In einem Kellergewölbe außerhalb von Mainz feiert die AfD ihren Wahlerfolg in Rheinland-Pfalz. Es wird von „Schnauze voll“ und „Multikulti-Rotz“ schwadroniert. Der Barkeeper kommt aus Marokko, und vor der Tür stimmt einer ein Lied gegen die „Feindesbrut“ an.
Die AfD inszeniert sich als Kraft außerhalb des Systems, sogar bei der Siegesfeier: Die Wahlparty nach dem Erfolg in Rheinland-Pfalz findet nicht, wie bei allen anderen Parteien, in der Mainzer Innenstadt statt, sondern abgeschieden im Stadtteil Weisenau. Aus Angst vor „Übergriffen“, wie die Partei im Vorfeld erklärt hatte. Doch dazu kommt es am Sonntagabend nicht; die angekündigte Anti-AfD-Demonstration hat nur wenig Zulauf.
Also kann sich die AfD in einem dunklen Gewölbekeller ungestört feiern. 12,6 Prozent und damit drittstärkste Kraft im künftigen Landtag, das ist noch deutlich besser, als viele es hier ohnehin schon erwartet hatten. Kleine Deutschlandfähnchen säumen den Eingang in den Keller, die Luft riecht muffig und feucht, jetzt, zu späterer Stunde, sind nicht mehr viele Anhänger geblieben. Die geblieben sind, sind aber umso mehr in Feierlaune. Die Alkoholvorräte dürften bald aufgebraucht sein, vorne im Keller üben sich zwei junge Männer zu laut-treibender Disco-Musik im Pogo.
Allen, die an diesem Abend hier sind, ist eines gemein: Sie sind in Sorge um „ihr“ Deutschland, sie haben Angst vor der Überfremdung und vor allem vor den vielen Flüchtlingen. Dass es vor allem Merkels Flüchtlingspolitik ist, der die AfD ihren Erfolg zu verdanken hat, ist im Gewölbekeller in Weisenau denn auch weithin Konsens. Die Menschen hätten „die Schnauze voll“ von dem von Berlin legitimierten „Asylmissbrauch“, wie es im AfD-Sprech heißt und wie es auch auf zahlreichen Plakaten im Gewölbekeller steht. „Wissen Sie, ich habe zwei Kinder, denen will ich mal ein Deutschland hinterlassen und nicht irgend so einen Multikulti-Rotz“, erklärt vor der Tür ein Anhänger. Endlich werde es „diesen Parteien“ und „diesem System“ mal gezeigt, jetzt sei Schluss. „Die Zeit, dass wir die Hände in den Schoß gelegt haben, ist endlich vorbei.“
Barkeeper aus Marokko
Drinnen, an der improvisierten Bar, bestellt ein AfD-Anhänger unterdessen einen Cocktail - bei einem Barmann, Zufall oder AfD-Kalkül - aus Casablanca in Marokko. „Na, wie war der Abend für Dich?“ will der AfD-Anhänger von dem Mann jetzt wissen, „waren das jetzt alles Nazis hier?“ Der Mann hinter dem Tresen schüttelt den Kopf: „Nein, Quatsch“, sagt er, außerdem sehe er diese Sache mit den Flüchtlingen doch auch kritisch. „Weißt du“, sagt der AfD-Mann dann, „das sind alles wehrfähige Männer, die da nach Deutschland kommen, dabei könnten die zuhause doch ihre Familien verteidigen.“ Er wiegt den Kopf. „Das verstehe ich einfach nicht.“
Und überhaupt verstehe er doch vieles nicht, zum Beispiel, warum die „arabischen Brüder“ den Flüchtlingen nicht viel mehr helfen, damit sie nicht alle nach Europa kommen müssten. „Das ist doch ganz klar“, zieht der AfD-Mann dann sein eigenes Fazit: „Die wollen Europa destabilisieren.“ Der Mann hinter dem Tresen nickt. Als der AfD-Mann weg ist, fragt er sicherheitshalber aber noch einmal, was genau hier heute Abend eigentlich gefeiert werde, so richtig klar ist ihm das offenbar nicht. „AfD? Wahlerfolg? Ah, deshalb.“
Druckreif ungefährliche Sätze
Ein paar Meter weiter steht unterdessen Uwe Junge, der Spitzenkandidat der AfD, der im Gegensatz zu den Männern an der Bar druckreif ungefährliche Sätze sagen kann, wenn er will. Manchmal will er auch nicht, dann hetzt er auf Wahlkampfveranstaltungen gegen den Islam und sagt zum Beispiel, Muslime gäben sich nur so lange tolerant, wie sie in der Minderheit seien. Neben Malu Dreyer von der SPD ist Junge der Gewinner des Abends, an seiner Partei kommt in Mainz künftig keiner vorbei. Ein „Riesenerfolg“ sei das Wahlergebnis für die AfD, analysiert Junge, der Berufsoffizier in Mayen ist; dass es zweistellig werden könnte, damit habe man gerechnet, dass es aber so hoch werden würde, habe dann doch alle überrascht. „Wir haben viele Wähler von der Union angezogen, aber vor allem die Nichtwähler, die die derzeitige Flüchtlingspolitik endlich beenden wollen.“ Vor allem aber hätten die Menschen begriffen, dass es falsch sei, wenn die AfD als Partei von „Rassisten und Rechtsradikale“ beschimpft werde.
Junge zeigt sich an diesem Abend mit breiter Brust: Die AfD werde vor allem dafür kämpfen, dass Rheinland-Pfalz endlich eine „klare Abschiebungspolitik“ verfolge, kündigt er an. Die Taktik, die AfD einfach zu ignorieren, wie es die anderen Parteien in Ostdeutschland weiland mit der NPD versucht haben, werde in Mainz nicht funktionieren. „Mit einer Partei, die 14 Sitze im Landtag hat, wird man reden müssen. Sonst wird das den etablierten Parteien noch einmal auf die Füße fallen.“ Trotz aller „Ausgrenzung“ der AfD werde sich im parlamentarischen Alltag irgendwann eine normale Auseinandersetzung einstellen, glaubt Junge: „Wenn wir anfangen, auf beiden Seiten abzurüsten, kommen wir sicher zu einem Weg, auf dem man Sachpolitik machen kann.“ Mit der AfD könne man doch über vieles reden, selbst über Themen der Grünen oder der Linkspartei. „Wir sind eine ideologiefreie Partei.“
Beim Rausgehen, draußen vor der Tür, stimmt ein AfD-Anhänger ein Lied an. Es handelt von Deutschland, seinem Deutschland: „Deutschland lebt, und wir sind seine Söhne. / Nur Hass und Wut für die Feindesbrut.“ Das Lied stammt von der rechtsextremen Band „Division Germania“.