Die AfD hat in ihrem Programm beschlossen, den Einfluss des Islams in Deutschland zurückzudrängen. Überschattet wird der Parteitag von Streitereien und einem Datenleck.
Von Lenz Jacobsen, Stuttgart
Die Alternative für Deutschland hat ihre Anti-Islam-Rhetorik der vergangenen Wochen nun auch in ihrem Parteiprogramm fixiert. Auf ihrem Bundesparteitag in Stuttgart verabschiedeten rund 2.000 Mitglieder der AfD ein Grundsatzprogramm, in dem sich Sätze finden wie: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland." und: "Deutsche Leitkultur statt Multikulturalismus." Vorangegangen waren heftige Debatten darüber, wie man genau mit dem Islam umgehen soll.
Über die Frage, ob Aufklärungstendenzen im Islam unterstützt werden sollten, wurde zunächste lange diskutiert. Die anwesenden Mitglieder stimmten schließlich mit großer Mehrheit einem Antrag zu, der sagt, dass eine Aufklärung im Islam "nicht realistisch und nicht wünschenswert" sei. "Wenn wir gegen die Islamisierung des Abendlandes sind, dürfen wir nicht für die Verwestlichung des Islams eintreten", argumentierte unter Applaus Hans-Thomas Tillschneider, Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt und Sprecher der neurechten Patriotischen Plattform. Der vom Bundesvorstand unterstützte Leitantrag hatte bisher vorgesehen, "Islamkritiker" bei ihren Bemühungen um Aufklärung und Reformen des Islam zu unterstützen.
Ein inhaltlich konkurrierender Antrag, der das Programm dahingehend präzisieren sollte, dass nur der "politische Islam" und nicht der Islam als Ganzes nicht zu Deutschland gehöre, wurde unter Buhrufen abgelehnt.
Die Mitglieder des Parteitags forderten außerdem mit großer Mehrheit Einschränkungen für Muslime. Unter der Überschrift "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" sprachen sie sich für ein Verbot der Vollverschleierung aus und lehnten Minarette ebenso ab wie den Muezzinruf.
Die Debatte über das in der Partei besonders beachtete Thema Islam verlief über lange Strecken chaotisch. So wurde deutlich länger über Geschäftsordnungsanträge debattiert als über die eigentliche Haltung zum Islam. Parteichefin Frauke Petry scheiterte mit dem Antrag, die Debatte auf 60 Minuten festzulegen.
Ausgepfiffen wurde während der Diskussion ein Delegierter, der zum Dialog mit muslimischen Gemeinden vor Ort aufrief. Ein weiterer Parteivertreter wies darauf hin, dass sich die AfD mit ihren Aussagen zum Islam gegen das Grundgesetz stelle.
AfD fordert flächendeckenden Schutz der deutschen Außengrenzen
Die deutschen Außengrenzen sollen nach dem Willen der AfD außerdem wieder flächendeckend gesichert werden. Dazu sollten "gegebenenfalls Schutzzäune oder ähnliche Barrieren errichtet werden", beschloss der AfD-Parteitag mit großer Mehrheit. Auch sollten "betriebsbereite Grenzübergangsstellen bereitstehen", die je nach Bedarf jederzeit wieder in Betrieb gehen sollten.
Der Grenzschutz solle unter dem Dach der Bundespolizei aufgebaut werden. Zum Schutz der grünen Grenze sollten "nach österreichischem Vorbild Wehrpflichtige herangezogen werden können", hieß es in dem Beschluss weiter. Das Kapitel mit der Überschrift "Deutsche Grenzen schützen" wurde auf Antrag der AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" in das Grundsatzprogramm aufgenommen.
Begründet wurde dies mit der "hohen Zahl von Einbruchs- und Diebstahlsfällen in Grenzbereichen" sowie zur Verhinderung von Waffen- und Drogenschmuggel.
Kultur soll staatliche Pflichtaufgabe werden
Petry konnte einen zusätzlichen Absatz durchdrücken, der die Kultur als Klammer des Politikverständnisses bezeichnet, und fordert, diese Kultur dürfe "nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden". Gegner halten das für "eine Ansammlung nichtssagender Phrasen". Außerdem stellte Petry – formal korrekt – mitten in der zentralen Debatte über die Haltung zum Islam einen Antrag zur deutschen Orchesterlandschaft. Die dürfe man schließlich nicht vergessen. Kultur soll staatliche Pflichtaufgabe werden. Bisher ist sie freiwillig, das heißt, Kommunen können am leichtesten an diesem Haushaltsposten sparen. Die Mehrheit der AfD-Mitglieder stimmte auch hier Petry zu.
