Die Rechtspopulisten-Truppe „pro NRW“ ist damit gescheitert, bei den nordrhein-westfälischen Rettern des „Abendlandes“ die Zügel in die Hand zu bekommen – Parteichef Markus Beisicht hat derzeit ohnehin mit Unbill in den eigenen Reihen zu kämpfen.
Eigentlich, könnte man meinen, waren die Zeiten lange nicht so günstig für eine Partei wie „pro NRW“. Zu Tausenden gehen Leute in Dresden oder Leipzig auf die Straße, die das Zerrbild einer „Islamisierung“ an die Wand malen, gegen Asylbewerber wettern, ihre Verachtung demokratischer Politiker (und demokratischer Prinzipien), ihr blankes Unverständnis, was die Rolle unabhängiger Medien anbelangt, in den Abendhimmel schreien. Und „pro NRW“? Profitiert nicht etwa von diesem Klima, sondern demonstriert, dass es ganz sicher nicht die sich hochtrabend „Bürgerbewegung“ nennende Kleinpartei aus dem Rheinland ist, die sich anschicken könnte, zu einer relevanten recht(spopulistisch)en Kraft zu werden.
Montagabend in Düsseldorf: Knapp 150 Teilnehmer sind zum „Abendspaziergang“ von „Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Dügida) zum Hauptbahnhof gekommen. Ohne rechte Hooligans, ohne die Funktionäre der NPD, wie etwa die stellvertretende Landeschefin Ariane Meise, oder der kleinen Neonazi-Partei „Die Rechte“ wäre das Häuflein noch kleiner. Die Leute von „pro NRW“ sind hier wichtig unterwegs. Der stellvertretende Vorsitzende Markus Wiener etwa, der seine Partei als „Pionier der politischen Islamkritik“ verkaufen will. Oder Dominik Roeseler, ebenfalls Parteivize und bis zum vorigen Herbst bei den „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) aktiv; sein Wort zählt bei manchen gewaltgeneigten Hools immer noch. Und nicht zuletzt „pro NRW“-Vorstandsmitglied Melanie Dittmer, die wegen ihrer Neonazi-Vergangenheit, ihrer Unfähigkeit, sich davon zu distanzieren, und ihrer egomanen Neigungen dafür gesorgt hat, dass sich vor zwei Wochen das nordrhein-westfälische Organisationsteam der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) spaltete. Ihr Projekt Dügida schrumpft.
Der „Antisemitenblock“ ganz hinten
Montag, zwei Zugstationen weiter: Die, die mit Dittmer & Co. nichts zu schaffen haben wollen, haben zum „Abendspaziergang“ in Duisburg aufgerufen. Pegida funktioniert wie eine Art Franchise-System: Wer sich Pegida nennen will, muss Gnade in den Augen der Dresdner Führungsriege gefunden haben. Die, die in Duisburg die Fäden in der Hand halten, können sich als die „offiziellen“, von Dresden lizenzierten „Abendlandretter“ fühlen. Auch hier ist man nach rechtsaußen offen: „Die Rechte“ ist mit einer Abordnung, vor allem aus Dortmund, vertreten. NPD-Landeschef Claus Cremer schlendert durch die Reihen und entert mal kurz die Bühne (darf dann aber doch nicht ans Mikro). Neonazis vom Mittelrhein schwenken ihre Fahne, diskutieren vor der Demo, dass man sich geschlossen ganz hinten einreihen solle, um dort, sagt einer von ihnen, sozusagen den „Antisemitenblock“ zu bilden. Die rechten Hools, die es schon vorher immer in Richtung der Gegendemonstranten gezogen hat, sind erkennbar froh, dass sie am Ende des „Abendspaziergangs“ endlich ihre „Deutschland, Deutschland!“-Gesänge anstimmen können.
