Die deutsche Beteiligung am Krieg gegen den IS, in Syrien und Irak, wird in diesen Tagen beschlossen. Dank der Echtzeitluftraumüberwachung wird es nunmehr möglich sein "Feinde" zu lokalisieren und Bündnispartnern ermöglicht diese mit Hilfe der Daten zu töten. Eine womöglich kausale Beihilfe zur Tötung. Eine Tötung gedeckt durch das Völkerrecht? Es lebe das humanitäre Völkerrecht, es sterbe der Mensch?
Die Rechtfertigung der deutschen Beihilfe/Unterstützung zum Krieg gegen den IS bzw. zu Tötungen von "Kombattanten" und Zivilisten in Irak und Syrien steht offiziell, soweit ersichtlich, auf 3 Füßen. Eine UN-Resolution, das Recht auf Selbstverteidigung und die Beistandsverpflichtung gemäß den EU-Verträgen. Weil Art. 42 Abs. 7 des EU-Vetrages ausdrücklich auf Art. 51 der UN-Charta Bezug nimmt und als äußeren Rahmen vorgibt, scheint dieser zuvorderst zu beachten zu sein.
Wir leisten also jedenfalls kollektive Selbstverteidigung für Frankreich (und den Irak) gegen den Angriff des IS. Was aber ist der Unterschied zwischen Selbstverteidigung und Rache bzw. Vergeltung, wann ist das Recht zur Selbstverteidigung gegeben und wann ist es überschritten? Wie weit reicht die Souveränität des syrischen Staates und ist er selbst willens gegen den IS vorzugehen oder unterstützt er, oder entsendet gar, die Mitglieder des IS in die Welt und/oder bietet ihnen einen „sicheren Hafen“?
Würde dieses Recht zur Beihilfe zur Tötung von Menschen in Irak und Syrien bestehen, wenn die Attentäter von Paris nicht dem IS zugeordnet werden könnten? Soll heißen, hätten sie sich selbst, als fiktives Beispiel, dem NSU zugeordnet, hätte dann Frankreich ein Recht zur Tötung von Deutschen und müsste Deutschland dann diese Tötungen selbst militärisch unterstützen, gemäß dem EU-Vertrag? Würde es belegbar sein, dass der NSU vom deutschen Staat geschützt wurde? Oder wie ist es andersrum, wenn 10 türkische Menschen vom NSU in Deutschland getötet werden, hat dann die Türkei ein Selbstverteidigungsrecht gegen Deutschland, also wie sogar schon das deutsche Recht für die humanitäre Intervention zu Gunsten der albanischen Menschen im Kosovo und somit auch zur Tötung von jugoslawischen Menschen durch Deutsche?
Nun heißt es jedenfalls in jedem Völkerrechtslehrbuch der (private) Terrorismus, bzw. der terroristische Angriff muss einem anderen Staat zurechenbar sein, damit man gegen diesen selbst vorgehen kann, also ein legitimes Recht auf Selbstverteidigung gegen bzw. in einem anderen Staat ausüben darf (Afghanistan). Die identifizierten Täter waren, soweit bisher bekannt, 4 Franzosen und 2 Belgier. Würde man hier nun also die ideologische Zuschreibung der Täter außer Betracht lassen und die Radikalisierung der Täter und ihre gesellschaftliche Duldung einem Land zu ordnen müssen, so gebe es ein Selbstverteidigungsrecht Frankreichs gegen sich selbst oder gegen Belgien und andersrum. Aber woher käme das Recht Syrien zu bombardieren und dort Menschen zu töten? Es funktioniert also nur über die Zuschreibung zum IS. Denn selbst wenn man die Attentate von Paris in Intensität und Ausmaß einem staatlichen Angriff gleichstellt, so bliebe der Verweis auf die Nationalität der Täter eben nur ein Zirkelschluss.
Man sucht die Ursachen des Problems also freilich nicht bei sich selbst, sondern verteidigt sich in Syrien und Irak gegen den Angriff des IS, indem man durch Bomben tötet. Hier sind wir womöglich schon an der gedanklichen Grenze zwischen Angriffs- und Verteidigungskrieg angekommen.
