Am Nachmittag des 19.03.2016 versammelten sich über 400 Menschen aus aller Welt am Marktplatz um gegen den grassierenden Rassismus in Halle (Saale), Deutschland und Europa gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Gemeinsam erhoben sie lautstark und kraftvoll ihre Stimme. Bezeichnend für die Demonstration war die Selbstorganisation und Mobilisierung durch Geflüchtete und Migrant*innen sowie die Vielfalt der Teilnehmer*innen.
Das Multikulti-Kollektiv, eine von Geflüchteten und Migrant*innen selbstorganisierte Gruppe, rief in mehreren Sprachen dazu auf, statt Geflüchtete zum Sündenbock politischer Fehlentscheidungen zu machen, sich mit ihnen zu solidarisieren. In der Auftaktkundgebung forderten Mitglieder des Kollektivs gleiche Rechte für alle, die Abschaffung der menschenunwürdigen Asylgesetze und der Diskriminierung einzelner Gruppen Geflüchteter, den Stopp rassistischer Polizeikontrollen und die Abschaffung von Abschiebungen. Sie machten deutlich, dass das Streben nach Glück, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der Selbstbestimmung universelle Rechte darstellen und keiner Person abgesprochen werden dürften.
Auf dem Weg durch die nördliche Innenstadt zum Reileck wurde die Demonstration von einem Redebeitrag begleitet, der sich mit der Lage in Deutschland nach den beschämenden und enttäuschten Landtagswahlen auseinandersetzte und mit einem Aufruf zur Solidarisierung mit von Rassismus betroffenen Mitmenschen unabhängig ihrer Herkunft in Zeiten von Hetze und Stimmungsmache endete.
Am Reileck und der dortigen „Mohrenapotheke“ erklärten sich so dann Sprecher aus dem Multikulti-Kollektiv unter zahlreichem Applaus und Zuspruch wütend über die immer noch übliche und akzeptierte Verwendung des Begriffes „Mohr“ für schwarzen Menschen und gegen die stereotypisierte Figur an der Fassade des Hauses. In einem mehrsprachigen Beitrag wurde auf die Kontinuität von kolonialistischer Ausbeutung und rassistischer Ideen hingewiesen. „Diese Demonstration ist hier im Kampf gegen den Rassismus. Schwarze Menschen wollen nicht mehr benutzt oder kategorisiert werden. Wir verlangen die Umbenennung dieser Apotheke in Halle und anderer ähnlicher Orte in Deutschland!“
Auf dem Weg über die Ludwig-Wucherer-Straße und Steintor zum Hansering machte „Die Stimme der Frauen“ ihre Position mit einem klaren Aufruf gegen die Asylrechtsverschärfungen im Namen der Frauenrechte deutlich. In ihrem Redebeitrag verwiesen sich auch auf die Zusammenhänge zwischen bestehenden Patriarchat mit seinen desaströsen Formen von Unterdrückung und Fluchtursachen deutlich.
Im Anschluss kamen in einem Gastbeitrag Geflüchtete zu Wort, die seit Wochen im griechischen Idomeni festsitzen. Die Situation an den Grenzen Europas wurde thematisiert und auf die am selben Samstag stattfindenden europa- und bundesweiten Solidarisierungsaktion gegen rassistische Gesetze und die menschenunwürdige Abschottungspraxis hingewiesen.
Die Abschlusskundgebung am Leipziger Turm handelte von den tagtäglich stattfindenden rassistischen Polizeikontrollen gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen vor allem mit dunkler Hautfarbe rund um den Leipziger Turm, der unwürdigen Herangehensweisen der Polizist*innen und der Einordnung dieser in die gesamteuropäische rassistische Isolationspolitik.
Die Demonstration verlief trotz zweier Provokationsversuche friedlich. Vielfältige Stimmen und Forderungen für ein gleichberechtigtes Miteinander konnten in die Öffentlichkeit getragen werden. Die zahlreichen Teilnehmer*innen machten gemeinsam deutlich, dass Solidarität nicht in der Bildung von Menschenketten enden darf, sondern praktisch werden muss.
Die Demonstration wurde mit der Unterstützung des Studierendenrat der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Organisationen wie dem Bündnis Halle gegen Rechts und weiterer Initiativen aus Sachsen-Anhalt realisiert. Sie endete am Welcome-Treff mit einem gut besuchten Konzert. Hier ließen die Menschen zusammen den Aktionstag im Rahmen der bundesweiten „Bildungswochen gegen Rassismus“ ausklingen.