Der oberste Provokateur der AfD

Erstveröffentlicht: 
12.11.2015

In der Alternative für Deutschland (AfD), die gegenwärtig in den Umfragen von Woche zu Woche zulegt, agieren ganz unterschiedliche Typen. Die Vorsitzende Frauke Petry aus Sachsen gilt als redegewandt, vorwärtsstrebend und karriereorientiert, der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke, der mit Petry immer wieder angeeckt ist, zeigt in seiner Wortwahl eine auffällige Nähe zu rechtsextremen und völkischen Positionen. Neben diesen beiden sticht seit ein paar Wochen noch ein anderer hervor, der 42-jährige Jurist und Europaabgeordnete Marcus Pretzell, Landeschef der AfD in Nordrhein-Westfalen.

 

Wie man Pretzell politisch einordnen soll, ist umstritten. Der im niedersächsischen Rinteln geborene und in Wiesbaden aufgewachsene Politiker war bis 2009 in der FDP, eine frühere Nähe zu Rechtsextremisten ist nicht bekannt. 2014 kam er über die AfD-Liste ins Europaparlament, eckte dort aber vor allem mit seinem damaligen Bundesvorsitzenden Bernd Lucke an. Während Lucke betont prowestlich und, trotz der Kritik am Euro, auch proeuropäisch auftrat, setzte sich Pretzell mit dem britischen UKIP-Vorsitzenden Nigel Farage gemeinsam auf ein Podium – und gab dem umstrittenen EU-Gegner aus England damit die von ihm lange erhoffte Anerkennung aus Deutschland.

 

Es blieb nicht die einzige Provokation von Pretzell, die Wellen schlug. Auf dem Parteitag im Juli, bei dem Lucke gestürzt wurde, sagte der NRW-Landesvorsitzende: „Wir sind die Pegida-Partei.“ Vor wenigen Tagen erst machte ein Interview Pretzells Furore, in dem er vorschlug, bei der Verteidigung der deutschen Grenzen gegen ungebetene Zuwanderer als Ultima Ratio, also letztes Mittel, auch Schusswaffen einzusetzen. Damit löste er einen Sturm der Entrüstung aus – eine Reaktion, die ihn noch bekannter machte. Seitdem hat Pretzell in manchen Kreisen den Ruf, ein ganz strammer Rechtsradikaler zu sein.

 

Vermutlich ist er eher jemand, der die AfD ganz bewusst zum Sammelbecken aller rechtsgerichteten Kräfte etablieren will – mit dem Ziel, die Wahlergebnisse bestmöglich zu optimieren. Seine parteiinterne Macht ist nicht zu unterschätzen. Im vergangenen Jahr hatte er ein Tief, nachdem Steuer-Unregelmäßigkeiten bekannt geworden waren und das Finanzamt ein Parteikonto pfändete – da seine Privatanschrift nicht bekannt war. Heute ist Pretzell der Lebensgefährte der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry, und dank seiner immer wieder neuen zugespitzten Aussagen bekannter als viele andere in der Parteiführung.