Denn offensichtlich wäre die Bombardierung in Syrien und Irak weder geeignet noch erforderlich (gewesen) die Attentate von Paris zu verhindern bzw. sich gegen diese (zukünftig) zu verteidigen. Töten wir also im Irak oder Syrien einen Menschen durch eine Bombe und dieser Mensch ist kein Mitglied des IS, sondern ein sog. Zivilist, dann töten wir einen Menschen, von dem keine Gefahr für Leib oder Leben anderer zu befürchten war und der uns nicht angegriffen hat, ohne ein Gerichtsverfahren und der mithin gleichermaßen als Unschuldig bezeichnet werden kann, wie seine Tötung als willkürlich - ebenso wie es sich bei den Opfern von Paris verhält. Objektiv steht eine solche Tötung also für das Prinzip Auge um Auge. Rechtfertigt wäre diese Tötung für uns nach dem humanitären Völkerrecht dann, wenn sie im Rahmen des kodifizierten Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht außer Verhältnis zum militärischen Vorteil, bei der Verteidigung gegen den Angriff des IS steht. Aber berufen wir uns nicht selbst gerade auf das Recht zur Selbstverteidigung, gerade wegen der Tötung Unschuldiger? Ist es also ein militärischer Vorteil wenn wir selbst Unschuldige Töten und sich dessen Angehörige nun auf ihr Selbstverteidigungsrecht berufen und im Zweifel von nun an auch den IS unterstützen? Wird die Gefahr somit nicht größer und der Angriff stärker, weil er mehr und mehr Rückhalt in der Bevölkerung findet? Die klassische Gewaltspirale als militärischer Vorteil der Gegenwart oder doch nur die kleingeistige Dummheit der Vergangenheit?
Während also alle europäischen Außengrenzen, insbesondere zum Nahen Osten, unbewacht, soll heißen unverteidigt und unkontrolliert für attentatswillige Einzelne, ebenso wie für Flüchtlinge, theoretisch offen stehen und Waffen hier in Europa erst besorgt werden könnten, betrachten wir es als militärischen Vorteil den Tod unschuldiger Menschen im Ausland billigend in Kauf zu nehmen, weil wir uns gegen den Angriff von einzelnen Inländern, soll heißen Europäern, gegenwärtig bei ihnen im Ausland verteidigen müssen.
Selbst aber wir würden den IS in Syrien und Irak in voller Gänze schlagen, also wir, der Westen, dann ist doch fraglich, ob die Gefahr vor Einzelattentaten ausgegrenzter europäischer Jugendlicher selbst abnehmen würde, denn ist es doch gerade der Motor einiger Ideologien ihren Helden zu Gedenken und den Kampf in diesem Sinne oder Namen fortzusetzen, soll heißen, wer kann eigentlich ernsthaft behaupten, das gerade wenn der IS geschlagen wäre, solche Attentate wie in Paris nicht noch dennoch in dessen Namen von Einzelnen, aus und im Inland, verübt werden könnten. Aber gegen wen üben wir dann Selbstverteidigung, oder bliebe sie auf Grund der fehlenden tauglichen Zuschreibung dann doch, trotz vergleichbarer Tat, aus? Ist also unsere jetzige Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht unabdingbar zwingend und verhältnismäßig (ausgeübt) gegenüber den Menschen (Zivilisten) in Syrien?
Muss sich also der syrische Zivilist in Syrien, die Selbstzuschreibung von 4 Franzosen und 2 Belgiern, zum IS, zu einer Tat in Frankreich und dem folgend die Zuschreibung des IS und dessen Macht im syrischen Staat und dem entgegen seine eigene bürgerliche Macht im bzw. gegen den syrischen Staat und IS, insoweit selbst zurechnen lassen, dass er seine Tötung als zwingend gerechtfertigt verstehen kann? Lässt sich dies aus westlichen und europäischen Werten und dem Völkerrecht begründen?
Nehmen wir also an Sie leben in einen Staat (Syrien), der in seinem Hoheitsgebiet die Gewalt Dritter (IS) duldet bzw. nicht entgegen treten kann oder will, die bisweilen zur Tötung von Menschen im Ausland (Paris) führt. Was hätten Sie selbst für eine bürgerliche Macht die Tötung im Ausland von Ausländern durch Ausländer zu verhindern? Haben Sie überhaupt eine Pflicht dazu und wenn nein, woher kommt dann das Recht das man ausgerechnet sie töten darf bzw. sie auf ihr unveräußerliches Menschenrecht auf Leben verzichten müssten? Sie haben doch nicht einmal jemand angegriffen? Was halten Sie also von ihrer Tötung oder der Tötung eines nahen Angehörigen auf diese Weise? Lässt sich ihre Tötung rechtfertigen? Sind sie womöglich nur ein Objekt?
