HH: 8. Tag Breite Straße Prozess: von einseitigen Ermittlungen und dem Anheizen der Telefonüberwachung

Breitesoli

Zunächst wurde heute der Polizeibeamte Strohmann, als Einsatzleiter der 5. Hundertschaft, die in der Nacht der Besetzung im Einsatz war, gehört. Seine Einheit hatte den Auftrag der äußeren Absperrung, sollte also dafür sorgen, dass niemand das besetzte Haus betreten oder verlassen konnte. Nach einer Schilderung der Geschehnisse der Nacht aus seiner Perspektive wurde er durch Richter Halbach und die Verteidigung befragt.

Er sprach von direktem Bewurf der eingesetzten Polizeikräfte aus dem Haus, wobei er angab die Beamten hätten direkt unter den Fenstern, aus denen Gegenstände gefallen sind, gestanden (in den bereits gezeigten Videos ist jedoch deutlich zu sehen, dass dem nicht so war). Bei keinem der abgefragten Gegenstände hat er gesehen, wo diese aufgekommen sind. Er will nur gesehen haben, dass die Polizisten vor dem Haus Farbe abbekommen haben und Einsatzfahrzeuge beschädigt wurden. Er gab an einen weißen Rippenheizkörper aus dem Haus fallen gesehen zu haben, von dem bisher nie die Rede war und der auch auf den Videos nicht zu sehen ist. Seinerseits hätte es keine Überlegungen gegeben die Polizeikräfte direkt vor dem Haus aufgrund von direkter Gefährdung abzuziehen. Die Zeitsprünge in den Videos erklärte er mit mutmaßlichem Aus- und wieder Einschalten der Kameras. Aus seiner Hundertschaft sei niemand verletzt worden, es hätte lediglich Sachschäden an den Einsatzfahrzeugen gegeben. Ferner gab er an, dass niemand beim Verlassen des Gebäudes gesehen wurde und konnte keine Angaben zu der Anzahl der im Haus befindlichen Personen machen.

 

Nach einer Pause wurde erneut der Zeuge Richters vom LKA 7 (Staatsschutz) vernommen, der Angaben zu mehreren Punkten, die nun doch nicht von seiner Aussagegenehmigung ausgeschlossen sind, machen sollte. (Siehe hierzu auch die Befragung von Richters am 6. Prozesstag) Hier ging es vor allem um den Folgegewahrsam der Beschuldigten, für die keine U-Haft angeordnet wurde. Hierbei wurde deutlich, dass es dem LKA darum ging, die Beschuldigten bis zum Ende der Squatting Days in Gewahrsam zu nehmen, weil ein direkter Zusammenhang zwischen den beschuldigten Personen und den Squatting Days mutmaßlich angenommen und Beweismittelverlust nach der Entlassung befürchtet wurde. Es wurde deutlich, dass die Anträge auf U-Haft und der Vorschlag des Sicherheitsgewahrsams auf Grundlage des SOG (Hamburger Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung) zeitgleich liefen, die Polizei hier also zweigleisig gefahren ist. Er gab an bezüglich einer damals minderjährigen beschuldigten Person nach der Festnahme weder Erziehungsberechtigte, noch den zuständigen Rechtsanwalt kontaktiert zu haben. Im Laufe der Befragung gab er an bei einer Person zwar gemerkt zu haben dass diese in einem schlechten Zustand sei und es das Angebot gebe sich direkt nach Hause zu begeben, die Polizei jedoch trotzdem alle bis Ende der Squatting-Days in Gewahrsam wissen wollte.

 

Der Zeuge hatte bereits angegeben, dass er nach der Videoauswertung von sieben tatbeteiligten Personen ausginge. Zu den polizeilichen Erkenntnissen des Tatvorwurfs gegen die siebte Person weigerte er sich Angaben zu machen und zog sich wieder auf seine Aussagegenehmigung zurück. Dies sahen Verteidigung und selbst der Richter anders. Nachdem von der Verteidigung Ordnungsmittel gegen den Zeugen gefordert wurden, ruderte Richter Halbach allerdings zurück und wollte die Fragen nach der siebten Person nun doch nicht mehr zulassen.

 

Nach der Mittagspause muss Halbach verkünden dass die Argumentation mit der er die Frage an den Zeugen verhinden wollte keine Basis hat. Nachdem der Zeuge dennoch nichts sagt verzichtet das Gericht auf Ordnungsmittel. Die Verteidigung merkt an, dass die Polizei von außen den gerichtlichen Auftrag behindert. Als nächster Schritt müsse das polizeiliche Geheimhaltungsinteresse begründet werden. Das Gericht müsse sich darum kümmern. Halbach gibt an sich darüber noch keine Gedanken gemacht zu haben, dies aber nun zu tun.

 

Die Verteidigung fragt ob noch gegen andere als die bisher bekannten Personen wegen der Hausbesetzung ermittelt wird. Nachdem der Zeuge dies verneint fällt einer der Gründe weg mit denen er bisher viele Fragen nicht beantwortet hat. Seine häufige Ausflucht eine Frage betreffe andere Verfahren ist hinfällig wenn es gar keine solche Verfahren gibt.

