Big Brother Awards: Negativpreis für Berliner Verkehrsbetriebe und Change.org

Erstveröffentlicht: 
22.04.2016

Die Preisträger für die Big Brother Awards 2016 stehen fest. Mit den BVG wird er zum ersten Mal einem Verkehrsbetrieb verliehen; die kritische Berichterstattung von Golem.de dazu wurde in der Laudatio erwähnt. In der Kategorie Wirtschaft bekommt eine Kampagnenplattform die Antiauszeichnung. Endlich erhält ihn auch der Verfassungsschutz - für sein Lebenswerk.

 

Die Oscars für Datenkraken, so die Selbstbeschreibung der Big Brother Awards, gehen im Jahr 2016 an den Verfassungsschutz, Change.org, die Berliner Verkehrsbetriebe BVG, die Generali-Versicherung und IBM. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), bekommt dabei den sogenannten Lifetime-Award. Hervorgehoben wird damit das Lebenswerk der Behörde, die bisher zum Erstaunen der Jury noch keinen Big Brother Award erhalten hat. Begründungen sind systematische Verstöße gegen Grundrechte, die Verstrickungen in die Neonaziszene und das Vertuschen illegaler Praktiken. Der Anlass ist das 65. Jubiläum des BfV - rechtzeitig zum Eintritt ins Pensionsalter, wie Laudator Rolf Gössner anmerkt. Er wurde selbst fast 40 Jahre lang vom BfV überwacht.

 

Ein Unternehmen namens Change.org

Eigentlich Gutes hat das Portal Change.org im Sinn - sollte man meinen. Das sehen die Jury-Mitglieder des Big Brother Awards allerdings anders und verleihen ausgerechnet in der Kategorie Wirtschaft und nicht etwa in Politik ihren Antipreis. Denn Change.org sei als Kampagnenplattform ein Wirtschaftsunternehmen und vermarkte personenbezogene Daten der Unterzeichnenden in Verbindung mit deren politischer Einstellung, so der Vorwurf. Kritisch sieht die Jury zudem, dass die Daten der politisch und gesellschaftlich Aktiven in den USA gespeichert werden.

Den Preis in der Kategorie Technik erhält erstmals ein Verkehrsunternehmen. Die Berliner Verkehrsbetriebe, BVG, werden für den Einsatz der VBB-Fahrcard ausgezeichnet. Begründung ist hier vor allem, dass die BVG das Vertrauen der Fahrgäste verspielte, indem sie erst behauptete, es sei technisch unmöglich, Bewegungsprofile zu erstellen. Später musste sie dies zurücknehmen - der Misstand wurde erst durch den Fahrgastverband IGEB berichtet und durch Recherchen von Golem.de vertieft: Tatsächlich war die Möglichkeit des Erstellens von Bewegungsprofilen von Anfang an vorgesehen. Die BVG behauptet allerdings bis heute, dass es "weder technisch noch organisatorisch möglich [ist], Bewegungsprofile auf der Karte oder im System zu speichern". "Die Fahrgäste waren ahnungslos. Und ohne den Berliner Fahrgastverband IGEB und das Online-Magazin Golem.de wären sie es vermutlich bis heute", hieß es in der Laudatio der Big Brother Awards.

 

Der Preis gilt auch anderen Einsätzen des E-Tickets

Aber nicht nur die BVG wird mit dem Negativpreis kritisiert: "Dieser Big Brother Award gilt nicht nur der BVG und den anderen im VBB, sondern er soll auch ein Warnschuss für die ganzen anderen Verkehrsbetriebe bundesweit sein, die elektronische Fahrkarten vorbereiten oder schon einsetzen". Verkehrsbetriebe sollten ehrlich mit ihren Kunden umgehen und nicht wie hier Methoden einsetzen, die "bewiesen [haben], dass es besser ist, ihnen nicht zu trauen", so Rena Tangens' Laudatio.

 

Punkte für Versicherungen durch Apps

 

Eigentlich wäre das Verhalten der BVG zwar auch etwas für den Verbraucherschutz, doch diesen Preis gewann ein Versicherungsunternehmen: Generali Versicherungen und dessen Versuche, die Kunden dazu zu bringen, sich für ein Punktesystem in ein Tracking-System per App einbinden zu lassen. Nicht nur die Verwendung der Daten wird dabei kritisch gesehen, auch Generalis Behauptung, dass diese dem Unternehmen selbst nicht bekannt seien, weil es eine organisatorische Trennung gebe. Bei Versicherungen wird außerdem das Aufweichen des Solidarmodells problematisiert: Wer das Pech eines Unfalls oder schlechter Gesundheit hat, muss künftig mehr bezahlen.

 

In der Kategorie Arbeitswelt hat sich die Jury für den Big Brother Award eines der bekanntesten IT-Unternehmen ausgesucht. IBM hat betriebsintern die Software Social Dashboard im Einsatz, die das firmeninterne soziale Netzwerk analysiert. Wie viele Kontakte hat ein Mitarbeiter intern, wie gut ist er vernetzt und wie gut verteilt er Informationen? All das soll das Social Dashboard analysieren können und Mitarbeitern eine Punktezahl für die Social Reputation zuweisen. Eigentlich werde dabei nur der soziale Wirbel gemessen, so die Kritik. Mitarbeiter, die mehr Likes verteilten oder E-Mails weiterleiteten, bekämen einen höheren Punktewert. Dass diese fragwürdigen Kriterien kaum etwas über den Wert der Mitarbeiter aussagen, sollte eigentlich klar sein.