500 Anwohner informieren sich über Asyl-Pläne / Landrat räumt Kommunikationspannen ein
Von Romy richter
 Tröglitz. "Herzlich willkommen": Mit knallig-bunten Schildern 
wirbt das Bistro Istanbul gleich hinter dem Ortseingang für Döner, Pasta
 und Pizza. Doch die Tröglitzer, die an diesem Abend direkt nebenan in 
das Kultur- und Kongresszentrum strömen, lassen den Imbiss erst mal 
rechts liegen. Sie wollen jetzt vor allem Informationen. Es geht um die 
geplante Unterbringung von 40 Asylbewerbern, die im Mai mehrere 
Wohnungen im Ortskern beziehen sollen. Die Szenerie am Dienstagabend: 
500 Anwohner drängen sich in den großen Saal, auch das Medieninteresse 
ist enorm. Auf dem Podium rund um Landrat Götz Ulrich (CDU, 
Burgenlandkreis) hat ein Dutzend weiterer Vertreter aus Kommunal- und 
Landespolitik, Polizei und Kirche Platz genommen. 
 Markus Nierth sitzt nicht in der ersten Reihe, sondern mittendrin, als 
Bürger. Noch vor drei Wochen war der 46-jährige Theologe ehrenamtlicher 
Ortsbürgermeister des 2700 Einwohner zählenden Tröglitz im Süden von 
Sachsen-Anhalt. Doch im Zusammenhang mit der Asylproblematik und 
massiven Anfeindungen von Rechtsextremisten zog der Parteilose 
schließlich die Reißleine und legte sein Amt nieder. Ein Schritt, den er
 bis heute nicht bereut: "Meine Familie und ich wurden nicht geschützt."
 Ohne diesen Rücktritt, der bis zur Bundespolitik hohe Wellen schlug, 
wäre wohl auch diese Einwohnerversammlung eine Randnotiz geblieben, wie 
in vielen anderen Orten. 
Landrat Ulrich moderiert die Veranstaltung souverän, antwortet auf jede 
Wortmeldung, trägt Unmengen an Zahlen und Statistiken vor, aber auch 
Details zur Unterbringung: "Wir gehen davon aus, dass wir überwiegend 
Familien in Tröglitz unterbringen werden. Es werden auch Kinder dabei 
sein." Ulrich fügt hinzu, es solle extra ein Sozialpädagoge für die 
Asylbewerber und ein Wachdienst angestellt werden, der rund um die Uhr 
für Sicherheit zuständig ist. 
Zugleich räumt der Politiker auch Fehler in der Kommunikation ein: "Ich 
kann nicht ausschließen, dass wir im Vorfeld in Tröglitz nicht richtig 
hingehört haben." Ulrich erklärt sich, warum er erst jetzt öffentlich 
über die Pläne spreche. Für viele zu spät - denn schon längst hatte die 
rechtsextreme NPD das Thema für sich besetzt. Regelmäßig marschierten 
Demonstranten durch den kleinen Ort, organisiert von NPD-Funktionär 
Steffen Thiel, der sich auch in der Fragerunde mehrfach zu Wort meldet. 
Diese sogenannten Lichterspaziergänge fielen mehr auf als die leisen 
Friedensgebete in der Kirche. So tritt auch an diesem Abend ein 
Tröglitzer auf der Empore an das Mikrofon, um die erste Frage zu 
stellen. Für einen kurzen Augenblick ist er der Mann da oben: "Was 
soll'n die Scheiße hier?" ruft er bockig nach unten. "Die kriegen die 
Wohnungen hergerichtet von A bis Z. Und wir kriegen nichts." Der 
Applaus, der ihm gilt, kommt aus einer offensichtlich der rechten 
Gesinnung zugewandten Abteilung. Es ist im Saal nicht die Mehrheit. Die 
Mehrheit klatscht laut und zugleich höflich an anderen Stellen. Zum 
Beispiel für die Antwort des Landrates, der sachlich bleibt: "Es ist 
richtig, die Unterbringung kostet Geld." Mehr als sechs Millionen Euro 
seien für dieses Jahr im Haushalt des Burgenlandkreises dafür 
eingeplant. Dem gegenüber stünden aber 173 Millionen Euro, die für die 
Betreuung von Hartz IV-Empfängern ausgegeben würden, ergänzt er. 
Schief gerät die Wortmeldung eines 38-jährigen Franzosen, der seit vier 
Jahren in Tröglitz wohnt, wie er sagt. "Ich bin auch Ausländer," beginnt
 Jey Lacour, um dann von seinem französischen Heimatviertel zu 
berichten, in dem mittlerweile kein Franzose mehr lebe. So will er die 
Motivation der Demonstranten gegen die Flüchtlinge verstehen und seine 
neue Heimat verteidigen. Aus seiner Sicht sind das keine Nazis, 
Rassismus lässt er aber gelten, ohne negative Bewertung.
Zugleich wächst die Zahl derer, die sich für die Flüchtlinge engagieren 
wollen. 20 konkrete Hilfszusagen sammelt eine neue Bürgerinitiative 
"miteinander füreinander" noch bis zum Schluss der Veranstaltung. Rund 
100 Einwohner unterschreiben zudem eine Erklärung für ein weltoffenes 
Tröglitz. "Das ist ein wichtiges Signal," sagt Pfarrer Matthias 
Keilholz. Auch der frühere Bürgermeister Nierth weiß: "Die große 
Mehrheit der Tröglitzer ist gutherzig." Der Theologe will sich gemeinsam
 mit seiner Frau Susanna weiter privat engagieren. "Der Ort ist 
zerrissen, aber ich habe schon den Eindruck, dass sich die Leute jetzt 
mehr positionieren und mutiger werden." Nierths wollen ein Begegnungs- 
café eröffnen. "Wir haben Spendenangebote aus ganz Deutschland 
bekommen," berichtet Susanna Nierth. "Das sollte für uns alle eine 
Ermutigung sein, hier kann Integration gelingen." 
Auch Landrat Ulrich will weiter versuchen, die Ängste der Bürger 
abzubauen. Ein Tag der offenen Tür ist eine weitere Möglichkeit, "damit 
die Kritiker sehen,  dass wir keine goldenen Klinken anschrauben". Am 
Ende des Abends kehrt vorerst wieder Ruhe ein, der Parkplatz leert sich.
 Nur das Bistro Istanbul leuchtet noch in der Nacht.
