Düsseldorf. NRW-Ministerpräsidentin will nicht zwischen „richtigen“ und „falschen“ Flüchtlingen unterscheiden. Opposition wirft ihr Planlosigkeit vor.
Das Treffen mit der geflüchteten schwangeren Krankenschwester aus Albanien in einem NRW-Aufnahmelager hat Hannelore Kraft sichtlich aufgewühlt. Nach dem Asylgesetz hat die junge Mutter vom Balkan kaum Chancen auf ein Bleiberecht. „Es kann nicht um richtige oder falsche Flüchtlinge gehen“, wagt sich die Ministerpräsidentin im Landtag weit vor und fordert mehr Aufnahmemöglichkeiten für Flüchtlinge vom West-Balkan über ein neues Einwanderungsgesetz.
Lange hat sich Kraft in der politisch sensiblen Flüchtlingsfrage öffentlich zurückgehalten. Mit dem Druck von geschätzt 170 000 Flüchtlingen in diesem Jahr macht sie das Thema aber gestern in einer Regierungserklärung zur Chefsache. Im Lob für die Willkommenskultur und die Helfer ist sich der Landtag noch einig. Beim Thema Asyl aber scheiden sich die Geister.
Hochemotionale Rede
Der hochemotionalen Rede von Kraft setzt CDU-Landeschef Armin Laschet einen nüchtern an der Gesetzeslage orientierten Beitrag entgegen. Die Forderung von Laschet, nach dem Vorbild Bayerns Erstaufnahmestellen für Asylbewerber mit geringer Aussicht auf Anerkennung einzurichten, lehnen SPD, Grüne und Piraten ab. Auch der CDU-Antrag, Kosovo, Albanien und Montenegro als sichere Herkunftsländer einzustufen, findet keine Mehrheit. Für SPD-Fraktionschef Norbert Römer ist die Diskussion über sichere Länder eine Scheindebatte, weil sie keinen Flüchtling abhalten würde.
Geschlossen verlangt der Landtag, dass der Bund die finanziellen Lasten für die Aufnahme der Flüchtlinge tragen soll. Gleichzeitig kündigt Kraft weitere 700 Millionen Euro Landesmittel für 2015 an, um Flüchtlinge vernünftig unterzubringen. „Wir haben die Verpflichtung, Obdachlosigkeit unbedingt zu vermeiden.“ Laschet verlangt aber wegen des bisherigen „Organisationsversagens“ des Landes die Einrichtung eines Krisenstabes. „Die Stimmung in der Bevölkerung kann umschlagen“, mahnt Laschet.
Klare Botschaft
Hannelore Kraft richtet in der Aussprache eine klare Botschaft an die kriminellen „Brandstifter“ von Aufnahmeeinrichtungen. „Ihr werdet diese Gesellschaft nicht vergiften mit euren dumpfen und dummen Parolen. Es gibt keine Toleranz bei Fremdenfeindlichkeit, Neonazi-Hetze und rechter Gewalt.“ Innenminister Jäger hat die Sicherheit in den Aufnahmeeinrichtungen inzwischen verstärkt.
In der Flüchtlingsdebatte verlangen Laschet und der FDP-Experte Joachim Stamp eine klare Trennung zwischen dem Asylrecht und einem Einwanderungsgesetz. „Humanität hat kein Preisschild“, pocht Stamp auf uneingeschränkte Solidarität mit den Flüchtlingen. Der FDP-Politiker beklagt, dass viele Flüchtlinge ohne Gesundheitstest und Registrierung in die Kommunen weitergeschickt werden. „Das Boot ist nicht voll, es wird nur schlecht gesteuert“, klagt Stamp. „Von Berlin und Düsseldorf.“
Ein Motto zieht sich wie ein roter Faden durch die Debatte: „Wir werden es schaffen, wenn wir es gemeinsam anpacken.“ Dass NRW mehr Flüchtlinge aufnimmt als Frankreich, hält nicht nur Kraft für ein europäisches Versagen.