HH, Breite Straße 13. & 12. Prozesstag - Richter Halbach stellt seinen "Fahrplan" für das laufende Verfahren vor & widersprüchliche Aussagen

Breitesoli

In diesem langen Text findet ihr die Protokolle vom neusten Prozesstag und Auszüge aus dem neuen Protokoll von Prozesstag 12. Das komplette Protokoll vom 12. Prozesstag findet ihr hier. Wegen der "Ferien" findet der nächste Prozesstag erst am 21.3.2016 statt.

 

Am heutigen Prozesstag wurden drei Polizisten verhört. Alle drei waren dafür zuständig die Schilde an der Tür zu halten. Eigentlich gehören sie der „Tauchergruppe“ der technischen Einheit an.

 

Als erster Zeuge wird der Polizist André Lehmann aufgerufen. Er trug an der Tür ein Schild und will auf diesem von einem Gegenstand getroffen worden sein. Außerdem hat er Farbe ab bekommen. Auf Nachfrage des Gerichts gibt er an dass diese beim Umziehen auch auf die Haut gekommen ist, sie ging aber mit einfachem waschen leicht ab.

Weil ein Hinweis über Funk kam glaubt er von einem Waschbeckenteil am Schild getroffen worden zu sein. Der Schmerz war nicht dramatisch, beim Arzt war er dennoch. Dieser hat eine leichte Rötung und eine Prellung attestiert.

Er stand die ganze Zeit über an der Tür und zwar am weitesten weg.

In den Ohren hatte er zwei Funkkanäle. Auf dem einen Ohr den Zuginternen Funk, auf dem anderen Ohr den Einsatzkanal. Gruppenführer und Gruppenführervertreter (was er war) haben immer zwei Kanäle. Über den Funk kamen auch die Hinweise auf herabfallende Gegenstände.

Ein Schöffe will wissen ob der Gehörschutz individuell angepasst ist. Lehmann sagt aus es gebe verschiedene Größen und man nehme sich die die passt.

Der Staatsanwalt bittet um eine plastische Beschreibung des Treffers und liefert gleich noch martialische Bilder dazu. Die Verteidigung interveniert da die Frage schon beantwortet ist und es hier lediglich darum geht ein Bild zu überzeichnen. Halbach unterstützt die Staatsanwaltschaft. Der Staatsanwalt fragte weiter und versuchte dem Zeugen Dinge in den Mund zu legen woraufhin die Verteidigung noch mehrfach intervenieren musste.

Lehmann sagte dann aus dass er nach einer Warnung zusammengerückt sei und den Körper angespannt habe. Es sei überraschend gewesen getroffen zu sein weil er nichts kommen sah. Sein Arm ist etwas runter und er ist zusammengezuckt. An mehr konnte er sich trotz vieler Nachfragen der Staatsanwaltschaft nicht erinnern.

Bei den Fragen der Verteidigung stellt sich heraus, dass viele Teile des Zusatzberichts Schlussfolgerungen sind. Lehmann schrieb hier zum Beispiel von schweren Einzelteilen die er aber gar nicht gesehen hat usw.

Nach Gesprächen und Austausch unter den Polizist_innen kann er sich nicht erinnern über was sie geredet haben.

Trotz des Gehörschutz und der zwei Funkkanäle will er nach dem er am Schild getroffen wurde Keramik am Boden splittern gehört haben.

An seine Zeugenvernehmung kann er sich nicht erinnern. Die befragende Person fragte und schrieb direkt auf, danach hat er es durchgelesen und unterschrieben.

Es gab eine Nachbesprechung des Einsatzes an der er teilgenommen hat. Es wurde geredet was man taktisch hätte besser machen können. Wer genau teilnahm weiß er nicht, aber im Prinzip der ganze Zug. Geleitet wurde diese von Polizist Baden.

Er sprach zuvor von „Polenböllern“. In der weiteren Befragung gibt er an, dass dies der umgangssprachliche Begriff für besonders laute Böller sei.

Zu den Schildeinsätzen sagt er aus, dass diese nicht gesondert trainiert werden. Zumindest hat er nie an einem Training teilgenommen. Er kam zufällig zu dem Schild und hat sich nach dem Befehl freiwillig gemeldet.

Sein Verhältnis zum Polizist Staack ist ein kollegiales, sie sind nicht befreundet. Der Hintergrund für die Frage wird klar als sich herausstellt, dass der Zusatzbericht von Lehmann und der von Staack in großen Teilen wortgleich sind. Der Zeuge gibt an dafür keine Erklärung zu haben. Er habe seine Aussage für sich alleine geschrieben und sie auch keinem anderen zur Verfügung gestellt. Technisch gebe es die Möglichkeit so lange der Vorgang offen ist auch in andere Berichte zu gucken. Auch nachdem die wortgleichen Berichte vorgehalten werden bleibt er bei seiner Aussage dass er alles selbst geschrieben hat.

