Bombendrohung als Aktionsform

08.03.2015, Frankfurt: Einige Tausend Demonstranten sind nach langwieriger Mobilisierungsarbeit aus ganz Europa angereist, um ihren Widerstand gegen das kapitalistische Krisenregime vorzutragen. Ergebnis: Nach einem militanten Morgen dominieren Repression und überlegene Bullenstreitkräfte den Rest des Tages. Die Eröffnungsfeierlichkeiten um die EZB können, wenn auch abgespeckt, planmäßig durchgezogen werden. Draghi, Schäuble & Co. lächeln für die Kameras.

 

Ob nun die Demo für die Flora im Dezember 2013, der Protest gegen den WKR-Ball 2014, oder eben Frankfurt 2015 – das Konzept möglichst viele (mehr oder weniger militante) Aktivisten auf die Straße zu stellen, stößt immer öfter an die Grenzen, welche eine zunehmend effektiver werdende Staatsgewalt setzt. Und zwar selbst wenn es sehr gut umgesetzt und rezipiert wird was nicht einmal mehrheitlich der Fall ist.

Wir fragen uns: Was hätten dagegen nur zwei Anrufe mit drohendem Inhalt für die Eröffnung der EZB oder den letzten G7-Gipfel bedeutet? – Nicht als Ersatz für die offene Demonstration breiten Widerstands; sondern als Ergänzung zu dieser.

Könnten die Aufmärsche Tausender Faschisten so effektiver verhindert werden, als durch immerwährendes Rennen in die Knüppel der Bullen, die sich nach jeder Sitzblockade über neue Daten freuen? Könnte die militärische Übermacht der Schweine entzerrt werden, wenn man ihre Kräfte mit Drohungen an entfernte Orte der Stadt bindet?

 

Dieser Text soll kein Aufruf sein. Wohl aber ein Anstoß zur Diskussion über neue Mittel und Wege.

 

Politischer Kontext – Einordnung 

Dass wir diese Gedanken in den Wochen nach Brüssel, Paris, Istanbul etc. äußern, ist nicht Absicht, sondern Zufall. Neu sind diese Überlegungen nicht. Der, ohne Frage auch zynische, Gedanke, dass diese Aktionsform gerade in einer Phase Erfolge erzielen könnte, in der tatsächliche Fälle widerlichen Terrorismus gegen willkürlich gewählte Menschenansammlung das Legitimationskapital innenpolitischer Reaktionäre bieten, ist uns gewahr.

 

Ebenso, dass wohl schon öffentliche Reflektion dieser Art als Wasser auf die Mühlen der  „Extremismus“-Theoretiker herhalten müssen könnte. Wir sind aber überzeugt, dass man zwar die Repression stets einkalkulieren muss – sei sie nun ideologisch oder physisch; dass sich aber nichts bewegen wird, wenn man nicht bereit ist, die von ihr gesetzten Grenzen auch zu überschreiten. – Vom vermeintlichen Säure-Konfetti, über die Clowns-Armee, die in Wirklichkeit Nagelbomben werfe bis zum entglasten Fenster, das jedes Mal eine „neue Dimension der Gewalt“ darstelle: Vermeintliche Legitimierung anti-emanzipatorischer Gewalt und Gesetze braucht keine „echten“ Anlässe, sondern schafft sie sich nach Belieben selbst.

 

Selbstverständlich gälte es jedes Mal aufs Neue ganz klar zu reflektieren, was die Folgen solch einer (in der Tat ganz und gar gewaltlosen) Aktion wären. Jeder müsste für sich selbst wissen, ob z. B. die Hoffnung auf eine zum Bahnhof abgezogene Hundertschaft es rechtfertigen würde, dass zahlreiche Arbeiter nur mit Verspätung zu ihrem Abendessen kommen würden.

 

Vorteile 

Der augenscheinlichste Vorteil der Aktionsform wäre sicherlich, dass die Aktion ortsunabhängig von ihrem Ziel durchgeführt werden könnte. Es bestünde noch nicht ein mal die Notwendigkeit sich in der selben Stadt, auf dem selben Kontinent aufzuhalten. Diese Tatsache würde darum ergänzt, dass die Aktion auch von einer einzelnen Person (bzw. einer klandestin agierenden Kleingruppe) durchgeführt werden könnte. Faktoren, wie z. B. physische Fitness, die Personen von vielen gängigen Aktionsformen ausschließen, wären hierbei hinfällig. Der benötigte Aufwand wäre verhältnismäßig gering. Der aber wohl entscheidende Vorteil beträfe aber nicht den Sender, sondern den Empfänger. – Es gäbe keinen wirksamen Schutz gegen eine Bombendrohung. Der Staat kann und will es sich nicht leisten, eine Drohung auf die leichte Schulter zu nehmen, selbst wenn deren Realisierung angezweifelt würde.

