[São Paulo] Vor der Weltmeisterschaft steht die Südzone São Paulos vor einer Räumungswelle

Demonstration Avenida Paulista

Kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft intensivieren sich die repressiven Aktionen des Staates gegen soziale Bewegungen. Die Kriminalisierung schreitet fort, Militante der Bewegungen werden überwacht, vor Gericht gestellt, bis hin zur “vorbeugenden” Festnahme in ihren Häusern – wie gerade in Goiás* geschehen und nun für Bundesstaaten wie Minas Gerais und São Paulo angekündigt.

 

Bei diesem Versuch den Widerstand zu schwächen, versucht die Regierung das Bedrohungsszenario der letzten Wochen zu nutzen, um die Besetzungen, die sich im letzten Jahr im Süden São Paulos gründeten, durch eine wahrhaftige Räumungswelle anzugreifen.

 

Am 20. Mai mobilisierte die Militärpolizei ihr Sondereinheiten (Tropa de Choque) nach Grajaú (Stadtgebiet im Süden São Paulos), wo sie in die erste Besetzung, die sich nach dem Juni 2013 im Jardim Porto Velho gründete, eindrangen und diese räumten, wie auch die Besetzung Ocupação Recanto da Vitória im Jardim Lucélia.

Als öffentliche Antwort auf die gewaltsame Räumung, entbrannte in der Nacht im Viertel eine Konfrontation zwischen den Bewohner*innen und der Polizei, mit Barrikaden, Plünderungen von Supermärkten und fünf verbrannten Bussen. Jedoch blieben diese Geschehnisse im extremen Süden der Stadt, die inmitten des wilden Streiks der Kassierer*innen und Busfahrer*innen stattfanden, unsichtbar.

 

Eine Woche später, am 29. Mai, agierte der Staat erneut und lies die Besetzung Ocupação Ayrton Senna im Jardim São Luís räumen. Das seit drei Monaten besetze Gelände gehört der CDHU** und war seit mehr als 10 Jahren verlassen.

 

Nach eigenen Aussagen, beabsichtigt die Militär Polizei alle Besetzung von staatlichem Land vor der Weltmeisterschaft zu räumen. Am Nachmittag des selben Tages tauchte ein Mitarbeiter der Justiz mit einem Räumungsbefehl bei der Besetzung Ocupação Jd. da União in Varginha auf, die ebenfalls ein Gelände der CDHU besetzt hält.

 

Zu erwähnen ist, dass Jd. da União eine sehr gefestigte Besetzung ist, mit verschiedenen selbstverwalteten Initiativen ihrer Bewohner*innen, wie einer Schneiderei Kooperative, Spanisch Kursen, Alphabetisierung, Capoeira und mehr.

 

Ein Teilerfolg

 

Am heutigen Morgen des 2. Juni, machten sich hunderte Familien der Ocupação Jd. da União auf den Weg zu einer Demonstration zur Avenida Paulista, um gegen die bevorstehende Räumung zu protestieren. Die Bewohner*innen trugen rote Kopftücher, als Zeichen, dass sie nicht friedlich, sondern eine kämpfende Bewegung sind. Einige trugen ihre Arbeitswerkzeuge, wie Hacken, Maurerhelme oder Hämmer, und verdeutlichten, dass sie eine Besetzung von Arbeiter*innen sind, die für ihre Rechte kämpfen.

 

Gegen 15 Uhr nachmittags besetzten hunderte Menschen den Sitz der CDHU an der Rua Boa Vista 176, im Zentrum São Paulos. Die Bewohner*innen der Besetzung erreichten das Gebäude mit Kühlschränken, Öfen, Essen und Matratzen, bereit, die notwendige Zeit dort zu verbringen, um eine Aussetzung der Räumung bis mindestens zum Ende des Jahres zu erreichen.

Mehr dazu hier und hier (beide links auf portugiesisch).

 

Ergebnis der heutigen Demonstration und der Besetzung der CDHU durch Familien von Jd. da União

 

Gegen 20 Uhr unterschrieb der Präsident der CDHU, zusammen mit Anwälten, folgende Verpflichtung:

 

1. Aussetzung der Räumung der Ocupação Jd. da União für sechs Monate
2. Suche nach einem Ersatzgelände für die Familien, von der Gemeinde oder der CDHU
3. Eine finanzielle Unterstützung von 20000 Reais durch die CDHU (die Ocupação Jd. da União besteht aus 800 Familien)

Danach verliessen die die Demonstrant*innen den Sitz der CDHU und kehrten zur Ocupação do Jd. da União zurück.

 

Mehr Infos:

 

Rede Extromo sul de São Paulo – Netzwerk des extremen Südens São Paulos
http://redeextremosul.wordpress.com

 

Orginal Text auf:
http://pelamoradia.wordpress.com/2014/06/09/fotos-antes-da-...

 

Übersetzt von squat.net:

https://de.squat.net/2014/06/15/sao-paulo...

 

* In der Stadt Goiânia im Bundeststaat Goiás wurden am 23.Mai 2014, neun Militante aus dem Protest gegen Fahrpreiserhöhung und gegen die Unternehmen des öffentlichen Transports von der neu gegründeten Polizeikommission gegen organisierte Kriminalität (Delegacia de Repressão ao Crime Organizado – DRACO) festgenommen. Ihnen wird unter anderem Anstiftung zu Verbrechen, Gründung von Banden und Verwüstung von Gebäuden vorgeworfen. Für vier der Verhafteten wurde schon Untersuchungshaft angeordnet. Die Verhafteten sind aktiv in der Bewegung Frente de Luta pelo Transporte Público (oder Frente de Luta Go – Front des Kampfes für Öffentlichen Transport).

 

Der Bericht von Passa Palavra ruft zur Solidarität mit den Gefangenen auf und zum Aufbau von Strukturen gegen staatliche Repression. Laut Passa Palavra scheint Goiânia ein Versuchsfeld staatlicher Repression zu sein, das sich auf die Zeit der Weltmeisterschaft ausweiten wird, und schon mit einer staatlichen Bekanntmachung Ende letzten Jahres begann, das eine Überwachung von sog. “gewaltätigen Bewegungen” stattfindet.

 

**CDHU – Companhia de Desenvolvimento Habitacional e Urbano – Gesellschaft der Wohnungs- und Urbanen Entwicklung