 

Im weiteren Verlauf ging es darum ob es irgendwann andere Verdächtige gab (wegen einer weiteren Person gab es ein Telefonat mit der Staatsanwaltschaft, die sah aber keinen Tatverdacht), ob es weitere DNA-Spuren gab (hier glaubt Richters dass er das nicht darf und die Staatsanwaltschaft unterstützt ihn), wie es mit Fingerabdrücken aussieht (einer konnte zugeordnet werden aber hier wurde nicht weiter ermittelt), ob es Versuche gab weitere Verdächtige zu ermitteln (Nein, das haben sie nicht versucht und er kann auch nicht sagen wann sie entschieden haben nicht weiter zu ermitteln).

 

Er wird gefragt ob ihm bekannt war, dass so genannte Aufklärungskräfte eingesetzt waren (war ihm nicht bekannt), ob ihm der Einsatzleiter bekannt war (Nein, das war ihm egal wer es war), ob er wisse was eine BAO (Besondere Aufbauorganisation) für eine Aufgabe habe (weiß er nicht genau, auch dass es eine BAO Squatting Days gab weiß er nicht und weil keine Berichte kamen hat er auch nicht darüber nachgedacht ob die als Zeug_innen in Betracht kämen), ob er den Dienststellen denn mitgeteilt habe was relevante Informationen in dem Verfahren seien (das hat er nicht), Wer für die Pressearbeit zuständig war (weiß er nicht und er kann auch nicht sagen ob seine Abteilung mit der Pressestelle Kontakt hatte). Nachdem ihm vorgehalten wird, dass die Polizei direkt nach der Hausbesetzung von 30 Aktivist_innen gesprochen hat gibt er an davon nichts zu wissen. Auch dass die 5. Einsatzhundertschaft (EHU) von 25 Vermummten berichtete habe ihn nicht interessiert. Er habe auch nicht ermittelt wie viele EHU vor Ort waren. Dass BFE dort waren ist ihm bekannt, auch von „Tatbeobachtern“ (jede BFE besteht aus uniformierter Polizei und zwei Zivis die nur zuschauen) hat er schon gehört. Da sich aber keine_r bei ihm gemeldet hat hat er auch nicht weiter ermittelt.

 

Auch über die Absperrung um das Haus habe er sich nicht weiter informiert. Es wird in der Befragung dann aber doch klar, dass bis kurz vor der Festnahme um das Haus nur wenig Polizei stand („Vier Ecken, vier Polizisten“), seine eigene Theorie wonach ein Durchgang zum Verlassen und Betreten des Hauses offen war konnte er weder bestätigen noch widerlegen. Er hat aber auch keine weiteren Ermittlungen angestrebt.

Alles in allem wird offensichtlich wie einseitig der Staatsschutz hier ermittelt hat.

 

Im weiteren Verlauf gibt der Zeuge an durch die Flyer die die Polizei im Herbst 2014 öffentlich ausgehängt habe wollten sie die Telefonüberwachung „anheizen“. Das heißt sie wollten dazu anregen über den Fall zu telefonieren. Daraus habe es aber keine Erkenntnisse gegeben.

In der weiteren Befragung gibt er an Erkenntnisse die er für Polizeitaktik hält nicht zur Akte zu bringen. Befragt ob die Polizei mit einem Coaching oder Training auf die Befragung vorbereitet werde gibt er an dass dies nicht so sei. In einer Unterbrechung um 12:19 hatte der Zeuge für alle offensichtlich viele Nachrichten auf seinem Handy geschrieben und empfangen. Dazu befragt ob er z.B. mit seiner Dienststelle über die Befragung kommuniziert habe gab er an sich nicht an ein Nachrichtenschreiben erinnern zu können.

 

Der Zeuge erzählt von zahlreichen „Zwiegesprächen“ mit Kolleg_innen. Es sei aber nur „Schnack“ gewesen keine Ermittlung. Er könne sich auch nicht mehr erinnern mit wem er warum über das Verfahren Breite Straße getratscht habe.

 

Zum Ende der Befragung wird noch klar, dass der Zeuge Richters sich zwar auf die Videos bezieht, diese aber nicht selber gesehen hat und dass in der Anklage Vorwürfe auftauchen (z.B. Böllerwürfe) bei denen auch der Zeuge nicht erklären kann wie es überhaupt zu diesen Vorwürfen kommt.

 

Interessant ist, dass während der Verhandlung wieder Polizei in der Tür stand und interessiert das Verfahren verfolgte. Nachdem mehrmals Personen aus dem Publikum interveniert hatten zog sich diese auf den Flur zurück und die Tür blieb geschlossen.

 

Richter Halbach schließt die Sitzung mit dem Hinweis dass der Prozess in 14 Tagen, am 1. Februar weiter gehe. Hier solle dann Herr Nikolaus geladen werden der die Gefahrenanalyse gemacht habe. 

 

 

Weitere Infos und Prozesstermine unter: breitesoli.noblogs.org

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