AfD-Veranstaltung in Neunehagen bei Berlin - Ein Erlebnisbericht

Keine Alternative

Im Zusammenhang mit der "Herbstoffensive 2015" fand am Mittwoch, den 23.09.2015, im Bürgerhaus Neuenhagen eine Parteiveranstaltung der AfD statt. Im Vorfeld der Veranstaltung hingen in den umliegenden Städten Veranstaltungsankündigungen aus. Auch direkt vor meiner Haustür hing an einem Laternenmast ein Plakat, von dem Frauke Petry mich anlächelte.


In den Medien war ich in letzter Zeit oft über Artikel zum Thema AfD gestolpert.

Die Partei selbst stellt sich offiziell stets als konservativ aber demokratisch dar. Sie biete den Bürger_innen eine Plattform, um sich deren Ängste und Sorgen anzunehmen und auf den Grund zu gehen. Von Außen wurde sie oft als rechtspopulistisch kritisiert und gar als Auffangbecken für radikale Rechte bezeichnet. Auch ihre Asylpolitik rückte sie in kein gutes Licht. Ich fand viele Dinge noch sehr fragwürdig und hoffte, ein schärferes Bild von der AfD zu bekommen. So machte ich mich auf den Weg zu der beworbenen Veranstaltung, um mir selbst einen Eindruck zu verschaffen. 


Am Seiteneingang des Veranstaltungsortes fiel mir zuerst eine Gegenkundgebung auf, die zeitgleich statt fand, welche von vielen Parteien und Bürger_innen besucht wurde. Mit Transparenten und Plakaten machten sie auf sich aufmerksam, um gegen die geplante AfD-Veranstaltung zu protestieren.

Vorbei an den Gegner_innen der Veranstaltung erwarteten mich am Eingang des Saals mehrere martialisch aussehenden Securityleute, welche gerade im Begriff waren ein paar Punks zu durchsuchen. "Habt ihr Farbbomben im Rucksack?", schnappte ich im Vorbeigehen auf. 

Zu dem Zeitpunkt befanden sich bereits über 200 Menschen, mit einem Altersdurchschnitt von 40 plus, im Saal. Meinem ersten Eindruck nach waren 70% der Anwesenden überzeugte AfD-Wähler_innen und -Mitglieder (deutlich zu erkennen an den gleichen AfD-Patches an ihren Jacken). Der Rest bestand anscheinend aus Unentschlossenen, von den "etablierten Parteien" enttäuschten Bürger_innen, die, wie sich später zeigte, mehrheitlich an der Asylthematik interessiert waren. Die Stimmung wirkte zunächst entspannt, hier trafen sich offenbar viele Bekannte auf das ein oder andere Feierabendbier. 

Die Punks, die ich zuvor am Eingang sah, und ein paar junge Leute saßen eher teilnahmslos im Publikum verteilt.

Als die Veranstaltung los ging, hielt zuerst eine leicht unsichere Christina Schade einen Vortrag zu den wirtschaftlichen Gegebenheiten in Brandenburg, der größtenteils aus Kritik an der rot-roten Landesregierung bestand, dabei aber weder eine fundierte Argumentation noch logische Herleitungen enthielt.

Im Anschluss des Vortrages fand eine Fragerunde statt, bei der wie zuvor nur die aktuelle politische Lage beschrieben und kritisiert, jedoch keinerlei Änderungs- und Lösungsansätze präsentiert wurden.

Immer wieder wurde hierbei betont, die AfD sei die einzige Opposition und Opfer einer Verschwörung aller anderen Parteien.

Es wurde ein verklärtes Zusammengehörigkeitsgefühl produziert, welches offenbar nur darauf fußte sich gegen alle, die nicht im Sinne der AfD denken und handeln, abzugrenzen. Sowohl die Vortragsweise als auch die Zwischenrufe sympathisierender Anwesender waren mehr durch emotional geladene Parolen denn Sachlichkeit geprägt."Wir sind die Minderheit und müssen zusammenstehen.“ Aussagen dieser Art heizten die Stimmung im Raum immer mehr auf, und ernteten um einiges mehr Beifall, als Frau Schade bei ihrem gesamten Vortag über die aktuelle Wirtschaftslage in Brandenburg.

Wie zuvor wurde auf Sachlichkeit wenig Wert gelegt, sondern lieber auf mystisch, esoterische Rhetorik zurück gegriffen. Es wurden immer wieder  Sätze von der Wahrheit, die sie erkannt hätten, und einer Lügenpresse, der nicht vertraut werden solle, vor sich her gebetet.

Als ein anderes Mitglied der AfD betonte, dass die AfD keine Rechte Partei sei, sondern lediglich für ein Europa der Vaterländer einstehe, erwachten schließlich auch die Letzten, die durch brandenburgische Wirtschaft in den Halbschlaf gelanweilte wurden und versuchten sich mit "Deutschland"-Zwischenrufen zu integrieren.

