Wie rechts darf eine Richterin sein?

Erstveröffentlicht: 
24.09.2015

Auf dem Facebook-Profil von Gritt Kutscher wird Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht. Es sei aber gehackt worden.

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Ein Dank an Ungarn für das Verhalten den Asylsuchenden gegenüber, ein Seitenhieb an „Gutmenschen“, die „mit allen Mitteln verhindern wollen, dass wir für unsere Heimat, unsere Identität einstehen“ und geteilte Beiträge unter anderem von „deutschen Patrioten“.

Das Facebook-Profil „Gritt Kutscher“ ist voll mit Inhalten, die man – in der mildesten Wortwahl – eher Asylkritikern als einer Juristin zutrauen würde. Doch das Profil gehört der Richterin Gritt Kutscher, die am Amtsgericht Meißen für Bußgeld- und Unterhaltsverfahren zuständig ist. Darf eine Richterin sich so äußern? Ist bei einer solchen Haltung Objektivität überhaupt noch gewährleistet? Die SZ hat nachgefragt – und überraschende Antworten erhalten.

 

Schon mehrere Anfragen zum Facebookprofil

So schreibt das sächsische Justizministerium auf eine Anfrage der SZ: „Auch außerhalb des Dienstes hat sich ein Richter ... so zu verhalten, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.“ Er habe die „Pflicht zur Vermeidung des Eindrucks, der ... Richter werde bei seiner Amtsführung nicht loyal gegenüber seinem Dienstherrn und nicht neutral gegenüber jedermann sein“. Zu prüfen, ob die Dienstpflicht verletzt wurde, sei Aufgabe des unmittelbaren Dienstvorgesetzten.

Dieser ist Gilbert Häfner, Präsident des Landgerichts Dresden. Er habe schon mehrere Anfragen zu Frau Kutschers Facebookprofil erhalten, sagte er der SZ. Es werde geprüft, ob die Inhalte strafrechtlich sowie dienstrechtlich relevant sind. Möglicherweise wird auch Anzeige erstattet. In einer Pressemeldung schreibt Häfner außerdem, die Richterin habe mitgeteilt, dass ab dem 17.09. lediglich vier Einträge auf Facebook von ihr stammen würden: eine Äußerung zu einem an Bundesminister Gabriel gerichteten Brief, ein Geburtstagsglückwunsch an eine Verwandte, ein Kommentar, mit dem sie der Abgeordneten Veronika Bellmann zu ihrem Gastbeitrag im aktuellen Handelsblatt gratuliert, sowie eine Zeichnung des Meißner Künstlers Kay Leonhardt. Derzeit bestehe kein Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln.

Tatsächlich heißt es auf der Facebookseite „Gritt Kutscher“, dass diese von Hackern angegriffen worden sei. „Bitte geht erst mal davon aus, dass alles, was am vergangenen Wochenende geschrieben, geteilt, kommentiert wurde, nicht von mir stammt.“ Der ehemalige Grünenpolitiker Andreas Vorrath gibt in einem Kommentar darunter zu bedenken, Frau Kutscher habe solche Inhalte doch schon lange Zeit vor dem vermeintlichen Angriff geteilt.

 

 

Ähnlicher Tenor in älteren Beiträgen

Der Tenor in den älteren Beiträgen ist tatsächlich derselbe – die Asylbewerber kosten viel Geld, bringen Deutschland Gefahr – nur die Anzahl ist am vergangenen Wochenende deutlich in die Höhe geschossen. Daniela Kuge, die selbst schon Opfer eines Hackerangriffes wurde, glaubt der Richterin. Sie habe ein einfaches Passwort gehabt, das leicht zu knacken war, sagte sie nach einem Gespräch mit Kutscher. „Sie teilt schon eine kritische Meinung, aber asylfeindlich habe ich sie nie erlebt.“

Eine SZ-Anfrage bei Gritt Kutscher selbst brachte wenig. Die Richterin, auf deren Facebookseite immer wieder auch medienkritische Inhalte zu finden sind, wurde beim Nennen des Zeitungsnamens sofort laut. „Wissen Sie, was Sie mal schreiben können?“, fragte sie. „Dass ich schon wieder auf Facebook angegriffen wurde!“ Das teilte sie gestern auch im sozialen Netzwerk mit. Der Reporterin riet sie, sich erst mal weiterzubilden, und legte dann auf.