Geheimnisverrat, Nähe zu Pegida und NPD - Ermittlungen gegen sächsische Polizisten meist folgenlos

Erstveröffentlicht: 
15.03.2016

Als am Mittwoch in Jena zwei Polizeibeamte am Rande einer AfD-Demonstration das "Compact"-Magazin gut sichtbar in ihrer Windschutzscheibe positionierten, hatte das Konsequenzen: Sie wurden versetzt. "Compact" ist ein politisches Magazin, der Chefredakteur tritt als Redner bei Pegida und Legida auf. Beobachter fragten, ob man sich um die die politische Neutralität der Thüringer Polizei sorgen müsse. Ähnlich gelagerte Fälle gab es im vergangenen Jahr auch in Sachsen. Wie ist da der Stand?

 

Der umstrittene Leipziger Bereitschaftspolizist Fernando V. ist weg von der Straße, er wurde im September in den Innendienst versetzt. Das teilte das sächsische Innenministerium auf Anfrage von MDR INFO mit. Anfang vergangenen Jahres waren Chatprotokolle an die Öffentlichkeit gelangt, die zeigen, dass der Beamte mit dem Ex-NDP-Mitglied und verurteilten Gewalttäter Alexander Kurth engen Kontakt hielt. Geprüft wurde, ob Fernando V. dabei Interna verraten hat, sagt Polizeisprecher Andreas Loepki: "Dieses Prüfverfahren hat letzten Endes nicht den Verdacht erhärtet, dass es sich um eine Straftat handeln könnte."

 

Versetzung als schadensbegrenzende Maßnahme

Auch wenn der Vorfall die Polizei in ein schlechtes Licht gerückt habe, sei weder strafrechtlich noch disziplinarrechtlich relevantes Verhalten festgestellt worden, heißt es dazu aus dem sächsischen Innenministerium. Die Versetzung in den Innendienst sei keine Disziplinarmaßnahme. Sie kann eher als Schadensbegrenzung verstanden werden, denn dass Fernando V. noch im Sommer vergangenen Jahres als Bereitschaftspolizist an der Asylunterkunft in Freital eingesetzt worden war, hatte erneut für Protest gesorgt. 

 

Folgenloses rechtsextremes Posting bei Facebook

Bei zwei weiteren Leipziger Polizisten, Roger B. und Jens K., die auch Kontakt zu Alexander Kurth hielten, wurde ebenfalls kein strafrechtlich relevantes Verhalten festgestellt, heißt es aus dem Operativen Abwehrzentrum, das bei extremistisch motivierten Straftaten ermittelt. Auch ein Facebook-Eintrag auf dem Account von Roger B. blieb folgenlos: "Deutscher Vater, deutsches Kind, 88" lautete der Kommentar zu einem Foto seines Neffen und dessen Tochter. 88 steht für "Heil Hitler".


Andreas Loepki von der Polizeidirektion Leipzig erklärt: "Er konnte vorbringen, dass eine Bekannte Zugang hatte und dort diesen Schriftzug hinterlassen hat - warum auch immer. Das war nicht näher zu erklären. Diese Behauptung war nicht als Schutzbehauptung zu widerlegen." Im Zweifel für den Angeklagten – das gelte auch in diesem Fall, sagt Loepki: "Der sofort getätigte Aufschrei in der Öffentlichkeit, dass solche oder andere Kollegen aus dem Dienst zu entfernen sind, ist halt nicht zielführend."

 

Mehrstufiges Maßnahmen-System bei Fehlverhalten

Das sächsische Disziplinargesetz sieht bei Fehlverhalten von Beamten abgestufte Disziplinarmaßnahmen vor. Sie reichen vom Verweis über eine einmalige Geldbuße bis zur Kürzung der Dienstbezüge, Degradierung und schließlich zur Entlassung. "Gerade weil es diese fünf Stufen gibt und die letzte die schwerwiegendste ist, sind da auch riesige Bedingungen dran gebunden – und die werden auch verwaltungsrechtlich tiefgründig geprüft. Keine einzige dieser vorhergehend angewendeten Fehlverhaltensweisen der Beamten hätte diese Maßnahme begründet."

Interne Dokumente Pegida zugespielt?

Das Ansehen der Polizei erschütterten in den vergangenen Monaten aber auch Dokumente, die von der Polizei zu Pegida und zur NPD gelangt sind. Im Herbst machte Pegida-Gründer Lutz Bachmann interne Polizeiberichte über Straftaten von Asylbewerbern öffentlich und behauptete, er erhalte immer wieder solche Faxe und Mails. Die Dresdner Polizei ermittelte wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz - erfolglos. Die Ermittlungen seien im Sande verlaufen, teilte die Pressestelle auf Anfrage von MDR INFO mit. Die Dokumente seien nicht geheim gewesen, praktisch die gesamte Polizeidirektion Dresden hätte Zugriff darauf gehabt. Der Personenkreis sei zu groß, um einen Täter ermitteln zu können.

 

Ähnlicher Fall mit der NPD

Seit zwei Monaten wird in Leipzig wegen eines ähnlichen Falls ermittelt. Am 11. Januar hatte die Polizei mutmaßliche Linksextremisten auf dem Weg zu Demonstrationen in Leipzig gestellt. In deren Wagen wurden unter anderem Waffen gefunden. Wenig später veröffentlichte die Leipziger NPD Informationen darüber. Polizeisprecher Loepki erklärt: "Es ist so, dass wir davon ausgehen müssen, dass interne Informationen von einem Bildschirm abfotografiert und dann weiterverteilt wurden. Was wir momentan nicht sagen können: Wie groß der Personenkreis ist, der Zugriff auf diesen Vorgang hatte. Da läuft noch die Auswertung über das Landeskriminalamt. Wir können auch nicht sagen, in welcher Form und auf welchem konkreten Weg die Weitergabe an die NPD erfolgte." Die Ermittlungen wegen des Tatvorwurfs der Verletzung des Dienstgeheimnisses dauerten an, heißt es aus der Staatsanwaltschaft Leipzig.