Exklusiv-Interview mit Polizeipräsident Bernd Merbitz!

Erstveröffentlicht: 
16.08.2015

Von Antje Meier Sachsen - Proteste vor Flüchtlingsheimen, Anschläge mit Sprengstoff und Brandsätzen – der Hass auf Asylbewerber scheint in Sachsen größer zu werden. Ausreichend Arbeit also für das Operative Abwehrzentrum (OAZ). OAZ-Chef Bernd Merbitz (59) sprach mit MOPO24 über den wachsenden Extremismus.

 

 

MOPO24: Herr Merbitz, wo „brennt“ es gerade bei Ihnen?

Bernd Merbitz: Wir sind momentan sehr intensiv in die Ermittlungen zum Brandanschlag auf die Asylbewerberunterkunft in Meißen eingebunden und zum Sprengstoffanschlag auf ein Flüchtlingsheim in Freiberg.

MOPO24: Man hat den Eindruck, Anschläge auf Flüchtlingsheime nehmen zu.

Bernd Merbitz: Statistisch gesehen haben wir eine Zunahme. Wir haben im ersten Halbjahr 2015 bereits 42 Angriffe verzeichnet. Davon waren vier Gewaltdelikte. Das hängt aber auch damit zusammen, dass es mehr Heime in Sachsen gibt.

 

MOPO24: Das OAZ wurde in Folge des NSU-Skandals gegründet. Müssen wir wieder mit solchen Gewalttaten rechnen? 

Bernd Merbitz: Moment! Wir wollen diese verhindern! Wir sind bestrebt, dass so etwas nie wieder entsteht. Oder wir das frühzeitig erkennen und darauf reagieren können.

MOPO24: Aber es brodelt im Freistaat. Ist die Polizei dem Kampf gegen Rechts gewappnet? 

Bernd Merbitz: Natürlich! Wir wissen, dass wir in vielen Fragen der polizeilichen Arbeit wie Kriminalität, Asylbewerberheime, Pegida, Legida und Fußball ans Limit gekommen sind. Da müssen wir uns ernsthaft Gedanken machen. Aber nicht ohne Grund wurden die Ausbildungsplätze von 300 auf 400 erhöht. Außerdem wird eine Kommission eine Evaluierung durchführen. Dann wissen wir: Ist das machbar mit dieser Polizei, brauchen wir mehr Personal oder müssen wir die Struktur ändern.

 

MOPO24: Ein Polizeigewerkschaftler meinte im Deutschlandfunk, das OAZ sei zum Teil Symbolpolitik. Ziehen Sie sich den Schuh an? 

Bernd Merbitz: Unser Anliegen war es immer, keine Symbolpolitik zu betreiben, sondern reale Tatsachen zu schaffen im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Wenn ich mir die Zahlen anschaue, haben wir 2014 exakt 292 Ermittlungsverfahren bearbeitet, davon 218 geklärt. Eine Aufklärungsquote von 75 Prozent. Von den 42 Fällen in diesem Jahr haben wir 23 aufgeklärt und Täter ermittelt. Wir geben keinen Fall auf! Was heute nicht gelöst wird, lösen wir morgen.

MOPO24: Erleben wir gerade einen Rechtsruck in Sachsen? 

Bernd Merbitz: Ich verstehe nicht, warum man Menschen, die Hilfe suchen, diskriminiert. Es sind viele Familien dabei. Die brauchen unsere Hilfe und haben es nicht verdient, aufs Übelste beschimpft zu werden. Doch als einen Ruck nach rechts möchte ich es nicht bezeichnen. Das würde bedeuten, dass die Gesellschaft nach rechts rückt. Doch ein Teil hat ja Verständnis für die Flüchtlinge. Das ist eine Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen.

 

MOPO24: Wie tief ist der braune Sumpf? 

Bernd Merbitz: Es wird immer Menschen geben, die ihre eigene Ideologie haben, die von rechtsextremem bis nationalsozialistischem Gedankengut geprägt ist. Ich vergleiche das lieber mit einem Fruchtgetränk. Das hat etwas Bodensatz. Wenn man die Flasche schüttelt, verschwindet der in der Masse.

MOPO24: Zuletzt gab es auch schwere Angriffe von Links in Leipzig. 

Bernd Merbitz: Ja, ich denke da an das Amtsgericht, wo Hunderte durch die Stadt gezogen sind und Sachbeschädigung an Polizeiautos begangen haben. Oder am 5. Juni, als mit Pflastersteinen gegen die Polizei vorgegangen wurde. Das macht mich nachdenklich, wenn man das Leben eines Polizisten in keinster Weise mehr wertschätzt. Der Polizei wird immer vorgeworfen, sie würde zu hart vorgehen.

MOPO24: Kann man sagen: Rechte oder Linke sind gefährlicher? 

Bernd Merbitz: Für mich ist beides gefährlich, sobald Gewalt ins Spiel kommt. Da mache ich keine Unterschiede. Aber man muss in aller Deutlichkeit sagen: Wir können immer noch froh sein, dass es in der Gesellschaft nicht der überwiegende Teil ist, der Gewalt ausübt.

 

Bei Nazis kennt er kein Pardon

 

Bernd Merbitz gilt als Sachsens „Nazi-Jäger“. Denn der gebürtige Thüringer hat dem Rechtsextremismus den Kampf angesagt.

So leitete er 1991 bis 1998 die Abteilung Polizeilicher Staatsschutz beim Landeskriminalamt Sachsen, gründete in dieser Zeit auch die Sonderkommission Rechtsextremismus (Soko Rex).

 

2007 wurde er Landespolizeipräsident. Zwei Jahre später erhielt er für sein Engagement den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrates der Juden.

Seit 2012 leitet er nun die Polizeidirektion Leipzig, seit 2013 auch das Operative Abwehrzentrum. Es wird gemunkelt, dass Innenminister Markus Ulbig seinen CDU-Kollegen wegen persönlicher Differenzen degradierte.

 

Ein Schwerpunkt sind die Angriffe auf Heime

 

Das Operative Abwehrzentrum (OAZ) wurde 2013 gegründet – infolge des NSU-Skandals. Der hatte offenbart, dass jahrelang Rechtsterroristen unerkannt in Sachsen leben konnten.

Das Hauptaugenmerk liegt deshalb auf der Bekämpfung des Rechtsextremismus im Freistaat. Aber auch zu linksextremistischen Straftaten wird ermittelt. Derzeit gehören aber vor allem Angriffe auf Flüchtlingsheime sowie Drohungen gegen Mandatsträger zur Ermittlungsarbeit der zirka 120 Mitarbeiter.

Um flächendeckend arbeiten zu können, verfügt das OAZ über regionale Ermittlungsabschnitte in Dresden, Leipzig, Chemnitz, Görlitz und Zwickau. Es verfügt zudem über ein mobiles Einsatzkommando.

Ermittlungserfolg: Das OAZ wirkte an der Zerschlagung der Neonazi-Terrorgruppe „Oldschool Society“ (OSS) in diesem Jahr mit.