Reichsbürgerin stiehlt Gerichtsakte und flüchtet

Erstveröffentlicht: 
31.03.2016

Während eines Prozesstermins vor dem Amtsgericht Kaufbeuren sorgten sogenannte Reichsbürger für Chaos. Die angeklagte Reichsbürgerin stahl im Getümmel die Gerichtsakte zu ihrem Verfahren und flüchtete. Sie wurde dabei von einem Pulk gleichgesinnter Verschwörungsgläubiger unterstützt und machte sich davon. Ein Eingreifen war dem Gericht nicht möglich. Die mehrfach vorbestrafte wurde dann in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ähnlichen Szenen kam ein benachbartes Gericht zuvor.

 

Es war nicht ihre erste Auseinandersetzung mit der Justiz. Manuela H. ist bereits mehrfach vorbestraft wegen unerlaubtem Handel mit Betäubungsmitteln, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Trunkenheit im Verkehr. Dafür saß sie bereits im Gefängnis. Diesmal wurde ihr wieder vorgeworfen, ohne die nötige Fahrerlaubnis einen PKW gesteuert zu haben.

 

Zwei Polizisten haben sie dabei im Juli 2014 in Marktoberdorf im Landkreis Ostallgäu erwischt. Sie wussten, dass die 49-jährige bereits mehrmals ohne Führerschein unterwegs war und hielten sie an, wogegen die Reichsbürgerin sich verbal gewehrt haben will. Sie habe die beiden hingewiesen, dass die Straßenverkehrsordnung ungültig sei und sie nach ihren „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ nicht von der Polizei verfolgt werden dürfe. Die Polizisten allerdings seien gar keine und würden sich der Amtsanmaßung schuldig machen.

 

Die Staatsanwaltschaft sah das anders und erhob Anklage gegen H., das Amtsgericht Kaufbeuren lud auf Januar diesen Jahres. Justillon, ein Blog über kuriose Rechtsnachrichten, beschreibt den weiteren Verlauf:

 

„Wie in der Reichsbürgerszene üblich, folgte nun das übliche Prozedere: Man versteht die Ladung zum Prozess als „Einladung“ und weist diese mittels diverser wirrer „Rechtsausführungen“ zurück. In diesem Fall ging es sogar soweit, dass die Angeklagte eine „Klage“ gegen das Gericht beim von Szeneangehörigen geschaffenen und damit de facto fiktiven „International Common Law Court of Justice“ einreichte. Dieser „Internationale Justizgerichtshof für Naturrecht, Völkerrecht und allgemeingültige Rechtsprechung“ soll in Wien seinen Sitz haben und sei von der UN in Genf und vom IGH anerkannt und beauftragt, hier tätig zu werden. Wie eine solche „Anerkennung“ aussieht, bleibt der als „Beschluss“ betitelte Schriftsatz aber schuldig. Darüber hinaus heißt es mahnend: „Dieser Beschluss ist rechtsgültig und rechtskräftig. Es sind keine Rechtsmittel zulässig! Von positiver Erledigung wird ausgegangen.“ Anhand der gesamten Wortwahl ist recht schnell ersichtlich, dass dort noch niemand etwas von einer Prozessordnung, geschweige denn vom Recht auf ein faires Verfahren gehört hat. Der „Beschluss“ ist mehr eine Aneinanderreihung hilfloser Aufforderungen, vermischt mit diffusen rechtlichen Fehlinterpretationen. Während die Angeklagte, die durchwegs im Schriftstück als „Souverän manuela aus der Familie …“ bezeichnet wird, Vorladungen als Einladungen zurückweisen kann, schließt der Empfänger dieses Fantasiedokumentes aber konkludent einen „Vertrag mit Gebührenpflicht“ ab. Ganze 339,42 Euro will das fiktive Gericht für seine „Arbeit“ verlangen. Ansonsten droht man mit „Inkasso“. Und überhaupt droht man noch so einiges an, wenn den Aufforderungen nicht schleunigst nachgekommen wird.“

 

Während der Gerichtsverhandlung in Kaufbeuren erklärte sich ein Zuschauer kurzerhand selbst zum „Richter“ und bedrohte den Staatsanwalt. Daraufhin ließ er sich von der Angeklagten die Gerichtsakte zuwerfen, um diese zu „Beschlagnahmen“. Nach einigen Minuten tumultartiger Szenen verließen die bis zu 20 Anwesenden, die teilweise dem „One People Publics Trust“ (OPPT) und dem Umfeld der rechten und verschwörungsideologischen „Kemptener Friedensmahnwache“ zugerechnet werden, samt Akte und Angeklagter das Gebäude, ohne von der inzwischen zugezogenen Justizwachtmeisterei mit Polizeiverstärkung durchsucht oder identifiziert werden zu können.

 

Manuela H. wurde anschließend in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten ohne Bewährung verurteilt. Ermittlungen wegen dem Aktendiebstahl, dem Aufzeichnen der Verhandlung auf Video und anschließender Veröffentlichung wurden eingeleitet.

 

Zwei Monate später wollte das Amtsgericht Sonthofen im benachbarten Landkreis Oberallgäu ähnlichen Szenen zuvor kommen und verschärfte die Zugangskontrollen bei erhöhter Polizeipräsenz. Wie die Allgäuer Zeitung berichtet, stand am ein Prozess gegen einen „Bürger des Freistaats Preußen“ an. Weil dieser die BRD nicht anerkenne, verweigerte er die Anmeldung gemäß Meldegesetz. Den ergangenen Bußgeldbescheid akzeptierte der 38-jährige Sonthofer nicht, zog es dann aber vor nicht zur Gerichtsverhandlung zu erscheinen. Dadurch wurde sein Rechtsmittel verworfen und der Bußgeldbescheid rechtskräftig.