[Antifa Café] Mobilisierung als Selbstzweck? Eine kritische Bilanz der Proteste gegen den Wiener Akademikerball

Als Ende Jänner 2015 das Bündnis NOWKR, welches seit 2008 Proteste gegen den Wiener Akademikerball (formarly known as WKR-Ball) organisierte, seine Auflösung bekannt gab, waren die Reaktionen innerhalb der Linken überschaulich. Einige freuten sich sicher, war das dezidiert antinationale und linksradikale Bündnis ihnen immer ein Dorn im Auge, andere führten die Auflösung des Bündnisses auf die polizeiliche Repression und die Ermittlungen wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ zurück.

Die inhaltlichen Gründe für die Auflösung, welche im Nachbereitungstext 2015 niedergeschrieben wurden, wurden weitestgehend ignoriert. So spricht das Bündnis davon, dass antifaschistische Mobilisierung nicht zum Selbstzweck verkommen dürfe und dass die völkische Tanzveranstaltung mittlerweile für die Linke ein wichtigeres Ereignis darstellen würde als für die Rechte. Und tatsächlich ist der Akademikerball nicht mehr das, was er einmal war. Nach jahrelangen Protesten, die stetig gewachsen sind und den WKR-Ball ins Rampenlicht der medialen Aufmerksamkeit zerrten, konnten einige Erfolge der antifaschistischen Kampagnenarbeit erzielt werden. Der WKR-Ball kann nicht mehr unter diesem Namen in der Hofburg stattfinden und musste offiziell von der FPÖ ausgerichtet werden. Dies führte zu einigem Unmut innerhalb jener burschenschaftlichen Riege, die nicht bereit waren den „studentischen Traditionsball“ gegen eine Parteiveranstaltung zu tauschen. Im Zusammenspiel mit den tausenden Antifaschist_innen, die den Burschis an den Ballabenden die Anreise möglichst schwierig gestaltet haben, führten diese Entwicklungen zu einem enormen Teilnehmer_innenschwund. Durch die öffentliche Kritik, die dem Ball abseits der medialen Hetzte gegen „Linksextremisten“ widerfährt, wurde der Ball delegitimiert und viele Gäste aus Politik und Wirtschaft sind nicht mehr bereit, an dem Ball teilzunehmen. Auch den Charakter des Balls als „größtes couleurstudentisches Gesellschaftsereignis im deutschsprachigen Raum” (WKR) und als Vernetzungstreffen der europäischen Rechten konnten ihm die antifaschistischen Proteste streitig machen. Und spätestens seit dem auch der österreichische Bundespräsident den Ball öffentlich kritisierte, war klar, dass die Kritik am Ball angekommen ist.

Obwohl also schon viele Punkte der Kampagnenarbeit umgesetzt werden konnten - was schließlich das NOWKR-Bündnis dazu veranlasste sich aufzulösen - scheint der Rest der Linken diese Entwicklungen bewusst auszuklammern, um seine Mobilisierungsfähigkeit nicht zu verlieren. Weiterhin wird in Aufrufen und Veranstaltungen vom größten Vernetzungstreffen der europäische Rechten geschrieben – ein Umstand der spätestens seit 2012 nicht mehr zutreffend ist. Wenn es nicht mehr um die Sache selbst geht, sondern nur mehr darum an diesem Abend möglichst viele Leute auf die Straße zu bringen, wenn die Kritik bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wird, weil die Beweggründe gegen diesen „symbolischen“ Ball auf die Straße zu gehen so vielfältig sind und teilweise nicht mehr mit der Realität des Balles in Einklang gebracht werden können, dann verkommt Mobilisierung zum Selbstzweck. Der Ball dient vielen als Projektionsfläche für Allerlei: Rassismus, Festung Europa, FPÖ, Burschenschaften, Sozialabbau, Männerbündelei, Antifeminismus, österreichische Zustände… Vieles davon ist nicht falsch und es lohnt sich dagegen auf die Straße zu gehen. Die Frage ist nur wie lange noch der Ball als Lückenfüller herhalten soll und ob es nicht geeignetere Anlässe gibt, die offene Feindschaft mit dem Bestehenden auf die Straße zu tragen.

Der Vortrag gibt einen Rückblick über die Proteste gegen den WKR-/Akademikerball, versucht deren Verlaufsformen nachzuzeichnen und stellt die Frage, welchen Stellenwert der Ball tatsächlich noch einnimmt.

▼▼▼

Den Auflösungstext und ein Archiv der Proteste findet ihr auf: http://nowkr.at/

Wie immer gibt es köstliche (auch vegane) Speisen und Getränke! Der Vortrag findet auf deutsch statt und wird vermutlich aufgezeichnet. Die Veranstaltungsräumlichkeit , W23 (Wipplingerstraße 23, 1010 Wien), ist leider nicht barrierefrei erreichbar (einige Stufen).
Infos zum AntifaCafé unter: http:// autonome-antifa.net/index.php/antifa-cafe