AfD-Fraktionschef Gauland schließt Abgeordneten Weiß aus

Erstveröffentlicht: 
26.09.2014

Weiß bleibt dennoch weiter im Landtag

"Das ist 'Stürmer'-Niveau. Das dulden wir nicht." Mit diesen Worten trennt sich AfD-Fraktionschef Alexander Gauland von Nachrücker Jan-Ulrich Weiß, nachdem dieser mit antisemitischen Facebookeinträgen aufgefallen ist. Für die anderen Fraktionsmitglieder mit Vergangeheit in einer Rechtsaußen-Partei bitte er um eine 2. Chance - und zeigt dabei auf die Linken.

 

Brandenburgs AfD steht vor einer Zerreißprobe: Wegen seines antisemitischen Facebook-Eintrags werde die AfD-Fraktion Jan-Ulrich Weiß aus ihren Reihen ausschließen. Das teilte Fraktionschef Alexander Gauland dem rbb am Freitag mit. Er zog damit die Konsequenzen aus einem Streit mit Weiß: Gauland hatte versucht, den Nachrücker davon zu überzeugen, sein Landtagsmandat und damit auch die Mitgliedschaft in der AfD-Fraktion freiwillig niederzulegen. Doch Weiß erklärte am Freitag, er werde sein Landtagsmandat dennoch antreten.

 

Gauland: "Wir können nicht alle Mitglieder durchleuchten"

 

Im Inforadio des rbb sagte Gauland am Samstag, man habe vor der Wahl nicht alle Kandidaten auf der Landesliste bis ins letzte Detail überprüfen können. "Man muss sich natürlich die Leute der eigenen Partei näher anschauen, aber es gab keinerlei Hinweis dass hier jemand ist, der Dinge im Kopf hat, die nahe bei der NPD liegen."

 

Dass die AfD-Fraktion an ehemaligen Mitgliedern der Rechtsaußen-Partei "Die Freiheit" festhält verteidigte Gauland hingegen. Diese hätten sich "nichts vorzuwerfen", da sie sich von ihrer früheren Partei distanziert haben. Zudem habe jeder eine zweite politische Chance verdient. "Wir akzeptieren ja auch zweite Chance von Linken, die früher für Mauer und Stacheldraht verantwortlich waren." 

 

"Das ist Stürmer-Niveau"

 

Weiß hatte im Internet einen antisemitischen Facebook-Eintrag veröffentlicht und sich abfällig über den NSU-Prozess geäußert. Das Profil ist mittlerweile auf der Seite gelöscht. Weiß selbst äußerte sich nicht.

Nach dem Treffen mit Weiß sagte Gauland dem rbb: "Das kann ich überhaupt nicht akzeptieren, das ist 'Stürmer'-Niveau. Und das dulden wir nicht in der Partei und werden alles tun, dass solche Menschen nicht bei uns in der Partei sind." Damit schrumpft die AfD-Fraktion von elf auf zehn Sitze.

Weiß soll als Nachrücker für den zurückgetretenen AfD-Abgeordneten Stefan Hein ins Parlament einziehen. Hein hatte sich zurückgezogen, weil er dem "Spiegel" Material über angebliche Zerwürfnisse in der AfD-Fraktion geliefert hatte.

 

"Wir sind geschiedene Leute" - Landesvorstand berät über Parteiausschluss

Damit hat die Partei nur zwei Tage nach Heins Rücktritt ihr nächstes Problem. Bereits am 2. September war auf Weiß' Facebook-Seite der nun diskutierte Eintrag mit antisemitischen Verschwörungstheorien veröffentlicht worden: Links oben ein Foto des Bankiers Jacob Rothschild, rechts ein Bild der ihm ähnlich sehenden Zeichentrick-Figur Montgomery Burns aus der Serie "Die Simpsons". "Wir haben weltweit so gut wie jede Zentralbank in Besitz. (...) Wir steuern deine Nachrichten, Medien, Öl und deine Regierung...DU HAST WAHRSCHEINLICH NIE VON MIR GEHÖRT..." steht darunter. Inzwischen ist das Facebook-Profil gelöscht. Weiß wollte sich bis zum frühen Nachmittag zu dem Account nicht äußern.