Neonazis, Hooligans, NPDler und „Die Rechte“-Funktionäre sind bei Pegida in Duisburg ebenso wie bei Dügida rheinaufwärts zu finden. Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Veranstaltungen: Unter den rund 500 Teilnehmern in Duisburg fallen sie weniger auf als in dem viel kleineren Auflauf in Düsseldorf oder bei einer ähnlichen „pro NRW“-dominierten Aktion am vorigen Mittwoch in Köln. (bnr.de berichtete)
Der gescheiterte Versuch, bei den nordrhein-westfälischen Bewahrern des „Abendlandes“ die Zügel in die Hand zu bekommen, ist nicht die einzige Schlappe, die „pro NRW“-Chef Markus Beisicht dieser Tage zu beklagen hat. In Duisburg gingen ihm drei der vier Ratsmitglieder seiner Partei von der Fahne. Und nebenbei ging dort einmal mehr der Anspruch, eine seriöse politische Kraft zu sein, flöten. Schuld daran ist „pro NRW“-Geschäftsführer Detlev Schwarz, der sich offenbar Hoffnung auf einen bezahlten Job bei der Duisburger Fraktion gemacht hatte.
Persönlicher Affront gegen Beisicht
Als daraus nichts wurde, war er so ungeschickt, auf dem Anrufbeantworter des vormaligen Fraktionschefs Mario Malonn eine Suada voller Beschimpfungen und Drohungen zu hinterlassen. Von Malonns Anrufbeantworter fanden Schwarz' Ausfälle den Weg zu Youtube. Wer immer die Schimpfkanonade verlinkt, muss nun mit damit rechnen, dass das Duo Schwarz/Beisicht gegen ihn juristisch zu Felde zieht. Aus der Welt zu bekommen ist das Lehrbeispiel, wie „seriöse Rechtsdemokraten“ zuweilen untereinander kommunizieren, aber nicht mehr.
Gar als ganz persönlichen Affront muss Beisicht wohl auffassen, was sich in seiner Partei rund um Wuppertal tut. Einige Funktionäre streben offenbar eine Wiederannäherung an „pro Deutschland“ an, speziell an „pro D“-Chef Manfred Rouhs und seinen Generalsekretär Lars Seidensticker, die beide auf Beisichts persönlicher Feindesliste stehen dürften – spätestens seit er sie wegen ihrer Teilnahme an der Bundestagswahl 2013 gerüffelt hatte.
Andre Hüsgen, „pro NRW“-Bezirksvorsitzender im Bergischen Land und Ratsmitglied in Remscheid, seine Lebensgefährtin Claudia Bötte (vormals Claudia Gehrhardt), Kreisvorsitzende und Ratsmitglied in Wuppertal, und Christoph Schmidt, Ratsmitglied in Witten, nahmen freilich auf derlei persönliche Animositäten ihres Parteichefs wenig Rücksicht. Sie trafen sich zum Bier mit Rouhs und Seidensticker am vorletzten Wochenende. Damit nicht genug, wirkten sie am folgenden Tag an einer Videoproduktion von Rouhs mit. Und auch das reicht noch nicht: Seidensticker, der im Bundestagswahlkampf Beisicht öffentlich veralbert hatte (bnr.de berichtete), soll Kandidat der örtlichen „pro NRW“-Gruppe bei der Oberbürgermeisterwahl in Wuppertal werden.
Zweifel an organisatorischen Vorgaben der „pro NRW“-Spitze?
Man darf das als Retourkutsche verstehen: Unmittelbar nach einem „pro NRW“-Parteitag im Dezember hatte sich Hüsgen in einer internen Facebook-Gruppe bitterlich beklagt: „Unser Bezirksverband Bergisches Land ist heute auf dem Parteitag in einer Art und Weise gedemütigt worden, die mir die Sprache verschlagen hat.“ Man solle sich „künftig ausschließlich auf die Arbeit hier vor Ort fokussieren“. Bötte kommentierte, ihr sei „die ganze scheiße eh egal. ich hab meine fraktion in wuppertal“.
Politische Differenzen sind es nicht, die „pro NRW“ auseinandertreiben. Jene Mitglieder, die in Duisburg bei Pegida mitlaufen, denken nicht anders als die, die bei Dügida unterwegs sind. Die „Abtrünnigen“ in Duisburg sind so migranten- und islamfeindlich wie die, die ihren Parteiausweis behalten haben. Und auch die Wuppertaler Abweichler – alle drei mit einer Vergangenheit in oder bei der NPD – unterscheiden sich nicht sehr von „pro NRW“-Neumitglied Dittmer, das zur parteiinternen Karriere ansetzt. Was aber alle Konflikte gemein haben: Die Zweifel, dass taktische oder organisatorische Vorgaben der „pro NRW“-Spitze – und das ist stets Beisicht – prinzipiell weise sind, die sind gewachsen.