[MD] Auswertung #md1601

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Leider konnte in diesem Jahr der Naziaufmarsch am 16.01.2016 nicht verhindert werden. Eine Miniblockade auf der Naziroute wurde schnell aufgelöst. Gerade die im Vergleich zu den Vorjahren geringe Zahl der ca. 230 “Trauernden” hatte uns viele Möglichkeiten der Aufmarschverhinderung eröffnet. Während es – lt. Presse – 10.000 Menschen auf die Meile der Demokratie schafften, kamen nur ca. 300 Menschen nach Stadtfeld, um den Naziaufmarsch zu stören und im Idealfall zu blockieren.

 

Wir wussten im Vorfeld bereits, wann und wo die Nazis sich treffen und wohin sie marschieren wollen. Es war bekannt, dass zwei Nazi-Versammlungen angemeldet waren und dass hierfür zwei Bahnhöfe von Bedeutung sind, der Hauptbahnhof und der Bahnhof Neustadt. Dass die Nazis laufen konnten, lag in diesem Jahr nicht an einem Informationsdefizit oder einer überraschenden Polizeitaktik. Es waren schlicht nicht genügend Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Durch eine Dauerbaustelle am Bahnhof ist die zentrale Ost-West-Verbindung für PKW nur einpurig und in eine Richtung und ansonsten nur als Fußweg nutzbar. Für den REGINA-Truck ist die Passage unpassierbar. Der Treffpunkt der Nazis auf der Westseite des Hauptbahnhofes erforderte, unseren Treffpunkt ebenfalls in den Westen des Stadtgebiets zu verlegen. Ein Treffpunkt auf der Ostseite des Bahnhofs, auch auf dem Willy-Brandt-Platz, hätte bedeutet, es nicht rechtzeitig auf die Westseite zu schaffen. Unseren Mobilisierungspunkt hatten wir deshalb kurzfristig vom Willy-Brandt-Platz (Ostseite des Bahnhofs) zum Westfriedhof verlegt.

Der Tag begann für uns mit der Ankunft einer ca. 40-köpfigen Gruppe von "Die Rechte" am Bahnhof Neustadt gegen 12 Uhr. Die Nazis standen am Neustädter Bahnhof ohne Polizeischutz rum - in direkter Nähe der Jüdischen Gemeinde. Offizieller Treffpunkt war zudem der ZOB um 12 Uhr. Die Nazigruppe vom Bahnhof Neustadt lief deshalb, diesmal in Polizeibegleitung, durch die Innenstadt zum offiziellen Startpunkt. Ihr Fußweg führte sie dabei auch ein Stück über die Meile der Demokratie. Bereits im Vorfeld erklärte der parteilose Oberbürgermeister Magdeburgs, Lutz Trümper, dass der Erfolg der Meile wesentlich davon abhänge, dass Nazis nicht über den Breiten Weg laufen. Das Angebot der Meile, sich gegen Rassismus zu engagieren, ohne dabei mit Nazis konfrontiert zuwerden, wurde durch die PD Nord sabotiert!

Nach unserer Einschätzung galt der von den Nazis beworbene Treffpunktes um 12 Uhr am Hauptbahnhof/ZOB/Westausgang des Hauptbahnhofs als Vortreffpunkt. Die Auswahl der Ersatzrouten ergab sich zumindest in den Vorjahren aus der unsicheren Lage am Startpunkt oder nachfolgenden Ausweichrouten. Die Anmeldung der Nazis am Bahnhof Neustadt interpretierten wir als möglichen Startpunkt einer Alternativroute. Einen weiteren Aufmarsch bei mindestens einbrechender Dunkelheit als Fackelmarsch vom Bahnhof Neustadt, hielten wir für wahrscheinlicher, als das Abfackeln im Tageslicht am Hauptbahnhof. Wir wussten auch, dass "Die Rechte" sich zur gemeinsamen Anreise am Bahnhof Neustadt getroffen hat und folglich auch dorthin zurück musste. Die Mobilisierung am nachmittag zum Bahnhof Neustadt konterte die Polizei mit der Räumung des Bahnhofsgebäudes. Ohne Ankündigung aber mit Einsatz von Knüppel und Reizgas wurden die Menschen aus dem Bahnhofsgebäude getrieben, um den Nazis den Weg zu ihren Autos freizuhalten. Es gab zuvor weder Provokationen, noch hat die Polizei in irgendeiner Weise eine Aufforderung geäußert, dass das Bahnhofsgebäude zu verlassen sei.