Gauland deutete am Freitag im rbb an, dass Weiß nicht nur aus der Fraktion ausgeschlossen werde, sondern dass er - ginge es nach ihm - auch die AfD verlassen müsse: "Das dulden wir nicht in der Partei und werden alles tun, dass solche Menschen nicht bei uns in der Partei sind." Das ist aber noch nicht endgültig entschieden. Weiß werde jedenfalls nicht Teil der politischen Arbeit der AfD, betonte der Fraktionschef: "Wir sind geschiedene Leute." Weiß erklärte dem rbb, über einen möglichen Ausschluss von Weiss, der auch AfD-Kreisvorsitzender in der Uckermark ist, werde nun im Landesvorstand beraten.


NSU-Verfahren ein "Schauprozess"

Der Politikwissenschaftler Gideon Botsch vom Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam hält Weiß' Eintrag für gefährlich: "Der Text ist die Wiedergabe uralter, antisemitischer Verschwörungsmythen über ein jüdisch bestimmtes Weltkapital", sagte Botsch am Freitag dem rbb. "Es zeigt, was für Kräfte die AfD hier aufsammelt, mit ihren stetigen Beteuerungen sie sei ja keine rechtsextreme Kraft. Aber sie ist eben ein Anzugspunkt – und das zeigt sich offensichtlich auch im näheren Umfeld einiger ihrer Abgeordneter."

Weiß teilte auf seiner Seite auch einen Bericht über den Prozess gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin mit der Überschrift: "Ex-V-Mann schmäht NSU-Verfahren als Schauprozess". Den Prozess kommentierte Weiß auf seiner Seite mit den Worten: "Mehr ist es auch nicht."

 

In seiner Bewerbung um ein Mandat im Landtag beschrieb Weiß sich als "Familienvater einer Großfamilie, geborener Uckermärker, ehrlich, geradeaus und bodenständig". Was seine Arbeit im Landtag angehe habe er "nichts zu verlieren." Bereits am Freitagvormittag hatte der Templiner dem rbb erklärt, er wolle das Mandat annehmen.

 

Weiß wegen Verdachts auf Volksverhetzung angezeigt

Die Fraktionschefs der Parteien im Potsdamer Landtag verlangten unmittelbar nach Bekanntwerden der Facebook-Einträge Weiß' Ausschluss aus der AfD-Fraktion. Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Axel Vogel zeigte Weiß am Freitag wegen des Verdachts auf Volksverhetzung an. "Wer Karikaturen in Stürmer-Manier verbreitet, ist im brandenburgischen Landtag fehl am Platz", sagte Vogel. Auch die Fraktionsspitzen von SPD und Linken im Potsdamer Landtag forderten Gauland auf, dafür zu sorgen, dass Weiß sein Abgeordnetenmandat nicht antritt.

 

Das Gespräch mit Jan-Ulrich Weiß ist bereits Gaulands zweites Krisentreffen innerhalb weniger Tage. Zuvor bewegte er den AfD-Abgeordneten Stefan Hein dazu, auf dessen Mandat zu verzichten. Hein ist der Sohn seiner Lebensgefährtin. Er hatte eingeräumt, dem "Spiegel" heimlich Informationen für eine AfD-kritische Geschichte gegeben zu haben. Am Donnerstag erklärte er seinen Rücktritt. "Es ist Ausdruck eines persönlichen menschlichen Versagens. Es gibt Menschen, die plötzlich in einer bestimmten Situation politisch und charakterlich versagen", kommentierte Gauland das Verhalten seines Stiefsohns. "Und diesen Fall haben wir hier."

 

Mit Informationen von Alex Krämer

 



Das sind die Neuen von der AfD

 

    Alexander Gauland (AfD)

  • Alexander Gauland, 73, Landesvorsitzender und Zugpferd der Brandenburger AfD, lebt in Potsdam. Der promovierte Jurist wurde in Chemnitz geboren, floh 1959 in die Bundesrepublik. Er war 40 Jahre lang Mitglied der CDU und leitete u.a. die hessische Staatskanzlei. Von 1991 bis 2006 war er Herausgeber der Märkischen Allgemeinen Zeitung und genoss in konservativen Kreisen hohe Wertschätzung. Im Wahlkampf geriet er aber in die Kritik, als er von der "Entstehung riesiger Ausländerghettos" sprach.

