Mit einer solch großen Resonanz hatten die Organisatoren der Demonstration "Herz statt Hetze" in Unterbalbach am Freitagabend nicht gerechnet.
Zwar tröpfelten zu Beginn der Gegendemonstration zum Besuch des umstrittenen AfD-Fraktionsvorsitzenden im Thüringer Landtag, Björn Höcke, am frühen Freitagabend die Teilnehmer zunächst nur "tröpfchenweise" vor der Kirche in Unterbalbach ein, doch im Laufe des Demonstrationszuges und vor allem zur abschließenden Kundgebung vor der Balbachhalle reihten sich dann, nach eigenen Angaben des Veranstalters, rund 750 Gegner (die Polizei sprach von rund 350 Teilnehmern) unter dem Motto "Toleranz und Offenheit" bzw. "Herz statt Hetze" in den Protest ein. Um es vorwegzunehmen: Die Demonstration verlief absolut gewaltfrei. Die Polizei war, vorsorglich, mit einem Aufgebot von rund 50 Beamten, darunter auch eigens angereiste Bereitschaftspolizisten sowie Hundeführer und sogar berittene Polizei aus Mannheim vertreten. Sie musste aber dank des friedlichen Protests nicht einschreiten.
Einzig zu Beginn der Abschlusskundgebung, die auf einem kleinen Nebenplatz an der Balbachhalle stattfand, bezogen die bereit stehenden Polizisten kurz Position, als sich einige der Demonstranten in breit angelegter Front mit ihren Plakaten der Halle näherten. Zwar vermutete die Polizei, wie deren Einsatzleiter Burkhard von der Groeben gegenüber den FN mitteilte, auch einige Autonome unter ihnen, die nicht aus dem Main-Tauber-Kreis stammen, doch letztendlich verlief der Einsatz aus Polizeisicht ruhig.
Mit dafür sorgten auch einige Ordner aus den Reihen des Veranstalters "Mergentheim gegen Rechts", dem sich zu dieser Demo folgende Gruppen angeschlossen hatten: Willkommen in Wertheim e.V., DGB Main-Tauber, IG Metall Tauberbischofsheim, Bündnis 90/Die Grünen Main-Tauber, GRÜNE JUGEND Würzburg, DIE LINKE. Main-Tauber-Kreis, SPD Main-Tauber und Heilbronn, Jusos Main-Tauber und Jusos Heilbronn, Heilbronn sagt Nein! Bündnis für Demokratie & Toleranz, Noabgida - Aschaffenburg gegen Pegid,Würzburg lebt Respekt - Kein Platz für Rassismus sowie die Antirassistische Initiative Wertheim.
Zudem reihten sich spontan zahlreiche Privatpersonen in den Zug ein, neben einigen Landtagskandidaten anderer Parteien aus dem Main-Tauber-Kreis auch einige ausländische Mitbürger, wie etwa aus der Alevitischen Gemeinde Lauda-Königshofen, die alleine mit rund 50 Mitgliedern in Unterbalbach vertreten war.
Bereits bei der Aufstellung des Protestmarsches am Kirchplatz stimmte ein Sprecher des Veranstalters die Teilnehmer auf die Demo ein. So würden seit 2015 rassistische Strukturen aufgrund des dramatischen Rechtsrucks in Deutschland und Europa erheblich zunehmen. "Ob Brandstiftungen und Anschläge mit Pyrotechnik in Wertheim-Reinhardshof, körperliche Gewalttaten in Lauda-Königshofen oder Hakenkreuz-Schmierereien in Bad Mergentheim, Assamstadt, Wertheim und Boxberg: Der Main-Tauber-Kreis blieb von rassistisch motivierten Straftaten leider keineswegs verschont!" Insbesondere, so der Sprecher, schüre die "rechtspopulistische AfD" Ängste innerhalb der Bevölkerung und vergifte das gesellschaftliche Klima, so der Vorwurf.
Der AfD-Kreisverband Main-Tauber sei vollkommen auf Höckes "rassistischer Linie", was nicht nur die AfD-Landtagskandidatin Dr. Christina Baum, "überzeugte Erstunterzeichnerin" der von Höcke initiierten sogenannten "Erfurter Resolution", beweise. "Während sich der AfD-Bundesparteivorstand von Höckes eindeutig rassistischen Aussagen distanziert habe und der AfD-Landesvorstand ausdrücklich vor einer Einladung Höckes gewarnt hätte, habe das AfD-Kreisvorstandsmitglied Christian von der Groeben aus Großrinderfeld den Redner Höcke als "netten, umgänglichen Menschen", dem in der jüngsten Vergangenheit "einige Dinge herausgerutscht" seien und der "sich ein paar Mal falsch ausgedrückt" habe, "verharmlost".
Regelrecht empört zeigte sich der Sprecher der Initiative "Mergentheim gegen Rechts" über die Statements von Lauda-Königshofens Bürgermeister Thomas Maertens, der die Asylpolitik der Bundesregierung in AfD-Manier kritisiere und die AfD-Veranstaltung in Unterbalbach offensiv mit der Aussage verteidigte, die AfD sei wie jede andere legale Partei zu behandeln.
Laut pfeifend und mit zahlreichen Plakaten wie "Rassismus tötet", "Keine Bühne für Nationalsozialismus", "Zieht den Rechten den hohlen Zahn" oder "Lehrer Höcke, haben Sie nichts aus der Geschichte gelernt?" protestierten die Teilnehmer vorwiegend gegen ausländerfeindliche Parolen in Reihen der AfD.
In ihrem langen Protestzug, der bereits vor Tagen ordnungsgemäß angemeldet worden war, querten die Teilnehmer auf dem Weg von der Kirche zur Balbachhalle auch die Bundesstraße 290, die von Polizisten in dieser Zeit für den Durchgangsverkehr gesperrt worden war.
An der Balbachhalle hielten einige Gastredner bei einer Abschlusskundgebung dann mit ihrer deutlichen Meinung nicht hinter dem Berg. So sprachen dort Birgit Väth und Ute Schindler-Neidlein, die Landtagskandidaten von Bündnis 90/Die Grünen sowie der SPD im Main-Tauber-Kreis, sowie Rolf Grüning (Landtagskandidat von "Die Linke") übereinstimmend davon, dass "für Hetze der AfD gegen Flüchtlinge im Main-Tauber-Kreis" kein Platz sei. Sie verwehrten sich dagegen, dass Flüchtlinge von der AfD pauschal als nicht integrierbar abgestempelt würden und bezeichneten die AfD als eine "fremdenfeindliche und intolerante Partei mit einer rückwärtsgewandten Politik".
Als Gastredner, die sich ebenfalls gegen die AfD-Politik wandten, reihten sich noch Anton Mattmüller von der Antirassistischen Initiative Wertheim sowie Silke Orthwein vom DGB Heilbronn und der Initiative "Willkommen Heilbronn" ein.
INFO: Über die Veranstaltung in der Balbachhalle mit Björn Höcke berichten wir ausführlich in unserer Montags-Ausgabe.