 

Nachteile 

Den zahlreichen Vorteilen stünden natürlich auch Nachteile gegenüber, die es zu reflektieren gälte. Neben den üblichen Repressionsmaßnahmen wie Freiheitsentzug etc., könnten auch zivilrechtliche Forderungen, insbesondere finanzielle Forderungen vorgebracht werden. Die Rechnung für einen Polizeieinsatz, bei dem ein Hauptbahnhof geräumt würde, dürfte nicht mit einer Soliparty abbezahlt sein. Zudem würde diese Aktionsform je nach Ausführung Kenntnisse in der Verschleierung von Spuren erfordern, sei es physischer oder telekommunikativer Natur.

  

Letztendlich muss jeder selbst wissen, ob er nach seinen Möglichkeiten auf einer Demo Steine wirft, Nazis die Nase bricht, Bahnanlagen sabotiert oder einen Anruf tätigt / eine E-Mail schreibt.

 

Zur Praxis 

Im Folgenden sind nun Gedanken zu drei konkreten Methoden aufgelistet. Diese sollen nur den ersten Punkt einer Diskussion darstellen und müssen natürlich noch ergänzt werden.

 

Schriftlich 

Die Drohung mit Hilfe eines Zettel oder Briefs zu transportieren mutet sicher anachronistisch an und birgt fraglos Risiken und Nachteile, die es zu beachten gälte. Wir wollen die Option dennoch kurz vorstellen.

 

Vorteilhaft wäre, dass weniger Kenntnisse über digitale Verschlüsselung & Co. von Nöten wären, da die Aktionsebene eine simple physische wäre. Dafür müssten mit extremer Sorgfalt jegliche DNA-Spuren und Fingerabdrücke vermieden werden. Papier, welches man nur mit dicken Gummihandschuhen nehmen könnte, gäbe es sicher zuhauf; doch auch ein Raum, der nicht völlig „sauber“ ist und den man bereits zuvor ungeschützt betreten hätte, könnte Risiken bergen. Zudem wäre alles Handschriftliche selbstverständlich keine Option. Doch auch Drucker hinterlassen individuelle Signaturen; dürften also nur dieses einzige Mal benutzt werden.

 

Ein Nachteil wäre zudem, dass in jedem Fall schwer präzise zu kalkulieren wäre, wann der Zettel gelesen würde. – Ob man ihn nun irgendwo ablegen, einwerfen oder versenden würde. Zudem müssten all diese Vorgänge natürlich unerkannt und vor allem ungefilmt vonstatten gehen.

 

Telefonisch 

Diese wie auch die nachfolgende Methode hätten den massiven Vorteil, dass sie von fast jedem Ort weltweit ausgeführt werden könnten. Zudem bekäme man das „Empfangen“ der Drohung unmittelbar mit. Denkbar wären also Telefonzellen und anonyme Prepaid-Handys. In jedem Fall wäre auch hier sicher zu stellen, dass weder bei der Benutzung noch beim etwaigen Erwerb nachvollziehbare Spuren hinterlassen würden. (Etwa DNA in der Telefonzelle oder Kamerabilder beim Kauf der SIM-Karte.) Zur Nutzung eines Mobiltelefons wären womöglich weitere Hinweise zu Safe-Handys zu beachten, die hier den Rahmen sprengen würden.

 

Selbstverständlich wäre das Verwenden oder simple Verstellen der eigenen Stimme keine Option. Auch von sogenannten Stimmverzerrern wäre abzuraten, da deren Effekte womöglich mit entsprechenden Programmen aufgehoben werden könnten. Naheliegend wäre stattdessen das Aufzeichnen eines Textes, der von einer Sprachausgabesoftware wiedergegeben wird (an einem PC, der nicht mit dem Internet verbunden wäre). Diese Tonspur wäre dann mit einem anschließend zu entsorgenden Ausgabegerät (Diktiergerät, MP3-Player etc.) via Telefon zu übermitteln. Die Kommunikation sollte ausschließlich über Dritte (Zeitungsredaktion, Radiosender, Einzelhandel) stattfinden, mit der Aufforderung sich an die Bullen zu wenden. Dort direkt anzurufen wäre nicht zu empfehlen, da die Bullen alle Gespräche aufzeichnen.

 

Internet 

Wie auch bei einer telefonischen Drohung, ist die Kommunikation via Internet weltweit möglich. Voraussetzung hierfür wäre ein Intercafé (ohne Kameraüberwachung) oder ein offenes W-Lan. Die Bombendrohung könnte per E-Mail zugestellt werden. Auch hierbei gälte: nicht direkt an die Bullen. Das würde ihnen die unweigerlich angestellten Ermittlungen nach der Aktion erschweren. Alternativ könnte die Drohung z. B. in einem Forum oder der Kommentarfunktion einer Internetseite (z. B. tagesschau.de) veröffentlicht werden. Eine weitere Möglichkeit wäre es, E-Mails zeitverzögert zu verschicken. Bei einem kommenden Großereignis könnte die E-Mail also schon Wochen vorher exakt terminiert abgeschickt werden.

 

Ausblick 

Der CDU-Bundesparteitag, ein AFD-Stammtisch in der Eckkneipe, der nächste Staatsbesuch von Erdogan oder das Gelöbnis der Bundeswehr. – Alldem ließen sich womöglich Steine in den Weg legen, ohne dafür Steine in die Hand nehmen zu müssen.