Viele Irritationen nach Sondersitzung zum Thema Asyl

Erstveröffentlicht: 
07.08.2015

Mögliches Abschiebelager sorgt für Kontroverse im Ausschuss / Ablehnung nicht nur von der Opposition

 

Von jürgen kochinke


Dresden. So viel Aufmerksamkeit hatte der Innenausschuss im Landtag noch nie. Übervoll war der Sitzungssaal in der dritten Etage, und alle waren gekommen: Innenminister Markus Ulbig (CDU) sowie seine Kabinettskollegin Petra Köpping (Integration, SPD) saßen in der Runde, daneben Abgeordnete, Leipzigs Polizeichef Bernd Merbitz und reichlich Staatssekretäre. Der Grund für den Auflauf war die Sondersitzung zum Thema Asyl - akute Probleme bei der Unterbringung, Sicherung und medizinischen Versorgung inklusive. Was am Ende herauskam, war aber alles andere als überzeugend. Im Gegenteil: Zurück blieben viele Irritationen und Verstimmung.


Grund dafür ist der Vorstoß von Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU). Der hatte eine Idee aus dem CSU-geführten Bayern ins Spiel gebracht, wonach Asylbewerber ohne Bleibeperspektive in einer speziellen Einrichtung untergebracht werden sollen - Abschiebelager lautet der Kampfbegriff. Zwar nahm Tillich dieses Wort nicht in den Mund, die Idee aber begrüßt er. Denn damit, so die Hoffnung, könnten Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern schneller abgeschoben werden - vor allem jene aus dem Balkan, die mehr als ein Drittel aller Asylbewerber ausmachen.


Das stößt nicht nur bei der Opposition auf Ablehnung, auch in den Koalitionsfraktionen CDU und SPD sorgt es für Irritation. Schließlich haben sie den Vorschlag aus den Medien erfahren, und klar ist sowieso nichts. An dieser Stelle kommt Ulbig ins Spiel. Denn der Innenminister hatte Tillichs Ansatz aufgegriffen und dabei weiter verunklart. Denn nach seiner Lesart könnten in dem "Pilotprojekt" nicht nur Flüchtlinge vom Balkan untergebracht werden, sondern auch solche aus Bürgerkriegs-Ländern. Die aber haben eine Anerkennungsquote von nahezu 100 Prozent. Folge: Das Ganze wäre eine Art Spezialcamp für die klaren Fälle.


An diesem Punkt aber gab es gestern viel Diffusion und harten Dissens. Die Lage scheint reichlich verwirrend. Linke und Grüne sind knallhart dagegen, so viel ist klar, und die CDU-Fraktion muss sich erst mal sortieren. Die SPD aber redet mal so und manchmal ganz anders. Kostprobe: Ausschusschef Mario Pecher (SPD) sagte gestern im Anschluss an die Sitzung, es dürfe beim Thema "keine verbotenen Ideen" geben, das gelte auch für Abschiebelager. Und: "Wenn es eine Möglichkeit ist, die Verfahren zu beschleunigen, dann sei es so." Kurz danach kamen konträre Töne von SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas. "Wovon ich gar nichts halte, ist, Gruppen zu internieren und zu kennzeichnen", sagte der gelernte Polizist mit Blick aufs NS-Regime. "So was hatten wir schon mal, das möchte ich in Deutschland nicht mehr sehen."


Ulbig mühte sich redlich, die gröbsten Verwirrungen zu umschiffen, und dabei gleichzeitig Zahlen, Trends und Problemlagen zu benennen. Die Innenpolitiker von Linken und Grünen, Enrico Stange und Valentin Lippmann, konnte er damit wenig überzeugen. Zwar meinten beide, die Sondersitzung sei "sinnvoll und notwendig" gewesen, mehr aber auch nicht. Und dann folgte Kritik. Stange meinte, dass die von Ulbig präsentierten Prognosen zu Asylbeweberzahlen mal wieder zu niedrig angesetzt seien und folglich erneut eine "Luftnummer". Die Regierung "versagt und hechelt nur hinterher". Nach Ansicht von Lippmann herrscht "totales Chaos zwischen Innenministerium und CDU-Fraktion bis zum Ministerpräsidenten".


Zumindest an einem Punkt waren sich alle Beteiligten einig. Die gestrige Sitzung dürfte zwar für die wenigsten befriedigend gewesen sein, aber irgendwie war sie trotzdem sinnvoll. Und sie wird nicht die letzte gewesen sein, die es zum Thema Asyl gibt.