Warum ein Wut-Bürger ein Flüchtlingsheim ansteckte

Erstveröffentlicht: 
24.02.2015

Der Brandanschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft in Escheburg scheint aufgeklärt, ein mutmaßlicher Täter ist gefunden. Und doch lässt er die Einwohner der Kleinstadt ratlos zurück. Sie suchen nach Erklärungen, fragen sich: Wie konnte in ihrem Ort eine solche Tat geschehen?

 

Der Tatverdächtige ist kein Nazi mit Glatze und Springerstiefeln. Sondern offenbar der Nachbar. Ein Familienvater, Beamter, der mit Frau und Kind in einem Einfamilienhaus gegenüber der geplanten Flüchtlingsunterkunft lebt. Ein Mann aus der Mitte der Gesellschaft. Warum zündete er das Flüchtlingsheim an? Am helllichten Tag? Die Staatsanwaltschaft geht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus.

 

Panorama 3 war zwei Wochen in Escheburg auf Spurensuche. Wer hier im Speckgürtel Hamburgs lebt, hat es geschafft. Eine Schule, ein Kindergarten, der Golfplatz direkt hinter dem Eigenheim. Ein schöner Ort für Familien. Nicht wenige Anwohner sehen dieses Idyll bedroht, seit bekannt ist, dass Flüchtlinge in ihre Nachbarschaft einziehen sollen.

 

Angst vor kulturellen Unterschieden

 

Martin B. ist direkter Nachbar der geplanten Flüchtlingsunterkunft. Von seinem Wohnzimmer aus blickt er auf das rote Holzhaus der Flüchtlinge. "Meine Frau hat Angst", sagt er. "Sie ist unsicher. Ich weiß nicht, wie es auf einen irakischen Mann oder auf einen Haufen alleinstehender Männer wirkt, wenn auf dem Nachbargrundstück mehrere Frauen zusammen im Sommer im T- Shirt in kurzer Hose auf der Terrasse sitzen und da Kaffee trinken. Und die ganze Zeit dann beobachtet werden."

 

So wie er argumentieren auch andere. Sie warnen vor vermeintlichen kulturellen Unterschieden, fühlen sich bedroht. Zu eng sei es auf dem kleinen Grundstück. David Oruzgani, stellvertretender Bürgermeister von Escheburg, hat in den vergangenen Wochen viele Gespräche geführt. Er ging auf die Nachbarn zu, versuchte sie zu überzeugen, dass die Flüchtlinge eine Chance verdient hätten. "Die waren sauer. Die waren auch hilflos", sagt Oruzgani. "Und wir mussten uns alles Mögliche anhören: dass wir schuld sind, dass sie Asylanten hier nicht haben wollen. Die haben Asylbewerber gleich gestellt mit Kriminellen und Kinderschändern."

 

"Sind Asylsuchende keine Nachbarn?"

 

Von außen ist am Haus der Brand kaum zu erkennen. Drinnen sieht man das ganze Ausmaß des Brandanschlags. Brigitte Mirow, die Flüchtlingsbeauftragte des Amtes Hohe Elbgeest, hat das rote Doppelhaus ausgewählt und im Auftrag des Landkreises gekauft. 112 Flüchtlinge hat sie bislang erfolgreich in Wohngebieten untergebracht. Gewalt gab es angeblich nie. Bis jetzt. Dass die Bebauung hier zu eng sei zu den Nachbarn - für Mirow nicht nachvollziehbar. "Sind Asylsuchende keine Nachbarn? Sie sind genauso Menschen wie wir. Warum soll ich einen größeren Abstand zu diesen Menschen halten als zu deutschen Nachbarn?" meint Mirow.

 

Bürgermeister Rainer Bork räumt ein, Fehler in der Kommunikation gemacht zu haben. "Dass Flüchtlinge in dieses Haus einziehen sollen, wurde sehr kurzfristig entschieden. Da hat es etwas gehakt. Aber das berechtigt ja nicht gleich, die Hütte anzustecken", meint Bork. Dennoch stellt sich der Bürgermeister vor die Anwohner: der Anschlag sei die Tat eines Einzeltäters, eine rechtsextreme Szene gebe es nicht in Escheburg. Doch genau das hat der Anschlag gezeigt: Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit gibt es auch weit jenseits einer rechtsextremen Szene.