Einwanderung nach kanadischem Vorbild
Schon am gestrigen Samstag hatten die Delegierten heftig über ein generelles Verbot von Einwanderung gestritten. Nachdem die Teilnehmer des Parteitages am Samstagabend in ihr Parteiprogramm geschrieben hatten, "Einwanderung, insbesondere aus fremden Kulturbereichen", sei grundsätzlich abzulehnen, wiesen einige Mitglieder am Sonntag darauf hin, dass die AfD sich in ihrer Anfangsphase immer für eine kontrollierte Zuwanderung von Fachkräften nach dem Vorbild Kanadas eingesetzt habe. Von dieser Linie sollte man jetzt nicht abweichen. Einige Redner erklärten, problematisch sei vor allem die Zuwanderung von Muslimen. Christliche Migranten aus Asien sollte man in Deutschland willkommen heißen.
Schlussendlich wurden einige am Vortag beschlossene radikale Formulierungen wieder gekippt. Stattdessen heißt es im Parteiprogramm jetzt: "Für den Arbeitsmarkt qualifizierte Einwanderer mit hoher Integrationsbereitschaft sind uns willkommen."
Parteichefin Petry hatte die Oppositionsrolle der AfD nur als Zwischenstation bezeichnet und den Machtanspruch ihrer Partei formuliert. Ins Parteiprogramm wurden bereits Bedingungen für Koalitionsverhandlungen aufgenommen, etwa eine Absage an einen EU-Beitritt der Türkei.
Petry deutete unter Verweis auf den Erfolg des FPÖ-Kandidaten bei der österreichischen Bundespräsidenten-Wahl an, dass die AfD schneller als erwartet in Regierungsverantwortung kommen könne: "Mehrheiten können sich ändern." Sie kündigte außerdem an, die AfD werde mit Partei-Vize Albrecht Glaser einen eigenen Kandidaten bei der deutschen Bundespräsidenten-Wahl im Mai kommenden Jahres aufstellen. Einer aktuellen Emnid-Umfrage zufolge kommt die AfD derzeit auf 13 Prozent und wäre damit drittstärkste Kraft hinter Union und SPD.
Die EU soll nach dem Willen der AfD nur noch eine europäische Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Vorbild der früheren EWG sein. Den Einfluss der Europäischen Union möchte die AfD zugunsten einer Stärkung nationaler Kompetenzen beschränken.
Eine weitere Erkenntnis im Zusammenhang mit dem Parteitag: Der Ko-Vorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, will vorerst nicht Spitzenkandidat seiner Partei bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr werden. "Ich habe derzeit nicht vor, anzutreten, und zwar aus familiären Gründen", sagte er der Thüringer Allgemeinen. Er verwies darauf, dass er in Baden-Württemberg "verwurzelt" sei und es seine Frau und seine Kinder nicht nach Berlin ziehe.
"Einstweilen" sei ihm Baden-Württemberg groß genug, sagte Meuthen weiter. Seit dem Einzug der AfD in den Stuttgarter Landtag im März ist er dort Fraktionschef. Der Wirtschaftsprofessor ist seit Juli 2015 zudem neben Petry Bundessprecher der AfD.
Meuthen geht nach eigenen Worten davon aus, dass Petry dagegen bei der Bundestagswahl als Spitzenfrau antreten werde. "Das wäre aus ihrer Funktion heraus auch völlig legitim", fügte er hinzu. Das Thema stelle sich aber erst im Herbst.
Linke Website stellt Adressen von AfD-Mitgliedern ins Netz
Unter den Teilnehmern des Bundesparteitages sorgte am Sonntag auch ein Datenleck für Aufregung. Die AfD wurde offensichtlich Opfer eines Hackerangriffs. Die Plattform Indymedia – die sich auf ihrer Internetseite als dezentrales, organisiertes, weltweites Netzwerk sozialer Bewegungen beschreibt – hat eine Liste mit mehr als 2.000 Namen und Adressen von Parteimitgliedern des Parteitags in Stuttgart veröffentlicht.
Meuthen sagte, die IT-Sicherheit werde bereits überprüft. Er forderte eine Sperrung der Website Indymedia. Er kündigte außerdem Ermittlungen und Konsequenzen an. Eine Unterbrechung des Parteitags aufgrund des Vorfalls lehnten die Parteimitglieder ab. Meuthen sagte, er könne verstehen, dass dieses Datenleck unter den Mitgliedern für erhebliche Unruhe sorge. "Das ist kein Spielchen, was da stattfindet."