Legida in Leipzig: Die Mär von den 15.000 Teilnehmern

Erstveröffentlicht: 
23.01.2015

Bei der Legida-Demonstration waren viel weniger Teilnehmer als bisher angenommen. Anhand hochauflösender Bilder haben Leipziger Fotografen die Zahl der Menschen untersucht. Statt der offiziellen 15.000 kommen sie auf weniger als 5000.

 

Leipzig/Berlin - Mehrere Pressefotografen bezogen am vergangenen Mittwoch mitten in Leipzig Stellung - unter anderem auf dem Dach des 13-stöckigen Europa-Hochhauses. Von dort aus hatten sie freie Sicht auf den Augustusplatz vor der Leipziger Oper, wo sich Anhänger der islamfeindlichen Bewegung Legida versammelten.

 

 

Von ihrer erhöhten Position aus schossen die Fotografen Übersichtsbilder von der Legida-Auftaktkundgebung. Unter den Journalisten waren viele, die schon häufig Menschenansammlungen auf diesem Platz von dieser Stelle aus fotografiert hatten. Zum Zeitpunkt des Demonstrationsbeginns schätzten sie die Zahl übereinstimmend als "relativ kläglich" ein - keinesfalls seien es, wie Stadt und Polizei offiziell verlautbaren ließen, 15.000 Menschen gewesen.

 

Inzwischen haben die Fotografen ihre Bilder genauer ausgewertet. Dazu legten sie über die hochauflösenden Aufnahmen ein Raster und markierten darin jeden einzelnen Teilnehmer. Die Auszählung eines dpa-Fotos, aufgenommen am 21. Januar um 19.16 Uhr, zeigt: in keinem der 122 Felder sind mehr als 35 Personen zu erkennen. Damit wäre die Gesamtzahl der Teilnehmer kurz vor Beginn der Demonstration maximal 4270 gewesen. Nach Angaben der "Leipziger Volkszeitung", deren Reporter das Geschehen in einem Liveticker dokumentierten, setzte sich der Demonstrationszug 14 Minuten später in Bewegung. Also um 19.30 Uhr.

 

Die Fotografen und Augenzeugen vor Ort halten es für "ausgeschlossen, dass sich die Zahl der Demonstranten in dieser kurzen Zeit mehr als verdreifacht haben könnte". Dafür hätten zusätzliche 10.000 Menschen auf den Platz strömen müssen. Und auch der Hinweis, dass eine größere Gruppe Legida-Demonstranten wegen eines Brandanschlags auf die Zugstrecke Dresden-Leipzig verspätet eintraf, fruchtet nicht. Laut Augenzeugen war sie um 19.16 Uhr bereits auf dem Augustusplatz angekommen.

 

Während der Demonstrationszug unterwegs war, so Beobachter, hätten sich keine nennenswert großen Gruppen mehr angeschlossen. Verspätet angereiste Legida-Demonstranten seien den Angaben zufolge nur einzeln oder in Kleinstgruppen zu dem durch Polizei weiträumig gesicherten Marsch vorgelassen worden.

 

Die Legida-Organisatoren hatten zunächst 60.000 Demonstranten angemeldet, diese Zahl später jedoch auf "ca. 30.000 bis 40.000" korrigiert. Nach der Demonstration teilte die Polizeidirektion Leipzig schließlich mit, dass sich insgesamt "ca. 15.000 Menschen dem Legida-Aufzug" angeschlossen hätten.

 

Die Zahl, so erklärte die Leipziger Polizei auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE, sei mithilfe von zwei Methoden ermittelt worden. Zum einen habe man anhand von Luftaufnahmen der Polizeihubschrauber eine sogenannte Dichteberechnung vorgenommen, bei der die Anzahl der Demonstranten auf einer bestimmten Quadratmeter-Fläche gemessen und hochgerechnet wurde. Herausgekommen sei eine "Zahl im 14.000er-Bereich".

 

Zusätzlich habe man eine "Reihenzählung" vorgenommen: Beamte entlang der Demonstrationsstrecke hätten dabei die Reihen der vorbeilaufenden Protestler registriert und mit der durchschnittlichen Anzahl der in Reihe marschierenden Personen multipliziert. Daraus hätte sich eine Zahl "von mehr als 15.000" ergeben.

 

Am Ende hätte man aus den Resultaten von "Dichteberechnung" und "Reihenzählung" einen Mittelwert von "etwa 15.000" errechnen können. Die Leipziger Polizei legt Wert auf die Feststellung, dass "zu keiner Zeit" und "von keiner Seite" versucht worden sei, Einfluss auf die veröffentlichten Zahlen zu nehmen. Die Veröffentlichung sei "nach bestem Wissen und Gewissen" erfolgt, so ein Polizeisprecher.

 

 

Die Berechnungen der Fotografen decken sich mit Untersuchungen der Universität Leipzig, über die die "Leipziger Volkszeitung" berichtet. Auch die Wissenschaftler kamen demnach zu dem Schluss, dass an der Legida-Demonstration "maximal 5000 Menschen teilgenommen" haben könnten.

 

Verwundert äußerte sich auch der Berliner Protestforscher Dieter Rucht zu früheren von der Polizei veröffentlichten Teilnehmerzahlen der Pegida. Nach Zählungen und Schätzungen seiner Teams seien es in Dresden zuletzt 18.000 und nicht 25.000 Teilnehmer gewesen und bei der ersten Demonstration in Leipzig 2000 statt 4000.

 

Im Vorfeld der Demonstration hatte das Legida-Umfeld die Zahl von 10.000 Teilnehmern zur Schicksals-Marke erklärt: Der rechtspopulistische Verleger Jürgen Elsässer etwa erklärte: Wenn in Leipzig über 10.000 Menschen auf die Straße gebracht werden könnten, sei "sonnenklar, dass Dresden kein Sonderfall ist, sondern nur die Initialzündung für ein nationales Lauffeuer". Werde "Leipzig fünfstellig", so Elsässer, würden "als nächstes auch weitere Oststädte die Tausendermarke knacken."