bewusstlos geschlagen.

Die Demonstration am 7.5. wird wahrscheinlich einen höheren Nazianteil aufweisen, als die Demo am 12.3.. Bei den meisten rechten Protesten auf der Straße sinkt gerade der Anteil von bürgerlichen aussehenden Rassist*innen und steigt der Anteil von gewaltbereiten extremen Rechten. Die Radikalisierung der AfD und des gesellschaftlichen Diskurses macht die Nazis außerdem selbstbewusster. Sie suchen verstärkt die Konfrontation mit Linken und nun auch der Polizei.

Durch die Mobilisierung von Nazis durch Köckert (Thüringen) und Johnke (Leipzig) ist durchaus mit einer größeren Anzahl von Nazis aus diesen Gegenden zu rechnen. Auch viele Hooligans werden in Berlin erwartet. So mobilisiert auch die Facebookseite „Gemeinsam stark Deutschland“ nach Berlin, die zuletzt eine Hooligandemo in Magdeburg mit 650 Teilnehmer*innen beworben hatte. Auch die Kontakte von Stubbe in Hooligankreise werden die Mobilisierung aus diesem Spektrum verstärken.

 

Tausende könnten es werden

Die Schätzung der Teilnehmer*innenanzahl ist mit großen Schwierigkeiten verbunden. In den letzten Wochen nahm die Zusagezahl bei Facebook nicht mehr stark zu auf nun 2330. Es ist wahrscheinlich ein geringerer Zuwachs auch deswegen zu verzeichnen, weil die Teilnehmer*innenliste versteckt wurde. Gleichzeitig hat die veranstaltende Seite „Wir für Berlin & Wir für Deutschland“ eine sehr hohe Reichweite von über 100.000, die sie vor allem über das Posten einer Unzahl von Fotos und Artikeln erreicht. Dabei fällt auf, dass in der Infobeschreibung der Demonstration versucht wird ein harmloses Bild zu vermitteln und sich von der Hetze gegen Menschen angeblich distanziert wird, aber gleichzeitig bei Facebook extrem aggressive rassistische Hetze und Diffamierungen betrieben wird und ebenfalls extrem rechte Aufmärsche beworben werden (wie den NS-Trauermarsch in Demmin). Die Seite ist natürlich auch voll mit Kommentaren die zu Mord und Totschlag aufrufen. Außerdem fällt auf, dass die Facebookseite auch viele sozialen Fragen (Rente, Arbeit, usw.) anspricht, was durchaus auf Zuspruch stößt.

Es ist mit einer weiten Spanne von 1000-6000 Teilnehmer*innen zu rechnen und es könnte auch ein größeres Potential von gewaltbereiten Nazis anwesend sein. Die Demoroute ist etwas länger als die letzte Route, geht vom Hauptbahnhof übers Bundeskanzleramt bis zur Friedrichsstraße.

Dieses Mal wurde deutlich stärker zu Gegenprotesten mobilisiert, es gibt viele Plakate, Aufrufe, Aufkleber und Flyer. Gleichzeitig ist das Mobilisierungspotential in Berlin zur Zeit nicht sonderlich hoch. In Berlin existiert eine Zivilgesellschaft zudem eher nur auf einzelne Kieze bezogen, aber es gibt keinen stadtweiten Aufschrei bei einer Nazidemo wie er manchmal in westdeutschen Städten zu beobachten ist. Es erscheint derzeit aber durchaus wahrscheinlich, dass es diesmal gelingen könnte mehr Gegendemonstrant*innen zu mobilisieren als Nazis, was eigentlich in Berlin eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Es sind alle dazu aufgerufen sich selbst, Freund*innen und Genoss*innen zu mobilisieren und den Nazis am 7.5. entgegenzutreten. Die nächste Nazidemo von Stubbe und Co folgt dann am 30.7.. Ein erfolgreicher Gegenprotest am 7.5. schmälert die Chance auf regelmäßige, große Naziaufmärsche in Berlin erheblich.