Auch er hat einen Adhäsionsantrag (Antrag auf Schadensersatz) gestellt. Er kann sich nicht erinnern dess es Gespräche darüber gab, es habe auch keine Unterstützung bei der Antragstellung gegeben. Den Antrag habe er dann zurückgezogen. Ein anderer Polizist habe sich anwaltlich beraten lassen, er habe aber keine Unterstützung und keine Vorlagen gehabt. Auch nach Vorlage verschiedener exakt gleicher Schreiben bleibt er dabei dass er alles selbst geschrieben hat.

Die Verteidigung beantragt die Protokollierung dieser Aussage, die Staatsanwaltschaft beantragt die Ablehnung der Protokollierung. Das Gericht entscheidet nicht zu Protokollieren und begründet dies kaum.

Der Hintergrund ist dass es nach dieser doch sehr schwer zu glaubenden Aussage eine Protokollierung möglicherweise Probleme für den Polizisten nach sich gezogen. Dies wollten Staatsanwaltschaft und Gericht anscheinend verhindern.

 

Als nächster Zeuge wird Kay Koch, geboren am 10.10.1967 aufgerufen. Demnach ist er 48 Jahre alt.

Er berichtet von durchgehendem Bewurf und will von einem Waschbeckensplitter verletzt worden sein. Dies ist jedoch nur eine Schlussfolgerung, gesehen hat er nichts, auch wegen der Farbe. Bei der Verletzung handelte es sich um einen 2 CM langen oberflächlichen Cut, er hat erst später auf dem Revier geschaut und dann auch nur desinfiziert.

Während der Fragen der Verteidigung wird deutlich, dass er direkt nach dem Einsatz von einem Objekt das er nicht gesehen hat gesprochen hat, erst später dann von einem Keramiksplitter, im Prozess dann von einem Waschbeckensplitter. In seiner Vernehmung will er Keramikteil oder Kloschüssel gesagt haben, im Text steht aber Waschbecken. Das kann er nicht erklären.

Einen Zusatzbericht zu schreiben sei in solchen Fällen üblich. Beim Schreiben des Berichts war er nicht alleine, in dem Raum gab es zwei Schreibplätze, er erinnert aber nicht wer dabei war.

An seine Vernehmung kann er sich nicht erinnern, es war so Frage – Antwort, er glaubt von wem vom LKA befragt worden zu sein.

Mit Lehmann zusammen wurde er vom Polizist Schulz ins Gericht gebracht. Es gab auf der Fahrt kein Gespräch über diesen Fall da es auf der Dienststelle den Hinweis gab, dass über das Verfahren nicht gesprochen werden soll.

Im Vorfeld hat ihm aber Herr Oldenbusch berichtet, dass die Befragung durch die Verteidigung unangenehm gewesen sei. Für ihn habe es sich angehört, als habe Oldenbusch vor einem Triumvirat gesessen. Auch er gibt an die Nachfragen angreifend zu finden.

Es gab eine Nachbesprechung über die Taktik des Einsatzes. Er weiß nicht genau wer dabei war. Als die Verteidigung genauer nachfragt unterbricht Richter Halbach und gibt dem Zeugen eine unverfängliche Antwortformulierung vor die dieser sogleich übernimmt: „ich antworte mit den Worten des Vorsitzenden…“. Nachdem an diesem Punkt keine weiteren Informationen kamen verneint er die Frage ob es eine Anweisung gegeben habe wie sich bei Fragen zur Nachbesprechung vor Gericht verhalten werden soll. Allgemein sollten sich Polizist_innen vor Gericht „Offen und Ehrlich“ verhalten.

In seiner Einheit sind lediglich fünf Frauen, in der Technik derzeit nur zwei. Wie es an der Tür war kann er nicht sagen, unter dem Panzer sehe man das ohnehin nicht.

Auch Polizist Koch hat einen Adhäsionsantrag gestellt und zurückgezogen. Über die Stellung des Antrags will er mit den Polizisten Badelt und Staack gesprochen haben. Er will ihn aus Datenschutzgründen zurückgezogen haben. Bei der Antragstellung hat er einen Vordruck aufgerufen. Bei der Rücknahme gebe es in seiner Erinnerung keinen Vordruck, er wurde auf Blanco gestellt. Er will sich nicht erinnern ob er die Rücknahme selbst formuliert hat. Er erinnert nicht dass er was abgeschrieben hat und glaubt dass er die Rücknahme ans Gericht oder an die durchführende Diensstelle geschickt hat. Die genaue Formulierung erinnert er nicht.

