Erst am 29. Februar hat der Sächsische Landtag intensiv über die Versäumnisse beim Vorgehen gegen den Rechtsextremismus im Freistaat diskutiert. Der Ministerpräsident gab zu, das Problem sträflichst unterschätzt zu haben. Aber schon zwei Tage später ist alles wieder vergessen. Mit der Mehrheit von CDU, SPD und AfD empfahl der Immunitätsausschuss, die Immunität der linken Landtagsabgeordneten Juliane Nagel aufzuheben.
Genauso hatte sich die konservative Landtagsmehrheit auch in den Vorjahren verhalten, als es um die Aufhebung der Immunität von Abgeordneten ging, die sich in Dresden im Februar 2011 den rechtsextremen Demonstrationen entgegengestellt hatten.
Dabei warf die Leipziger Staatsanwaltschaft Juliane Nagel nicht mal vor, irgendeine wie auch immer geartete Demonstration behindert zu haben. Zur Erinnerung: Auf einer Pressekonferenz des Aktionsnetzwerkes „Leipzig nimmt Platz“ am 19. Januar 2015 hatten sowohl Lazar wie auch Nagel dazu aufgerufen, sich der angekündigten LEGIDA-Kundgebung entgegenzustellen. Beide mit unterschiedlicher Wortwahl. Aber im Kern ging es um Dasselbe: zu verhindern, dass die Rassisten von LEGIDA die Leipziger Innenstadt genauso dauerhaft und medienwirksam in Beschlag nehmen, wie es die Dresdner Rassisten bei PEGIDA bis heute tun.
Das Verfahren gegen Monika Lazar wurde mittlerweile eingestellt, wohl auch, weil der Bundestag nicht bereit war, die beantragte Immunitätsaufhebung einfach durchzuwinken, sondern die Staatsanwaltschaft zur Anhörung lud. Nach der Befragung stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen die grüne Bundestagsabgeordnete ein.
Warum es der Immunitätsausschuss des Sächsischen Landtages nicht genauso macht, will dem parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion Die Linke, Sebastian Scheel, nicht so recht einleuchten.
„Mit Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass die Mehrheit von CDU, SPD und AfD im Ausschuss nicht einmal bereit gewesen ist, zumindest die Staatsanwaltschaft Leipzig zur Klärung der offenen Fragen vorzuladen. So wie es der Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages im Fall Monika Lazar getan hat, gegen die die Staatsanwaltschaft exakt dieselben Vorwürfe erhoben hatte“, sagt er nach der Entscheidung des Immunitätsausschusses, zu empfehlen, die Immunität der Abgeordneten Juliane Nagel aufzuheben. „Der Erklärungsbedarf ergibt sich allein schon daraus, dass über zweitausend Menschen die Erklärung ‚Leipzig nimmt Platz‘ unterzeichnet haben, die dann von fünf Persönlichkeiten auf einer Pressekonferenz vorgestellt worden ist. Gegen diese hat die Staatsanwaltschaft zunächst Ermittlungsverfahren eingeleitet, die bis auf die beiden Abgeordneten eingestellt wurden. Nun soll allein gegen Jule Nagel Anklage erhoben werden, das erweckt den Verdacht, dass die Staatsanwaltschaft aus politischen Motiven willkürlich handelt. – Gerade jetzt ist dies ein fatales Signal gegen das Engagement der Zivilgesellschaft und läuft allen Absichtserklärungen aus der Landtags-Sondersitzung zuwider, eben diese Zivilgesellschaft im Kampf gegen fremdenfeindliche und rassistische Umtriebe in Sachsen zu stärken.“
Juliane Nagel selbst hatte vermutet, dass die Staatsanwaltschaft bei ihr härter reagiert, weil sie die Aufforderung, den Marschierern von LEGIDA die Marschroute zu verstellen, deutlicher formuliert hatte als Monika Lazar, die auf der Pressekonferenz formuliert hatte: „Man sollte den Nazis den Ring nicht überlassen.“ Juliane Nagel hatte noch deutlicher formuliert, worum es beim bürgerschaftlichen Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ eigentlich geht: Man sollte verhindern, dass LEGIDA laufen kann.
Nur: Wird die Staatsanwaltschaft mit ihrem Ansinnen auch vor Gericht Erfolg haben?
Daran zweifelt der rechtspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke, Klaus Bartl, der auch einer der beiden Rechtsbeistände von Juliane Nagel ist: „Wir sehen einem möglichen Gerichtsverfahren mit großer Gelassenheit entgegen und gehen davon aus, dass sich der Anklagevorwurf als haltlos erweisen wird. Das Handeln der Abgeordneten ist gerade in dieser Zeit in Sachsen als das anzusehen, was man als sozialadäquat bezeichnet.“
Tragisch ist eher, dass die Mitglieder des Immunitätsausschusses noch immer in den alten Verhaltensweisen stecken und die Gelegenheit völlig vergeigt haben, wirklich einzulösen, was sie in der Sondersitzung so lautstark beklagt haben.