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  • Rainer van Raemdonck, stellvertretender Vorsitzender der AfD, wohnt in Falkensee im Havelland. Er war laut Medienberichten auch im Bundesverband der AfD umstritten, da er früher Landesvize der rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit" war. Diese wurde im Jahr 2010 vom abtrünnigen CDU-Politiker René Stadtkewitz gegründet und driftete in radikale Islamkritik und Fremdenfeindlichkeit ab, die im November 2013 in einer Kooperation mit den Republikanern mündete. Vor einem Jahr verhängte der Bundesvorstand der AfD einen weitreichenden Aufnahmestopp für Ex-Freiheit-Mitglieder, ostdeutsche Landesverbände widersprachen dem jedoch und pochten auf Einzelfallprüfungen. Dem Tagesspiegel sagte Raemdonck, er habe sich in der Partei "Die Freiheit" engagiert, weil er auf eine Art Sarrazin-Partei gehofft habe. Mit deren Islamkritik habe er aber nicht viel anfangen können.


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  • Steffen Königer, 42, kandidierte in Potsdam-Mittelmark und war ebenfalls früher in einer umstrittenen Partei aktiv. Im Jahr 1999 kandidierte er für den "Bund Freier Bürger" für den Brandenburger Landtag. Diese Partei stufte der Brandenburger Verfassungsschutz als nationalliberal ein, der niedersächsische Verfassungsschutz stellte sogar fest, dass die Partei "rechtsextremistische Elemente" enthalte. Von 2000 bis 2004 arbeitete er anschließend als Redakteur für die Wochenzeitung "Junge Freiheit", die als Sprachrohr der neuen Rechten gilt, ehe er sich mit einem Unternehmen selbstständig machte. In seinem Bewerberprofil auf der AfD-Homepage wird Königer selten konkret, nennt u.a. allgemein die Korrektur einer "verfehlten Familien- und Bildungspolitik" als Ziel.

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  • Für Andreas Galau, 46, wohnt in Hennigsdorf, ist die AfD schon die vierte Partei. 1985 trat er in die CDU ein, wechselte 1987 zu den Republikanern, denen der Verfassungsschutz von 1992 bis 2004 rechtsextremistisches Potential attestierte. Von 1992 bis 2013 war er schließlich FDP-Mitglied – allerdings ohne politisches Mandat.  Nach eigenen Angaben arbeitet Galau als Systemadministrator beim Berliner Senat. In Brandenburg möchte er sich u.a. dafür einsetzen, "Lieblingsprojekten linker Sozialromantik" wie "Gender-Religion oder Einheitsschule" drastisch die Mittel zu kürzen. Die freiwerdenden Gelder willl er in die Kriminalitätsbekämpfung stecken.

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  • Sven Schröder, 50, wohnt bei Beelitz und arbeitet als Generalübernehmer für den Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern. Der Politikneuling ist seit November 2013 Mitglied der AfD und engagiert sich zudem in einer Bürgerinitiative gegen Windkraft. In seinem Bewerberprofil fordert er u.a., dass es wieder erlaubt sein müsse, öffentlich über Atomkraft nachzudenken. Zudem wendet er sich gegen die Inklusion behinderter Schüler und will "Desaster wie den BER künftig unmöglich machen." Um das zu erreichen, empfiehlt er eine Art Rückzug der Politik: "Politiker haben sich nicht auf Felder zu begeben, die sie weder in der Theorie und schon gar nicht in der Praxis überschauen."

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  • Andreas Kalbitz, 42, wohnt in Königs Wusterhausen und war 14 Jahre lang Zeitsoldat bei der Bundeswehr, ehe er im Jahr 2008 ein Informatikstudium begann und ein Jahr später einen Hörbücher-Verlag gründete. Kalbitz war früher Mitglied der CSU, übte jedoch keine politischen Mandate aus, ist also auch ein Politneuling. Neben den AfD-Dauerbrennern steigende Kriminalität und regionale Wirtschaftsförderung spricht er auch soziale Themen an, fordert u.a. eine bessere Unterstützung ehrenamtlichen Engagements.

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  • Christina Schade, 48, aus Hoppegarten im Märkisch-Oderland, wird sich am Wahlabend wohl selbst verwundert die Augen gerieben haben. Erst seit fünf Monaten ist sie Mitglied der AfD – und schon zieht die Unternehmensberaterin aus Hoppegarten auf Listenplatz 11 in den Landtag ein. Positiver Nebeneffekt für die Partei: Die Frauenquote steigt mit ihr auf 18 Prozent. Als politische Ziele nennt sie: Aufklärung der Bürger über das Geldsystem, Verbesserung des Bildungssystems und "Schaffung mündiger, kritischer und selbstbestimmter Bürger".