Die Polizei stellte sich auf die Änderung unseres Startpunktes ein, kesselte mehrere Kleingruppen und eine größere Gruppe von Antifaschistinnen und Antifaschisten und führte nur letztgenannte zum angemeldeten Kundgebungsort am Nordeingang Westfriedhof. Währenddessen führte der Naziaufmarsch auf direktem Weg vom ZOB in Richtung Südausgang Westfriedhof zur Zwischenkundgebung und auf direktem Weg wieder zurück. Die Polizeidirektion Nord versuchte ständig, und das meist erfolgreich, Protest in Hör- und Sichtweite zu verhindern. Dieses Verhalten gehört zur alljährlichen Strategie der Polizei in Magdeburg und es ist damit nicht neu, dass sie auch dieses Jahr den öffentlichen Raum um einen Naziaufmarsch sehr weiträumig absperrten. Neu waren Personenkontrollen und Platzverweise bis 22 Uhr für Stadtfeld-Ost und Teile von Stadtfeld-West, auch für Anwohner und Anwohnerinnen. Selbst in ihren Wohnungen wurden Menschen festgesetzt bzw. gehalten.

Dass auch die Nazis im Januar 2016 noch einmal weniger Kameraden mobilisieren konnten als im Januar des Vorjahres, ist Zahlenspielerei, und wohl weder auf Aktionen aus dem bürgerlichen, noch radikalen antifaschistischen Umfeld zurückzuführen. Dafür marschieren Nazis jetzt jeden Montag, die AfD mobilisiert einmal im Monat über 1.000 Menschen auf Wahlkampfevents und erreicht in Umfragen zweistellige Zustimmungswerte. Wir müssen uns darauf einstellen, dass es in Magdeburg leider nur noch sehr begrenztes Interesse und Potenzial für Proteste in Hör- und Sichtweite sowie noch weniger Interesse an Blockaden von Naziaufmärschen besteht. Wie wir unter diesen Bedingungen auf die anstehenden und bereits langfristig angekündigten Naziaufmärsche, dabei vor allem die Hooligan-Demo am 9. April 2016, adäquat reagieren können, werden wir diskutieren.

Das Desinteresse an Blockaden geht mit einem Ohmachtsgefühl gegenüber des alltäglichen und staatlichen Rassismus einher. In verschiedenen Städten findet daher die Diskussion um eine inhaltliche Neuausrichtung der Proteste gegen AfD, Nazihools und Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes statt. Auch wir müssen versuchen, unsere Inhalte und Aktionen zu sortieren, zu gewichten und neu aufzustellen.

Pressespiegel

  • http://www.mdr.de/sachsen-anhalt/magdeburg/achte-meile-der-demokratie-in-magdeburg-eroeffnet100.html
  • http://www.volksstimme.de/lokal/magdeburg/20160116/230-rechte-10-000-bei-meile-der-demokratie
  • http://www.jungewelt.de/m/2016/01-18/015.php
  • http://www.spiegel.de/politik/deutschland/magdeburg-polizisten-bei-ausschreitungen-bei-linken-demo-verletzt-a-1072382.html
  • https://www.youtube.com/watch?v=NnrT2I-gFsU
  • http://www.beobachternews.de/2016/01/24/ueber-10-000-menschen-gegen-neonazis/


Bilderstrecken

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