Ich selbst konnte dieser Aussage weder Applaus noch Glauben schenken, schließlich sind solch paradoxe Aussagen auch schon von der NPD und anderen sich bürgerlich gebenden Nazis bekannt.

Kurz darauf betrat Frauke Petry unter tobenden Applaus die Bühne und begann mit ihrer Rede. Sie hielt sich nicht mit langen Vorreden auf, sondern schwenkte direkt zu der so lang erwarteten Asylthematik über.

Bereits in den ersten zwei Sätzen sprach sie allen Menschen, die auf der Flucht nach Europa sind, ihren Status als Flüchtling und ein Recht auf Asyl in Deutschland ab, damit war die Stoßrichtung ihres Vortrags vorgegegben und im Grunde alles gesagt. Viel weiter kam Frau Petry allerdings auch nicht.

Denn überraschender Weise fingen die wenigen, anwesenden jungen Menschen an die Rede mithilfe von Trillerpfeifen zu übertönen. Diese verhältnismäßig harmlose, wenn auch klar störende Aktion reichte aus das augenblicklich einigen Afdler_innen der demokratische Kragen platzte. Ohne Vorwarnung gingen die Sitznachbarn die jungen Pfeifer_innen massiv körperlich an.

Eine junge Frau mit Trillerpfeife wurde von einer hinter ihr sitzenden Frau an ihrer Halskette nachhinten gezogen, dabei gewürgt und anschließend von ihrem Sitznachbarn am Armgepackt mit dem Versuch ihr die Pfeife zu entwenden. In wenigen Sekunden entstand eine Traube von AfDler_innen, um die junge Frau, und versuchten ebenfalls diese anzugehen. Einige schienen nur deswegen von ihrem Platz aufgestanden zu sein und eilten zu dem Pulk, der sich um die Störerenden bildete.

Herbei eilende Sympatisanten der Frau wurden von rumstehenden AfDler_innen beschimpf und herumgeschubst.

Parallel zu der laufenden Situation nahm ich wahr, wie ein junger Mann von einem AfD-Sympathisanten ins Gesicht geschlagen wurde. Ein weiterer Hieb konnte nur durch das Eingreifen des Sitznachbarn verhindert werden.

Die anwesende Security wirkte überfordert und unterband nicht, dass auf die Störenden eingeschlagen wurde, sondern verwies diese des Saales. Beim Verlassen wurden die jungen Leute wiederholt geschubst. Sie wurden während dieser undurchsichtigen Situation von Rufen wie „linke Schweine“, „Zecken“, „Faschisten“ und „Verpisst euch“ beschimpft.

Von der Bühne aus beschwerte sich Frau Petry über das Demokratieverständnis der  jungen Menschen, die ihren Unmut gewaltfrei mit Trillerpfeifen äußerten. Sie störte sich allerdings nicht an dem aggressiven und gewaltbereiten Verhalten ihrer Wähler_innen.

Von der Bühne aus wurde während der Übergriffe ansonsten nicht interveniert.

Erst nachdem die Störer_innen aus dem Saal gedrängt wurden, das gemeinsame Feindbild bestätigt und entfernt wurde, konnte Frau Petry mit ihrer Rede fortfahren. Ich verließ kurz darauf den Saal.


Nicht nur im Rückblick auf die Veranstaltung sondern auch unter Berücksichtigung der sonstigen Inhalte der AfD handelt es sich, meiner Einschätzung nach, eindeutig um eine rechte Partei mit einem unglaubwürdigen demokratischen Anstrich.

Frau Petry selbst hatte während der Veranstaltung betont, wie wichtig es sei in einer Demokratie kontroverse Positionen auszuhalten.

Was das in der Praxis für die Anwesenden bedeutete, hat mit demokratischem Verständnis nichts gemein. Einfaches Pfeifen hatte die Grenzen des Aushaltens von Widerspruch und Kritik bereits überschritten und als Rechtfertigung ausgereicht eine kritische und gewaltfreie Störaktion gewaltsam zu unterbinden.

Wer gegen die Regeln der Schicksaalsgemeinschaft verstößt, und pfeift statt zu klatschen, gehört entfernt.

Einen kontroversen Dialog nach den Übergriffen halbherzig anzubieten, während die Pfeifer_innen bereits unter wüsten Beschimpfungen aus dem Saal geschubst werden, ist schlicht und ergreifend zynisch.

Es fehlte jede Relation zwischen der gewaltfreien Störaktion und dem brutalen Vorgehen der AfDler_innen gegen die jungen Menschen.

Die Reaktion der AfD-Mitglieder war kopflos und rabiat. Die Einstellung dahinter autoritär.

Eine derartige Aggressivität habe ich bei Parteiveranstaltungen noch nicht erlebt.

Die nationalistische Grundstimmung und das ganze Vorgehen haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.