  •  Leider kein Bild stellte uns die AfD von Thomas Jung, 56, zur Verfügung. Der in Potsdam lebende Rechtsanwalt war lange Jahre in der CDU, ehe er zur rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit" wechselte, dort sogar Landesvorsitzender in Brandenburg war. Von dieser Partei distanziert er sich zwar inzwischen, seine Forderungen klingen jedoch nach wie vor markig. So warnt er etwa: "Wenn wir nach allen Seiten offen sind, werden wir uns im Sinne von Sarazzin selbst abschaffen." Zudem tritt er für eine Ausweitung der direkten Demokratie, ein Ende der Schuldenpolitik und die konsequente Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländern ein.

  • Auch von Birgit Bessin, 36, erhielten wir leider kein Foto. Die Angestellte lebt im Nuthe-Urstromtal in Teltow-Fläming und arbeitet in einem mittelständischen Unternehmen im Bereich Steuern. Sie will vor allem in der Familienpolitik "neue politische Ziele definieren", die Entwicklung der jetzigen Politik betrachtet sie als gescheitert. Bessin hält dagegen mit Slogans, die auch bei manchen Anhängern der LINKEN salonfähig sind, zum Beispiel "Keine Einmischung in der Ukraine!" Die Skepsis gegenüber der Funktionsfähigkeit der Demokratie schürte sie, indem sie auf facebook AfD-Aufhänger aufrief, sich in Wahlbüros als "Wahlbeobachter" zu betätigen, um einen vermuteten Wahlbetrug einzudämmen.

  •  Der ebenfalls fotolose Stefan Hein, 30, hat wenige Tage nach der ersten Fraktionssitzung bereits sein Mandat niedergelegt. Laut Fraktionschef Alexander Gauland sei er der Informant für mindestens einen Medienbericht über die rechtsextreme Vergangenheit einiger AfD-Abgeordneter gewesen. Nachrücken soll nun Jan-Ulrich Weiß, 39, der allerdings, wenn er seinen Parlamentssitz antritt, nicht der Fraktion angehören wird. Der Landwirt aus Templin in der Uckermark hatte auf seiner facebook-Seite antisemitische Karikaturen verbreitet. Als dies bekannt wurde, kündigte die AfD an, ihn aus der Fraktion und wohl auch aus der Partei auszuschließen.

  •  Hier hätten wir Ihnen gerne Franz Wiese, 62, gezeigt. Die Nummer 3 auf der Landesliste der AfD lebt in Neutrebbin im Märkisch-Oderland, ist Berater für Textilfirmen und seit anderthalb Jahren Mitglied der AfD. Vorherige politische Erfahrung besitzt er nicht - vielleicht erklärt sich so seine interessante Ankündigung, dass er als Abgeordneter hauptsächlich im Land umherreisen und mit den Menschen sprechen wolle. Im Landtag selbst, schreibt Wiese weiter, wolle er nur anwesend sein, wenn das dringend erforderlich ist. Akten studieren und in Ausschüssen sitzen? "Das lasse ich meine Referenten machen."  

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  • Zum Abschluss der Bildergalerie noch ein paar interessante Zahlen, die den Erfolg der AfD in Brandenburg näher beleuchten. Der erste Befund überrascht wenig: Fast Zwei-Drittel der AfD-Wähler lassen sich dem Lager der Protestwähler zuordnen.

     

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  • Die Analyse der Wählerwanderungen birgt dagegen eine große Überraschung. Die AfD hat demnach nicht nur dem bürgerlichen Lager aus CDU und FDP 35.000 Stimmen abgejagt - auch die SPD und die Links-Partei verloren rund 30.000 Stimmen an die AfD.

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  • Auch dieser Befund überrascht: Mit ihren Wahlkampf-Themen Grenzkriminalität, Asylpolitik und Familienpolitik schien die AfD eher eine ältere Klientel anzusprechen. Gewählt wurde sie aber häufiger von jüngeren Wählern.

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  • Kompetenzen sprachen die AfD-Wähler der Partei vor allem in der Ausländerpolitik und der Kriminalitätsbekämpfung zu - hier artikuliert sich wohl auch die Unzufriedenheit vieler Wähler mit steigenden Kriminalitätszahlen und der rot-roten Polizeireform. Den im Rahmen dieser Reform vorgesehenen Personalabbau hat die SPD inzwischen übrigens weitgehend korrigiert, auch die Polizeireviere sollen entgegen den ursprünglichen Planungen weiter Nachts geöffnet bleiben.  

     

Stand vom 27.09.2014