Die Hoygida-Frontfrau

Gabriele Williger auf dem Balkon ihrer Wohnung in Hoyerswerdas Neustadt. Die 62-Jährige mischt seit Anbeginn bei der Gruppe „Hoygida“ mit. Sie sieht das Ganze als Bürgerbewegung.
Erstveröffentlicht: 
27.04.2015

Die Hoygida-Frontfrau Gabriele Williger ging in Hoyerswerda schon zum siebten Mal auf die Straße. Jetzt sagte sie, warum.

 

Gabriele Williger ist auf dem Sprung. Die 62-Jährige möchte noch nach Dresden. Es ist mal wieder Montag und in der Landeshauptstadt spricht diesmal der holländische Rechtspolitiker Geert Wilders. Trotzdem hat sich Gabriele Williger bereit erklärt, noch mit der Zeitung zu reden.

 

„Ich habe mich noch nicht weiter mit ihm beschäftigt. Ich höre mir an, was er sagt, und kann mir dann selbst ein Urteil bilden“, meint Gabriele Williger über Wilders Auftritt bei den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“, kurz Pegida. Neben ihr in ihrer Wohnung in Hoyerswerdas Neustadt sitzt ein junger Mann, der gern einfach nur Jens genannt werden will. „Also, ich hätte Geert Wilders nicht eingeladen. Er ist schon ziemlich am rechten Rand“, erklärt Jens.

 

Schlimmer sei die Amerikanisierung

 

Er ist derjenige, der mittels einer Veröffentlichung im Internet den Hoyerswerdaer Pegida-Ableger Hoygida ins Leben gerufen hat, die „Hoyerswerdaer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. So, wie es klingt, verwendet Jens heute lieber nur das Akronym Hoygida. „Islamisierung ist bei uns das geringste Problem. Schlimmer ist doch die Amerikanisierung“, findet er.

 

Kaum war die Hoygida-Idee Ende vorigen Jahres online, schon meldete sich Gabriele Williger bei Jens. „Ich fand mich dort gut aufgehoben“, sagt sie. Seit der ersten Hoygida-Demonstrationen, die die Gruppe „Spaziergänge“ nennt, ist sie dabei. Die resolute Frau wirkt auch im Organisationsteam mit, das aus sieben oder acht Leuten besteht. Sie geben für ihre politische Arbeit auch viel privates Geld aus. Nicht bloß Plakate kosten Geld.

 

Als Hoygida den pakistanischen Autor Zahid Khan zu einer Manifestation eingeladen hatte, brachte die Gruppe samt Hotel-Übernachtung mal eben 360 Euro auf. Jens nickt, wenn Gabriele Williger sagt, sie sei die Hoygida-Frontfrau. Aber sie soll wohl auch so eine Art Katalysator sein. Jens sagt jedenfalls, sie kenne hier jede Menge Leute. Sicher liegt das an den vergangenen 40 Jahren.

 

Mit der RAA ins Ferienlager

 

Gabriele Williger kam 1975 aus ihrer Heimatstadt Bautzen nach Hoyerswerda und war hier eine kleine Ewigkeit als Erzieherin tätig, zunächst in diversen Kindergärten, später auch an der Neustadt-Mittelschule. Sie hat lange Zeit „Mini-Playback-Shows“ in der Stadt organisiert, hat mit Jugendlichen getanzt und ihren Urlaub geopfert, um in den Ferienlagern der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Demokratie und Lebensperspektiven RAA Mädchen und Jungen zu betreuen. Man könnte wohl mit Fug und Recht sagen, sie stammt aus der Mitte der Gesellschaft. Was treibt eine solche Frau wohl auf die Straße?

 

Gabriele Williger holt tief Luft. „Es ist in Deutschland viel in der Schieflage“, sagt sie und spricht über Kinder, die ihre Tage in der Schule ohne Frühstück und ohne Mittagessen verbringen. Sie redet davon, dass die Politik die Bürger außen vor lasse. Sie wird sogar recht lokal, wenn sie die Entscheidungswege beim Abriss und den generellen Zustand des Zoos kritisiert. Über Migranten sagt sie wenig bis nichts. Nur so viel: „Bei wirklichen Flüchtlingen wäre ich bereit, kostenlos meine pädagogische Kraft zur Kinder-Betreuung zur Verfügung zu stellen. Aber soll ich mit den jungen Männern spielen?“ Allerdings kann man im Internet nachlesen, dass sie schon mal über „beschissene Asylpolitik“ schimpft.

 

Bittet man Gabriele Williger, sich selbst zu beschreiben, dann sagt sie nach kurzem Nachdenken, sie sei zielstrebig bis hin zur Verbissenheit, diszipliniert und sehr temperamentvoll: „Ich habe eine große Klappe.“ Sie sei aber auch gut in der Lage, mit Kritik umzugehen.

 

Sie will öffentlich nicht darüber reden, aber sie hat in ihrem Familien-Leben schon einige sehr heftige Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Ihre Tochter und ihren zehnjährigen Enkel liebt sie daher über alles. Sie sagt, sie wolle für sie eine sichere Zukunft. Die 62-Jährige fürchtet, dass ihre Familie eines Tages einen Krieg erleben muss. Sie hält das sogar für eine recht reale Gefahr. Auch das treibt Gabriele Williger auf die Straße – heute zum siebten Mal in Hoyerswerda.

 

Jede Demo mit Verhaltensregeln

 

Sie war schon 1989 demonstrieren. Sie weiß, das kann etwas bewirken. Hoygida erklärt sie zur Bürgerbewegung. „Es ist eine Form, Kritik anzubringen. Im stillen Kämmerlein die Wand anzubrüllen, bringt ja nichts. Und wie kann denn der Bürger sonst seinen Unmut zeigen?“, fragt sie. Darum wird Gabriele Williger wohl auch heute wieder die Demonstrations-Ordnung vorlesen. Wesentlicher Inhalt sind die Verhaltensregeln: keine Springerstiefel, keine verbotenen Symbole, keine Hunde, kein Alkohol und keine Fahnenstangen von mehr als 1,50 Meter Länge!

 

Man ist bei Hoygida stolz darauf, gut mit dem Landratsamt als Versammlungsbehörde und mit der Polizei zusammenzuarbeiten. Das soll auch so bleiben. Denn Hoygida ist entschlossen, nicht als Eintagsfliege zu enden. „Wir wollen die Bürger aufrütteln“, sagt Frontfrau Gabriele Williger. Sie und Jens erzählen, dass die Gruppe sich mit dem Gedanken trägt, zum Amtsgericht zu gehen und einen Hoygida-Verein zu gründen.