Bei den Paris Attentaten wurden 130 Menschen getötet, sie, der Leser, wären in diesem Beispiel das erste und letzte Opfer der Selbstverteidigung, also Opfer eines verhältnismäßig ausgeübten Selbstverteidigungsrechts was man gegen ihren Staat ausgeübt hat. Waren sie mit den Tätern bekannt, kommen diese überhaupt aus ihrem Land? Nein. Aber wenn ihre Tötung, als unschuldiger, nicht angreifender, Mensch, ohne ein Gerichtsverfahren, durch Dritte, dennoch rechtmäßig ist, wieso waren dann die Attentate in Paris eigentlich ein rechtswidriger Angriff, der ein Recht zur Selbstverteidigung und somit zur ihrer Tötung rechtfertigt hat? Denn wäre auch diese Tötung unschuldiger nicht angreifender Menschen rechtmäßig, wie ihre, dann gebe es kein Recht zur Selbstverteidigung gegen Sie, werter Leser. Die Rechtmäßigkeit ihres Todes findet sich also nicht in einer Logik des Menschenrechts auf Leben selbst, sondern einzig in den restlichen Werten des Westens, sowie die der Opfer von Paris in den Werten des IS. Um menschliches Leben, soviel ist klar, kann es dabei niemanden mehr gehen.
Sie müssten sich also fragen was das für weitere Werte im Westen sind die ihren Tod rechtfertigen. Allem voran Rechtsstaatlichkeit, würde bedeuten an geltendes Recht, insbesondere an zwingendes Völkerrecht gebunden zu sein. Dies verbietet die Einmischung in innere Angelegenheiten und die Anwendung von Gewalt gegen bzw. in souveränen Staaten. Als Syra würden sie wissen, das Syrien weder Frankreich noch Belgien noch Deutschland mit militärischer Gewalt angegriffen hat, weshalb ein rechtsstaatliches Europa ihr Land weder angreifen noch bombardieren darf. Die Rechtmäßigkeit ihrer Tötung kann also nicht im europäischen Wert der Rechtsstaatlichkeit gefunden werden, denn wird das zwingende Völkerrecht gebrochen. Nun könnte man argumentieren Syrien habe die 4 Franzosen und 2 Belgier bei den Attentaten unterstützt bzw. unternimmt pauschal nichts gegen den IS im eigenen Land, weshalb das Attentat ihrem Land zu zurechnen ist. Nun wissen Sie aber das ihr Land selbst bereits gegen den IS kämpft und auch andere Staaten die Hilfe dazu in ihrem Land erlaubt hat. Die Bomben kamen aber von jenen Ländern welche nicht mal fragen ob sie helfen dürfen, weil sie nicht nur den IS, sondern auch gleich noch ihr Staatsoberhaupt ablehnen. Hier haben sie jetzt im konkreten Fall Pech gehabt, denn natürlich wäre die Gewalt zu stoppen, wenn in ihrem Land koordinierte internationale polizeiliche Maßnahmen zur Herstellung von Recht und Ordnung ergriffen werden würden mit Hilfe viele Freunde und alle die Straftaten begehen, vor Ort verhaftet und bestraft werden, wobei im Rahmen dieser Maßnahme freilich niemand auf die Idee käme sie zu erschießen, anstelle dessen jedoch tritt die von außen unmittelbar verhängte kollektive Todesstrafe gegen Menschen in ihrem Land in Kraft und auf dieses Verfahren haben sie erst Recht keinen Einfluss bzw. zumindest genausoviel wie sie auf die Attentate in Paris hätten haben können, der Tod fällt vom Himmel nieder.
Natürlich, die unveräußerlichen Menschenrechte, die haben die Europäer, das Recht auf Leben, ja auch ihres (!), ist ius cogens mit einer Wirkung ergo omnes. Die Europäer schwören darauf, dass gerade die gezielte Tötung von nicht angreifenden unschuldigen Menschen, menschenrechtswidrig ist, dass kann man mit ihnen also nicht machen, sie einfach so töten, in ihrem Land, an ihrem Staatswesen vorbei. Einschränken und das haben Sie brüderlich vertraglich geregelt, darf man dieses Recht auf Leben, wenn überhaupt nur, im Falle eines Staatsnotstandes der die Existenz des ganzen Staates bedroht und freilich nur wenn die Tötung ansonsten völkerrechtlich zulässig ist. Aber ohne Zustimmung ihrer Regierung und ohne UN-Mandat und ohne zu vorigen bewaffneten Angriff ihres Landes ist die Bombardierung und folglich ihre Tötung gleichermaßen völkerrechtswidrig wie somit auch menschenrechtswidrig. Ein Angriff von Franzosen in Frankreich der ihr Leben in ihrem Land einschränken kann, das ist die gelebte Idee der universellen Menschenrechte die zu ihrem Tode führt. Gott sei Dank. Ja, jetzt sagen sie, sie haben aber eine verbindliche Resolution zu ihrem Vorgehen und zur Tötung und sie antworten ja, ich auch, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, einschließlich dem Recht auf Leben, worauf sie erwidern: Nein !, solche Resolutionen wie die Erklärung der Menschenrechte sind nicht verbindlich. Verstehen Sie die Logik, man könnte meinen das gesamte Recht der Welt und alle Werte des Westens haben genau bei ihrem Tod eine kleine feine Lücke gelassen. Ihr Leben zählt tatsächlich nichts, warum auch immer.
