Immobilien und Trendviertel in Leipzig: Das neue Berlin

Erstveröffentlicht: 
16.06.2015

Die Stadt Leipzig war über Jahre hinweg der Inbegriff gescheiterter Nachwendehoffnungen. Doch die Messe-Metropole wächst viel schneller als die Hauptstadt und bietet Anlegern erheblich bessere Renditechancen.

 

Frankfurt

 Vorsicht ist angebracht im ehemaligen Kasernengebäude an der Olbrichtstraße im Leipziger Stadtteil Gohlis. Auf den Treppenstufen liegen Steinbrocken, das Dach ist eingestürzt, die Fenster sind eingeschlagen, und der Fußboden macht nicht gerade den stabilsten Eindruck. Doch Ricco Klein schaut liebevoll auf die morschen Gemäuer. Für ihn ist die ehemalige Kavalleriekaserne nordwestlich der Innenstadt keine Bauruine, sondern eine Investitionschance.

 

Für rund 200 Millionen Euro will der Geschäftsführer der Firma K & P in den denkmalgeschützten Gebäuden auf dem sechs Hektar großen Areal Hunderte von Eigentumswohnungen schaffen. Durchschnittlich 3.600 Euro pro Quadratmeter sollen Kapitalanleger für die Wohnungen in der auf den Namen König-Albert-Residenz getauften Wohnanlage zahlen.

 

Ein so großes Projekt hier - das überrascht. Schließlich ist Leipzig die Stadt, die über Jahre hinweg der Inbegriff gescheiterter Nachwendehoffnungen war: Hier verloren in den 1990er-Jahren zahlreiche westdeutsche Investoren, verblendet von den vermeintlichen Segnungen der Sonder-AfA Ost, viel Geld, hier stand zeitweise jede fünfte Wohnung leer. Noch vor wenigen Jahren dominierten verrottete Gründerzeithäuser das Bild so mancher Straße.

 

Doch das hat sich gewandelt. "Wir verzeichnen ein enormes Wachstum", stellt Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau fest. Allein im vergangenen Jahr erhöhte sich die Einwohnerzahl um 13.000 oder 2,4 Prozent auf 552.000; prozentual war das Wachstum damit fast doppelt so stark wie im boomenden Berlin.

 

Dabei resultiert die Einwohnerzunahme nicht nur aus Zuwanderung: 2014 war die Zahl der Geburten erstmals seit 50 Jahren höher als die Zahl der Todesfälle. Als Folge dieser Entwicklung ist der Leerstand auf rund sieben Prozent gesunken. "In den bevorzugten Wohnlagen ist die Nachfrage wesentlich höher als das Angebot", stellt Hannes Baderschneider fest, Wohnungsspezialist bei der Leipziger Niederlassung des Maklerunternehmens Aengevelt.

 

Diese bevorzugten Wohngegenden sind diejenigen, die auch im Ranking von VDP Research weit oben stehen: das Musikviertel (Zentrum Süd), das Waldstraßenviertel (Zentrum-Nordwest), Gohlis-Süd und die Südvorstadt. Aber auch Plagwitz, einst ein von aufgegebenen Industriegebäuden geprägtes Viertel, und Schleußig zählen mittlerweile zu den etablierten Wohnlagen.

 

Von der dortigen großen Nachfrage profitieren die benachbarten Stadtteile: "Die Südvorstadt strahlt auf Reudnitz aus, Plagwitz auf Lindenau", erläutert Baderschneider. Baudezernentin Dubrau ist überzeugt, dass die positive Entwicklung sogar das als Problemviertel geltende Gebiet um die Eisenbahnstraße (Neustadt-Neuschönefeld) erfassen wird: "Dort gibt es Freiräume für Künstler und Kreative. Deshalb wird dort eine ähnliche Entwicklung stattfinden wie vor zehn Jahren in Plagwitz."

 

Investoren weichen von Berlin nach Leipzig aus


Der Aufwärtstrend lockt immer mehr Anleger an. "Seit etwa zwei Jahren weichen Investoren von Berlin nach Leipzig aus", sagt Axel von Saldern von der Immoinvest Vertriebs GmbH. Denn die nur eine ICE-Stunde von Berlin entfernte Messestadt bietet trotz deutlich gestiegener Preise Renditen, von denen Investoren in den Metropolen nur noch träumen können: "Ein solides Mehrfamilienhaus wird in der Regel für das 16- bis 18-Fache der Jahresmiete verkauft", sagt Aengevelt-Experte Baderschneider. Dies entspricht einer Bruttorendite von rund sechs Prozent.

 

In Leipzig sind nicht nur die Renditen besonders hoch. Der Markt tickt auch anders. Während andernorts kleine Wohnungen bis hin zu Microapartments Investoren anziehen, empfehlen Leipzig-Kenner privaten Kapitalanlegern, größere Wohnungen zu kaufen. "Wir haben in der Stadt einen Mangel an für Familien geeigneten Wohnungen", begründet Markus Kolbe, Makler bei Postbank Immobilien. Dieses Manko entstand, weil in den neunziger Jahren vor allem kleinere Einheiten auf den Markt kamen, die sich gut an Kapitalanleger verkaufen ließen.

 

Heute sind institutionelle Investoren sogar wieder bereit, Geld in den Bau von Mietwohnungen zu stecken. "Im Neubau lässt sich mittlerweile eine Miete von rund zehn Euro pro Quadratmeter erzielen", begründet dies Nils Olov Boback, Geschäftsführer des Immobilienkonzerns NCC Deutschland. Sogar mit bis zu zwölf Euro rechnet Christoph Gröner, Chef der CG Gruppe, die im Lauf dieses Jahres das LKG Carré im Graphischen Viertel mit 335 Wohnungen fertigstellen wird. Die Nachfrage seitens potenzieller Mieter ist groß: "Wir vermieten die Wohnungen vom Plan weg", freut sich Gröner.

 

Allerdings sind solche Mieten keineswegs die Regel: Nach den Erhebungen von VDP Research beträgt die Durchschnittsmiete lediglich 5,50 Euro pro Quadratmeter. Auch der mittlere Preis von Eigentumswohnungen liegt mit lediglich 1.660 Euro pro Quadratmeter weit unter den Werten der anderen in dieser Serie untersuchten Städte. Manche Beobachter beurteilen den Leipziger Wohnungsmarkt denn auch skeptisch: In einem Ranking von 70 deutschen Städten, das das Beratungsunternehmen Catella gerade vorgelegt hat, schafft es Leipzig nur auf den 50. Platz - weit hinter den anderen ostdeutschen Standorten Potsdam, Erfurt, Dresden und Rostock. Einer der Gründe dafür: Obwohl mit Porsche, BMW und DHL große Unternehmen nach Leipzig gekommen sind, ist jeder zehnte Leipziger arbeitslos.

 

"Die weitere Entwicklung der Stadt hängt entscheidend davon ab, ob es gelingt, Arbeitsplätze zu schaffen und so die jungen Leute in der Stadt zu halten", ist die Politikerin Dubrau deshalb überzeugt. Immobilienunternehmer Ricco Klein blickt jedenfalls optimistisch in die Zukunft: Von den 23 Wohnungen des ersten Bauabschnitts seiner König-Albert-Residenz sind innerhalb von acht Wochen 20 verkauft worden.