Mit der „Alternative für Deutschland“ ist 2014 eine neue rechts- und nationalkonservative Partei in drei Landesparlamente sowie ins Europaparlament eingezogen. Ein jüngst erschienenes Sachbuch untersucht die Rechtsaußen- und rechtspopulistischen Tendenzen der AfD.
Die AfD versuche zwar, sich vom Rechtsextremismus abzugrenzen und will auch nicht dem Rechtspopulismus zugeordnet werden. Sie habe Zulauf von ehemaligen CDU- und FDP-Anhängern, diene aber ebenso als neues Auffangbecken für den äußersten rechten Rand, wird in dem Buch „Die rechten Mut-Bürger“ von Alexander Häusler und Rainer Roeser festgehalten. Dem Düsseldorfer Sozialwissenschaftler Häusler zufolge bietet die AfD neben elitär-wirtschaftsliberalen Euro- und EU-Skeptikern auch politisch heimatlos gewordenen Nationalkonservativen, neurechten Kräften sowie früheren Mitgliedern rechtspopulistischer Kleinparteien ein parteipolitisches Dach. Alle drei die AfD tragenden politischen Milieus weisen laut Häusler eine „populistische Anti-Establishment-Attitüde“ auf, wie den Status als „politischer Außenseiter“ im Gegensatz zu den „Altparteien“, eine sich „als antipolitisch inszenierende Kraft von Leuten mit ‚Sachverstand’ gegen die ‚Kaste’ von ‚Berufspolitikern’“, das Beharren auf eigene „Ehrlichkeit“ im Gegensatz zu den Lügen von Medien und Politikern.
Sinnbildlich für diese Stoßrichtung stehe die Identifikationsparole der AfD „Mut zur Wahrheit“, mit der die „Politikerkaste“, eine angeblich fehlende kritische Distanz der Medien sowie die „Political Correctness“ und die damit verbunden Denkverbote „in unseren Gehirnen“ angeprangert werden, und wie es auch auf der AfD-Homepage steht. Die AfD als selbst erklärte Partei der Mut-Bürger erweise sich „als parteipolitischer Anker wie zugleich als politischer Marker dieses national orientierten und rechtsgerichteten Wutbürgertums“, hält Häusler fest. Sie biete sich als Ventil für allgemeine Politikverdrossenheit und Wut an und bediene in rechtspopulistischer Manier ein Milieu in der selbst verorteten Mitte der Gesellschaft, in dem sich unter anderem Wohlstandschauvinismus mit fremdenfeindlichen Ressentiments treffen. Deutlich wurde dies auch im Wahlkampf in den ostdeutschen Bundesländern, als die AfD sich sozusagen als Anwalt des Volkes inszenierte und den Wählerinnen und Wählern ein Protestventil und die passenden Feindbilder anbot: die so genannten „Altparteien“ und die Flüchtlinge – in den Wahlergebnissen zahlte sich diese Strategie bekanntlich aus.
„Wutbürger-Revolte mit wohlstandschauvinistischem Einschlag“
Die rechtspopulistischen Tendenzen der AfD werden in dem Buch mit zahlreichen Beispielen aus den Wahlprogrammen der Landesverbände sowie Verlautbarungen – und Entgleisungen – von führenden Parteimitgliedern belegt. Das AfD-Manifest, das auf der Homepage der Partei abrufbar ist, sei „eine Ansammlung von Slogans aus dem propagandistischen Arsenal des europafeindlichen Rechtspopulismus“, mithin ein „sprichwörtlich reaktionärer Aufruf zur Wutbürger-Revolte mit deutlich wohlstandschauvinistischem Einschlag“, heißt es. Publizistische Unterstützung erfährt die AfD von Beginn an durch die rechtslastige Wochenzeitung „Junge Freiheit“, die sich zu einer Art „informeller Parteizeitung“ entwickelt habe. Das neurechte Magazin „Sezession“ und die extrem rechte Monatszeitschrift „Zuerst!“ dienten AfD-Spitzenfunktionären bereits als publizistische Bühne. Viel Sympathie für die AfD zeigt auch die „Preußische Allgemeine Zeitung“, und verschafft ihr so den Zugang zum rechten Vertriebenen-Milieu.
Die AfD ist nicht im luftleeren Raum entstanden und auch kein neues Phänomen. Die Autoren des Bandes werfen den Blick auf diverse rechte Vorläuferparteien, aus deren Potenzial sich die AfD in vielerlei Hinsicht speist. So werden Gemeinsamkeiten und personelle Kontinuitäten der AfD im Hinblick auf den vom Verfassungsschutz beobachteten Bund Freier Bürger (1994-2000) beschrieben. Personelle und inhaltliche Schnittmengen zeigen sich zur kurzlebigen Rechtspopulisten-Truppe des damaligen Shootingstars Ronald Barnabas Schill, die 2001 in Hamburg mit 19,4 Prozent und 25 Sitzen in die Bürgerschaft einzog und in der Koalition mit der CDU regierte. Der Hamburger AfD-Landesverband besteht zum Teil aus früheren Schill-Anhängern, der frühere Schill-Innensenator kandidiert heute auf Platz 3 der AfD-Liste für die Bürgerschaftswahl. Großen personellen Zulauf haben mehrere AfD-Landesverbände vor allem aus den Reihen der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“, die aktuell hauptsächlich noch in Bayern aktiv ist. Eine erhebliche Anzahl von ehemaligen DF-Aktivisten sehen in der AfD eine „parteipolitische Alternative“, halten die Autoren fest.
Massive Richtungskämpfe und Querelen
Aller Erfolge bei den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern und der Europawahl im vergangenen Jahr zum Trotz verfügt die AfD auch zum zweiten Jahrestag ihrer Gründung immer noch nicht über ein ausgereiftes Parteiprogramm. Der innerparteiliche Zustand ist geprägt von massiven Richtungskämpfen und Querelen. Für Ende dieses Jahres ist zwar ein Programmparteitag geplant – der rechte Flügel der AfD dürfte dabei wohl nicht den Kürzeren ziehen.
Für die Einschätzung und die Auseinandersetzung mit der AfD leistet der jüngst erschienene Band „Die rechten ‘Mut’-Bürger“ hilfreiche Dienste. Positiv hervorzuheben ist auch ist die große Sachkundigkeit der Autoren, die sich seit Jahren mit der Entwicklung, Positionierung und ideologischen Verortung der selbst ernannten „Alternative für Deutschland“ befassen. Der ungebrochene Rechtstrend der AfD wird hier mit vielerlei Fakten belegt. Angemerkt werden soll aber noch, dass es sich bei dem Sachbuch um eine wissenschaftlich angelegte Untersuchung handelt, was naturgemäß die Lesbarkeit und damit den Zugang für ein breiteres Publikum erschwert.
Alexander Häusler/Rainer Roeser, Die rechten „Mut“-Bürger – Entstehung, Entwicklung, Personal & Positionen der „Alternative für Deutschland“, Hamburg 2015, VSA-Verlag, 160 Seiten, 12,80 Euro; ISBN 978-3-89965-640-4.