Er kann nicht erklären warum alle Schreiben gleich formuliert sind und gleich aussehen und an die Antragsteller, also die absendenden Polizisten, adressiert sind. Das wird wohl ein Flüchtigkeitsfehler sein meint er. Er schließt aus dass er einen Vordruck bekommen und diesen nur unterschrieben hat.

Er ist Mitglied in einer WhatsApp-Tauchergruppe in der auch die Polizisten Staack, Lehmann, Ritter, Schulz, Hartmann und andere sind. Dort soll es aber keinen Austausch über das Verfahren gegeben haben. Weitere WhatsApp-Gruppen sind ihm bekannt, es gibt z.B. auch eine Gruppe der Technik allgemein. Ob jemand aus seiner Tauchergruppe noch in anderen dieser WhatsApp-Gruppen ist weiß er nicht.

 

Nach der Mittagspause wird der Polizist Staack aufgerufen.

Er gibt an sich nur lückenhaft zu erinnern. Als Vorbereitung habe er stellenweise in Berichten gelesen und ein YouTube-Video geguckt.

Als sie zum Haus fuhren hieß es erst dieses sei leer, es war amüsant dass dann doch Leute im Haus waren. Der Türöffnungstrupp sollte die Tür öffnen, die Tauchergruppe in der er damals war sollte die Schilde halten.

Er hat Farbe abbekommen und fand es einschneidend dass ein Waschbecken geflogen sein soll. Sie kamen an der einen Tür nur langsam voran, dann wurde entschieden die andere aufzumachen. Die andere Tür aufzumachen war angenehmer weil es weiter weg war vom Bewurf. Es seien auch Böller zwischen sie gefallen und er habe einen Schmerz in der rechten Gesäßhälfte gespürt. Als die Tür offen war haben sie sich zurückgezogen. Auf Nachfragen von Halbach zu den Geschehnissen an der Tür kann er sich nicht erinnern. Nur wer dort war bekommt er noch zusammen – Holthusen und Skolin hätten an der Tür gearbeitet, er selbst, Lehmann und Koch seien mit Schild da gewesen. Es habe dann noch einen Wechsel gegeben. Auch die Polizistin Kilz sei da gewesen aber er habe keine genaue Erinnerung.

 

Der Prozesstag endet und die Befragung von Staack ist noch nicht abgeschlossen. Der nächste Prozesstag ist wegen Ferien am 21.3.2016. Es sind Vorgeladen: 9 Uhr: Staack, 10:30 Uhr: Posselt, 13:30 Uhr: Richter.

 

12.Prozesstag – 22.2.16 – Halbach stellt seinen „Fahrplan“, bezüglich der Tatvorwürfe, für das Verfahren vor & die Zeugen widersprechen sich.

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Es folgen zwei Anträge der Verteidigung. Der 1.Antrag besteht darin, Oberstaatsanwalt Elsner als Zeuge zu laden, da die Anklageschrift die Grundlage des Verfahrens ist und Aufklärung notwendig ist wie es zu der, hauptsächlich auf Videos basierenden, Anklage gekommen ist. Zumal die in der Anklage zugeordneten Würfe und Zeiten zu denen sie stattgefunden haben sollen nicht nachvollziehbar sind.

Der 2.Antrag besteht darin, einen Beschluß des Landgerichts über die Beschwerde zur DNA Abgabe zu verlesen, da dort steht, das nach Sichtung des Videomaterials der Tötungsvorsatz verneinet wird. Zudem gingen auch die Zeugen Borsuzki und Nikolaus davon aus nicht getroffen zu werden. Borsuzkis Einschätzung war, dass es nicht gefährlich war und er auch nicht um jeden Preis räumen wollte. Nikolaus kam in seiner Gefahrenanalyse dazu, dass die Gegenstände die Beamten nicht erreichen können. Da stellt sich die Frage, wie die Täter billigend die Tötung in Kauf genommen haben sollen?
Diesen Anträgen schließen sich alle Verteidiger an.

 

Daraufhin gab Halbach eine Stellungnahme bezüglich seines „Fahrplans“ in diesem Verfahren ab. Er beabsichtige erst zu klären, ob der Tötungsvorwurf aufrechterhalten werde und sobald dies durch sei würde die Kammer sich beraten. Dazu würden noch 1-2 Hände voll Zeugen gehört werden. Erst dann wird er etwas dazu sagen. Sein Plan ist: erst prüfen ob überhaupt Tötungsvorwurf besteht, erst dann würde es darum gehen ob dies zuordenbar ist. Alternativ wäre dann gefährliche Körperverletzung (Böller) in Mittäterschaft aller Personen im Haus – ohne Zuordnung.

 

...Die Befragung, das komplette ausführliche Protokoll vom 12. Tag und den Tagen davor und mehr findet ihr hier: breitesoli.noblogs.org