Ein AfD-Kandidat zur Wahl in Baden-Württemberg ist aus der „Identitären Bewegung“. Interne Mails belegen: Rechtsextreme unterwanderten die Partei.
HAMBURG taz | Kurz vor der Landtags-Wahl in Baden-Württemberg am kommenden Sonntag ist die „Junge Alternative“, die Jugendorganisation der AfD, besonders aktiv. Wie aus internen Nachrichten hervorgeht, die der taz vorliegen, wurde die AfD-Jugendorganisation im Ländle indes gezielt unterwandert: von Aktivisten der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB). Einer der Anhänger der „Identitären“ wurde von der AfD sogar als Kandidat für die Landtagswahl aufgestellt.
Stefan Räpple, von Beruf Hypnosetherapeut, tritt für die AfD im Wahlkreis Offenburg an. Auf seiner Website wirbt der 34-Jährige damit, die „Junge Alternative“ 2013 gegründet zu haben. Was er nicht schreibt: Im gleichen Jahr hatte er auch versucht, eine Ortsgruppe der „Identitären Bewegung“ zu organisieren, was nur an internen Streitigkeiten mit weiteren Initiatoren scheiterte. Gut bekannt ist Räpple mit Moritz Brodbeck, dem Landesvorsitzenden der „Junge Alternative“ in Baden-Württemberg. Und auch er ist ein Aktivist der „Identitären Bewegung“.
Anders als die AfD wird die „Identitäre Bewegung“ vom Verfassungsschutz beobachtet: Seit ihrer Gründung 2012 tauchen die „Identitären“ im Bremer Verfassungsschutzbericht unter „Neonazistische Szene“ auf. Bundesverfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen nannte sie eine „virtuelle Erscheinungsform des Rechtsextremismus“.
Dass sich Räpple und Brodbeck irgendwann bei der AfD wiederfinden würden, ist kein Zufall: Vor knapp drei Jahren überlegten Räpple und Brodbeck wie die „Identitären“ sich zur AfD verhalten könnten, die sie als Konkurrenz von rechts erkannten: „Die IB hat ein Problem. Und das ist die Partei AfD“, schrieb Räpple an Brodeck am 24. April 2013 in einer Nachricht. Er kenne viele, die sich den „Identitäen“ angeschlossen hätten, wenn es die AfD nicht gäbe. „Warum einen Untergrundkrieg führen, wenn man gesellschaftlich anerkannt Politik gestalten kann, auch wenn man ein wenig VWl pauken muss“, heißt es von Räpple weiter, der dann explizit erkärt: „Ich sehe in der Identitären Bewegung die Jugendorganisation der AfD.“
Von Anfang an
Beide fassen einen Plan: Ob es schon einen Jugendverband geben, will Brodbeck von Räpple wissen. „Wäre Klasse“, schreibt Brodbeck, „weil wenn‘s da wirklich nur eine handvoll junge Leute gibt, dann könnten wir das von Anfang an unter unsere Kontrolle bringen.“ Und weiter: „Wir basteln uns ein kleines Netzwerk“. Brodbeck kenne noch weitere aus der Identitären Bewerung, die dafür zu haben wären. Räpple bestärkt ihn daraufhin und meint, die meisten in der AfD würden „alle Positionen der IB vorbehaltlos unterschreiben“. Die Strategie von Räpple und Brodbeck ist anscheinend aufgegangen.
Für die Autonome Antifa Freiburg, denen deren komplette Korrespondenz ebenfalls vorliegt, ist klar: „Der Jugendverband in Baden-Württemberg wurde von Anfang an gezielt von Rechtsextremen aufgebaut und der amtierende Landesvorsitzende war ein Kader der ‚Identitären Bewegung‘.“
Mindestens in seinen Positionen hat auch der Bundesvorsitzende der Jungen Alternative, Markus Frohmeier, eine inhaltliche Nähe zur IB. Auch Frohmeier kommt aus Baden-Württemberg und kandidiert für die AfD in Villingen-Schwenningen. Wie er denkt, zeigte er etwa bei einer Kundgebung um den thüringischen AfD-Landtagsfraktionschef Björn Höcke im Oktober 2015: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht“, hetzte Frohmeier.
Höcke und sein Kurs, die AfD weit rechts zu positionieren, wurde seit langem von der „Identitären Bewegung“ und ihrem Bundesleiter Nils Altmieks unterstützt. Die explizite Unterwanderungsstrategie allerdings ist neu.
Eng mit der Neuen Rechten verwoben
Entstanden ist die „Identitäre Bewegung“ in Frankreich. Ein Video der „Génération Identitaire“ führte 2012 im Internet zu einem Boom auch in Deutschland. In dem Clip erklären sie, in ein Sozialsystem einzuzahlen, das durch Zuwanderung instabil werde, oder dass sie Opfer der 68er seien. Das Video sei „eine Kampfansage an diejenigen, welche ihr Volk, ihr Erbe, ihre Identität und ihr Vaterland hassen und bekämpfen!“. Lange war die IB nur im Netz aktiv. Die Bewegung ist eng mit der Neuen Rechten um das Institut für Staatspolitik verwoben.
Am Telefon wollte Brodbeck sich gegenüber der taz nicht zu dem Sachverhalt äußeren. Eine schriftliche Nachfrage blieb unbeantwortet.