Anschlag auf Oberbürgermeisterin: Attentäter wünscht Reker noch immer den Tod

Attentäter Frank S. kurz nach dem Anschlag am Samstag in Braunsfeld
Erstveröffentlicht: 
21.10.2015

Frank S. äußert sich nach dem Anschlag auf Henriette Reker in Köln. Der neuen Oberbürgermeisterin geht es besser.

 

Von Andreas Damm, Tim Attenberger, Detlef Schmalenberg und Tim Stinauer

 

Köln. Tagelang habe er im Internet gesucht, immer wieder geschaut, wo Henriette Reker auftritt. „Ich wollte sie töten, um Deutschland und auch der Polizei einen Gefallen zu tun“, hat der Messer-Attentäter Frank S. nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ kurz nach seiner Festnahme sinngemäß zu den Beamten gesagt. Die ehemalige Sozialdezernentin Reker, die sich schon auf ihrer Internetseite fast ausschließlich zu Flüchtlingsthemen äußere, sei mitschuldig, wenn das Land „endgültig zum Islam überläuft“.

Angeblicher Selbstmordversuch

„Ich bin heute Morgen aufgestanden, um heute Abend als Mörder im Gefängnis zu sitzen“, habe S. am Samstagmorgen weiter sinngemäß zu den Beamten gesagt, heißt es in einem internen Behördenvermerk.

Er selbst habe jahrelang von Sozialleistungen gelebt, vor drei Monaten habe er dann versucht, sich „aus Perspektivlosigkeit“ umzubringen: „Ich wollte in 20 Jahren nicht in einer muslimisch geprägten Gesellschaft leben“, so der 44-Jährige. Als er dann, an einer Autobahnbrücke stehend, den Strick schon um den Hals gehabt habe, hätte sein Überlebenswille überwiegt. „Da habe ich einen anderen Weg für mein Problem gefunden.“

 

Täter wollte Reker töten

Ob er damit den Anschlag meinte, hat S. nicht gesagt. Während er sich mit den Beamten unterhalten hat, sei er vollkommen ruhig und unaufgeregt gewesen. „Ich hoffe, dass sie noch stirbt“, hat er gesagt, als er im Polizeiauto abtransportiert wurde und die verletzte Henriette Reker am Tatort zurückblieb, berichtet der „Express“.

 

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ weist die Arbeitslosengeschichte von S. jedoch eine Reihe von Merkwürdigkeiten auf: Obwohl er nie bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen haben soll und auch nie vermittelt worden sein soll, hat er jahrelang Hartz IV bezogen.

Wie zu erfahren war, ist seine Akte zudem gesperrt, das heißt, sie wurde als geheim eingestuft und nur ausgesuchte Personen hatten Zugriff darauf. Warum ist das so? Hat das mit der rechtsextremen Vergangenheit des Attentäters zu tun? Sollte hier etwas verschleiert werden? In Sicherheitskreisen jedenfalls wird vehement bestritten, dass S. als Informant etwa für den Verfassungsschutz gearbeitet habe.

 

Tief in der Bonner Neonazi- und Skinheadszene verwurzelt

Anfang der 1990er Jahre hatte er dem Vernehmen nach Kontakte zur Hooligan-Gruppe „Berserker“. Zudem soll er an zahlreichen rechtsextremen Veranstaltungen teilgenommen haben, unter anderem an Rudolf-Hess-Gedenkmärschen in Fulda und Luxemburg.

Er sei als Unterstützer auf einer Liste der 1992 verbotenen „Nationalistischen Front“ aufgetaucht und tief in der Bonner Neonazi- und Skinheadszene verwurzelt, heißt es weiter. Und er sei auch ein Sympathisant der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) gewesen.

Die FAP war bis zu ihrem Verbot 1995 nach Einschätzung von Experten die wichtigste und radikalste Partei von Rechtsextremisten, ihre Mitglieder wurden für zahlreiche gewalttätige Übergriffe verantwortlich gemacht. Sie verfügte unter anderem über Kreisverbände in Bonn und Köln. Die Bonner Gruppe soll über etwa 200 Aktivisten verfügt haben.

 

Frank S. saß schon im Gefängnis

Für eine Reihe von Straftaten, unter anderem wegen Raub und Körperverletzung, saß S. etwa drei Jahre im Gefängnis, zuletzt wohl Ende der 1990er Jahre. Nach seinem Umzug von Bonn nach Köln will er den Kontakt zur Szene nach eigenen Angaben verloren haben. 2008 jedoch soll er nach Angaben des NRW-Verfassungsschutzpräsidenten Burkhard Freier noch einmal „Interesse an der NPD gezeigt haben“.

Der neu gewählten Oberbürgermeisterin Henriette Reker geht es drei Tage nach dem Messerattentat auf dem Wochenmarkt in Brauns-feld offenbar deutlich besser. Die 58-Jährige, die auf der Intensivstation der Uniklinik behandelt wird, sei gut ansprechbar, könne aber noch nicht selbst sprechen. Sie wisse, was um sie herum geschieht und dass sie gewählt worden sei, so Stadtsprecher Gregor Timmer.

Bei der Attacke wurde Rekers Luftröhre getroffen. Der Heilungsprozess werde trotz der schweren Verletzung von Ärzten und der Familie als „erfreulich“ und positiv verlaufend beschrieben, teilte die Stadt am Dienstag mit. Es werde darum gebeten, Reker Ruhe und Schonung zu gewähren, damit „sich der Heilungsprozess weiter gut fortsetzen und die Gesundung ohne Störungen voranschreiten“ könne.

Brief des Stadtvorstands

Der Stadtvorstand, in dem die höchsten Beamten zusammensitzen, hat unterdessen einen Brief an die Verletzte verfasst. „Wir freuen uns auf Sie“, heißt es darin.

Am Dienstag riss ein Mann die Genesungswünsche für Reker an einem Schaukasten nahe dem Tatort ab. Passanten alarmierten die Polizei, als sie sahen, dass sich der offenbar Verwirrte an den Zetteln zu schaffen machte. Der 31-Jährige erhielt einen Platzverweis.

Dienstagabend stellte der Wahlausschuss das Abstimmungsergebnis offiziell fest: 52,66 Prozent für Reker. Ihre Amtszeit beginnt, sobald sie die Wahl annimmt. Gibt sie dazu binnen einer Woche keine Erklärung ab, gilt die Wahl laut Stadt als angenommen.