Der lange Arm Erdogans: politische Isolationshaft in Kempten und Möglichkeiten der Solidarität

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In diesem Frühjahr (2016) wird dem in der Kemptener JVA inhaftierten Müslüm Elma in München der Prozess gemacht. Nach Polizeirazzien im linken migrantischen Milieu sind seit dem 15. April Elma und acht weitere Aktivisten in Bayern in unterschiedlichen Gefängnissen inhaftiert. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen Mitgliedschaft in einer türkischen kommunistischen Partei vor. Elma wird der Rädelsführerschaft beschuldigt, weshalb ihm eine Strafe von bis zu 15 Jahren Gefängnis drohe, so sein Anwalt Stephan Kuhn. Zur Anwendung komme der Gesinnungsparagraph 129b wegen Bildung terroristischer Vereinigungen, in dem Fall im Ausland. Die Partei allerdings stehe nirgendwo außer in der Türkei auf der »Verbotsliste«. Seit 2006 seien die Aktivisten observiert und abgehört worden, wegen Aktivitäten wie Zeitungen verteilen oder Spenden sammeln. In der Türkei sei Elma in Knästen gefoltert worden, in der Justizvollzuganstalt Kempten befinde er sich nun in Isolationshaft.

 

Der Tatvorwurf setze sich aus drei Fragen zusammen. Erstens: Hat der Angeklagte in Deutschland Demos organisiert, auf Podien diskutiert, Artikel publiziert, sich für Migrantenrechte eingesetzt? Zweitens: Was hat die Organisation gemacht? Ein Großteil der Nachweise dafür entstamme meist unter Folter erzwungenen Aussagen in der Türkei – »was wir beweisen müssen«, so Kuhn. Drittens: Zielten dort begangene Bezugstaten auf Strafdelikte wie Morde? Die Bundesanwaltschaft werfe den Angeklagten unter anderem vor, bei der Befreiung und dem Aufbau im nordsyrischen Rojava politisch, finanziell und militärisch mitgewirkt zu haben – vor allem in Kobani, erklärt Süleyman Gürcan, Vertreter der ATIK, (Konföderation der Arbeiterinnen und Arbeiter aus der Türkei in Europa). Mitglieder dieser migrantischen Dachorganisation, ihrer Frauenorganisation Yeni Kadin (Neue Frau) sowie ihrer Jugendorganisation YDG (Neue demokratische Jugend) seien gleichermaßen betroffen. Ein Verbot der ATIK werde vorbereitet, mutmaßt er.

 

Ein Bündnis türkischer, kurdischer und deutscher Initiativen ruft jetzt dazu auf, den Widerstand dagegen in die Bürgerrechts- und Friedens- und Gewerkschaftsbewegung hineinzutragen.

 

Ein Vertreter der ATIK und einer ihrer Rechtsanwälte referieren zur Geschichte der ATIK, Repression in der Türkei, den Razzien im April, ihrem juristischer Hintergrund sowie Möglichkeiten der Solidarität am Freitag, 22.01.2016, um 19:00 Uhr, im react!OR, Frühling Str. 17, 87439 Kempten.

 

www.react.or.ke