FDP und Union wollen die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern - nun fürchtet der RWE-Konzern Auseinandersetzungen und warnt vor "bürgerkriegsähnlichen Zuständen". Derweil berichtet das Prognos-Institut, dass die Atomkraft international auf dem Rückzug sei.
Der Energieversorger RWE fürchtet in den kommenden Jahren massive Auseinandersetzungen um die Atomkraft in Deutschland. In Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, habe RWE-Chef Jürgen Großmann um Gespräche mit beiden gebeten, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". "Sicherlich sollte ein Thema sein, wie wir bürgerkriegsähnliche Zustände bei der Kernenergie in Zukunft vermeiden können", zitiert die Zeitung aus dem Schreiben.
Künast sagte, die Atomkraftwerksbetreiber hätten den mühsam errungenen Atomkonsens einseitig aufgekündigt. "Den heraufziehenden Konflikt schaffen Herr Großmann und Co. – nicht die Menschen, die von ihrem demokratischen Recht auf Meinungsfreiheit, ihrem Demonstrationsrecht und dem schlichten Recht, den Stromanbieter zu wechseln, Gebrauch machen."
Noch keine Einigung bei LaufzeitenUnion und FDP wollen indes die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängern. Darauf verständigten sie sich auf Arbeitsgruppenebene in ihren Koalitionsverhandlungen. Allerdings werden sie die Verlängerung der Laufzeiten voraussichtlich ohne konkrete Daten festschreiben. Einig seien sich beide Seiten grundsätzlich, dass keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden sollten, dass die Sicherheit Priorität habe und die Atomtechnologie als Überbrückung dienen solle, verlautete nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Zunächst solle ein Energie-Gesamtkonzept erstellt werden. Offen sind auch der
Damit sind sich Union und FDP nach gut einwöchigen Verhandlungen noch immer uneins über die genauen Laufzeiten von Atomkraftwerken. Sie wollen ein umfassendes Energiekonzept erstellen, das nach Unionsangaben die Basis zur Berechnung der jeweiligen Laufzeit-Verlängerung bilden soll. Diese Prüfung könnte aber bis 2010 dauern. Kriterium für jeden der 17 Atommeiler sollen EU-weite Sicherheitsstandards sein. Wo sie von den Betreibern Eon, RWE, Vattenfall und EnBW nicht eingehalten werden, erlischt die Betriebs-Genehmigung.
Gorleben erkunden, Asse schließenDie Förderung erneuerbarer Energien von Wind- bis Sonnenkraft soll möglichst früh auf den Prüfstand. Insgesamt sollen diese Energiearten ausgebaut werden, aber das Ausmaß der Förderung von Solaranlagen etwa auf Äckern voraussichtlich zurückgefahren werden.
Einigkeit gab beim Thema Endlagerung: So soll das niedersächsische Salzbergwerk Gorleben sofort als mögliches Atommüll-Endlager erkundet und der von Rot-Grün bis Herbst 2010 verhängte Erkundungsstopp aufgehoben werden. Das geht aus den Vereinbarungen der Umwelt-Arbeitsgruppe hervor. Darin heißt es: "Eine verantwortungsvolle Nutzung der Kernenergie bedingt auch die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle" aus Kernkraftwerken.
Die maroden Endlager Asse und Morsleben sollen zügig geschlossen werden. "Die Energieversorger sind an den Kosten zu beteiligen." Die Ergebnisse sollen in die laufenden Beratungen der großen Koalitionsrunde einfließen.
Atomkraft auf dem RückzugDie Kernkraft ist nach Auffassung des Schweizer Prognos-Instituts international auf dem Rückzug. Anders als vielfach erwartet werde es in den nächsten 20 Jahren keine Renaissance der Kernenergienutzung geben, heißt es in einem Gutachten des Instituts, das der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt. Im Auftrag des Bundesumweltministeriums hätten die Prognos-Experten untersucht, wie sich angesichts zahlreicher geplanter Reaktorneubauten der Bestand an Kernkraftwerken entwickeln werde, berichtet die Zeitung.
Dieser werde wegen des Alters der Reaktoren sukzessive sinken, erwartet das Institut. "Altersbedingte Abschaltungen" führten dazu, "dass die Zahl der Reaktoren, die installierte Leistung und die Stromerzeugung in Kernkraftwerken deutlich zurückgeht". Dadurch reduziere sich die Zahl der weltweit betriebenen Kernkraftwerke bis 2020 um 22 Prozent, bis 2030 um 29 Prozent.
Derzeit sind weltweit 436 Kernkraftwerke in Betrieb. Zahlreiche Länder hatten in den letzten Jahren angekündigt, neue Reaktoren errichten zu wollen. Die Prognos-Forscher erwarten aber, dass nur rund 35 Prozent der Projekte realisiert werden. Gründe seien häufig Probleme bei der Finanzierung oder politische Instabilität.