Jetzt finden Sie noch zu guter Letzt heraus dass ihre Tötung durch deutsche Satellitenbilder ermöglicht wurde. Ohne das Bild wäre ihr Wohnviertel nie ins Visier geraten und bombardiert worden. Jetzt denken sie, ach die Deutschen, vielen Dank, für den Bärendienst an meinem menschlichen Leben, wie ist meine Tötung nur mit eurer Lehre aus der Geschichte zu vereinbaren?
Nun, der geneigte aufgeklärte deutsche Verfassungsrechtler würde sagen, das Recht auf Leben ist bei uns ein unveräußerliches Menschenrecht, Grundrecht und höchster Verfassungswert, das für jeden Menschen auf der Welt gleich gültig ist und an das alle deutschen staatlichen Gewalten, auch im Ausland, gebunden sind. Tötungen, also Eingriffe in dieses Grundrecht auf Leben müssen nach unserer Verfassung immer ein Parlamentsgesetz als Grundlage haben und dürfen auch dann den Menschen nicht zum bloßen Objekt des Staates machen und ihm somit die Würde nehmen.
Dann denken sie noch kurz, naja, die Satellitenbilder waren ja doch irgendwie ein mittelbarer Eingriff der Deutschen in mein Leben, gut also das es wenigstens für sie demokratisch legitimiert war. Aber dann stellen sie, werter Leser, leider doch noch fest, ach, so ein Parlamentsgesetz zu meiner Tötung gibt es in Deutschland ja gar nicht, sie war also weder demokratisch noch rechtsstaatlich, sondern verfassungswidrig. Der bloße Wille der Inhaber tatsächlicher Macht hat also meine/ihre Tötung eines unschuldigen, nicht angreifenden Menschen ohne Gerichtsverfahren billigend durch die Zur-Verfügung-Stellung von Satellitenbilder in Kauf genommen. Aber was ist dann eigentlich euer Problem mit dem IS? Ist es also in Wirklichkeit ein Problem mit Syrien und der unterstellten Duldung des IS, aber was kann ich dafür, was kann bzw. konnte ich ändern, liebe Deutschen? Betrachtet ihr meine Tötung tatsächlich als rechtmäßig?
Nehmen wir also an Sie leben in einen Staat (Deutschland), der in seinem Hoheitsgebiet die Gewalt Dritter (USA) duldet bzw. nicht entgegen treten kann oder will, die bisweilen zur Tötung von Menschen im Ausland (Irak-Krieg {2003}; Tötung durch Drohnen, Jemen, Pakistan etc.) führt. Wenn sie also meine Tötung ernsthaft als rechtmäßig betrachten, dann haben sie nicht nur keine Werte, sondern müssten zuallererst ihre eigene Tötung, im Licht ihrer eigenen Prinzipien, bedingungslos als rechtmäßig betrachten. Und?
Natürlich wird auch in Deutschland kein Soldat jemals dafür bestraft, wenn er völkerrechtswidrig und ohne demokratische und rechtsstaatliche Legitimation im Ausland Menschen tötet (er kann soviel töten wie er will oder innerhalb der Dienstzeit schafft, das ermittelt gerade niemand) Ebenso wie die Werte des Koran's, hat auch das Grundgesetz und folglich auch das Strafgesetzbuch beim Rechtsgüterschutz eine eigenwillige Geltungskraft, die freilich nur des Tötens willens auf beiden Seiten missbraucht wird, den gilt das Recht auf Leben, eben nur, auf beiden Seiten, für die, die man nicht töten will, was weder eine Kunst noch ein Wert, sondern ein gelebtes NICHTS ist – IS und Europa sind hier folglich auf Augenhöhe - Zahn um Zahn.
Nein Sagen zur deutschen Beteiligung am Krieg gegen den IS. Kreuzzüge endlich beenden, Mittelalter verlassen!