Der Flirt des Kremls mit Europas Rechten

Erstveröffentlicht: 
07.06.2014

Seit Putins Rückkehr in den Kreml gewinnen wertkonservative Ideologien an Popularität. Scharfmacher dominieren das Feld. Zudem spannt die Politik für ihre Belange rechtsnationale Parteien aus dem Ausland ein.

Der patriotische Siegestaumel in Russland nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim lässt nicht nur Präsident Wladimir Putins Zustimmungsraten auf Rekordwerte steigen. Die skrupellose Politik des Kremls stösst auch an den Rändern des politischen Spektrums in West- und Mitteleuropa auf Bewunderung. Besonders jubilieren Rechtspopulisten. Sie verteidigen Putins Gebaren, feiern ihn als unerschrockenen Staatsmann, als ein leuchtendes Beispiel eines vom Ideal der nationalen Selbstbestimmung beseelten Politikers, der den schwachen, dekadenten Westen, die EU und die USA, in die Schranken gewiesen hat.

 

«Wertegemeinschaft»

 

Der Schulterschluss rechtskonservativer Kreise mit Moskau ist nicht neu. Der autoritäre Kurs seit Putins Rückkehr in den Kreml 2012 und der Ukraine-Konflikt lassen aber wieder deutlicher erkennen, wie nationalistische Gruppierungen und rechtskonservative Kreise die Nähe zum Kreml suchen und sich für dessen Zwecke einspannen lassen. So ist beispielsweise Marine Le Pen ein gerngesehener Gast in Moskau. Die Parteivorsitzende des französischen Front national (FN) war zuletzt Mitte April in der russischen Kapitale und traf Sergei Naryschkin, den Vorsitzenden der Staatsduma. Kürzlich bezeichnete sie Putin als Patrioten, mit dem zusammen die christliche Zivilisation gerettet werden könne. Le Pen verurteilte die Russlandpolitik des Westens und lobte Moskau dafür, sich nicht der «internationalen Homosexuellen-Lobby» zu unterwerfen.

 

Hofiert wird ebenfalls der Berater Le Pens, der Politologe Aymeric Chauprade. Der Europaabgeordnete des FN sieht in Russland eine «Hoffnung für die Welt gegen neuen Totalitarismus». Ähnlich wie seine Parteichefin votiert er für eine Allianz, eine paneuropäische Union mit Russland als Speerspitze gegen die USA. Hierin besteht gedankliche Nähe zu Alexander Dugin. Der Philosoph von der Moskauer Lomonossow-Universität predigt einen «Neu-Eurasismus», in dem die Unvereinbarkeit mit westlichen Werten, die Sonderrolle Russlands und die Notwendigkeit eines grossrussischen Reiches betont werden. Dies sind Versatzstücke, die regelmässig in Reden Putins auftauchen, wie bei Äusserungen zu seinem Integrationsprojekt, einer Eurasischen Union im postsowjetischen Raum.

 

Der Einfluss Dugins auf die Politik ist allerdings strittig. Ein offizielles Amt besitzt er nicht. Er war Mitgründer einer mittlerweile verbotenen nationalbolschewistischen Partei, gehört aber offenbar zum Beraterkreis Naryschkins. Fest steht auch, dass Dugin derzeit für die Kreml-Propaganda von Nutzen ist, wird ihm doch in den staatlichen Medien beachtlicher Raum gewährt. Im Fernsehen spricht er prophetisch von einem Kampf auf Leben und Tod um «Neurussland», womit er den Süden und Osten der Ukraine meint und das Gebiet gleichsam zu einem integralen Bestandteil der russischen Zivilisation erklärt. Das übersteigerte Selbstdarstellungsbedürfnis eines obskuren, faschistoiden Denkers und die offizielle Propaganda des Kremls vermischen sich.

 

Geheime Unterstützung

 

Das Geflecht zwischen Russland und rechtsnationalen Parteien in Europa ist dicht. Auch Vertreter der Kreml-Partei Einiges Russland pflegen ihre Kontakte. Doch vieles läuft im Verborgenen ab. Beobachter gehen davon aus, dass Moskau europäische Rechtsparteien nicht nur ideologisch, sondern auch organisatorisch unterstützt. Auch Gelder sollen zuweilen fliessen. Auf Einladung Dugins hielt Gabor Vona, der Vorsitzende der ungarischen rechtsradikalen Partei Jobbik, ein Referat in Moskau. Verbindungen bestehen nach England zur Traditional Britain Group oder nach Griechenland zur rechtsextremen Partei Goldene Morgenröte.

 

Dugin selbst traf erst vor einer Woche in Wien hinter verschlossenen Türen mit Chauprade vom FN und Spitzen der österreichischen Freiheitlichen zusammen. Ein weiteres europäisches Treffen national gesinnter Parteien plant das Russische nationale Forum für Oktober in St. Petersburg.

 

Kurz vor den Europawahlen suchte sich nebst Le Pen auch Wolen Siderow, der Chef der rechtsnationalistischen Partei Ataka aus Bulgarien, mit einem Auftritt beim «starken Führer Putin» in Moskau vor seinem heimischen Publikum zu profilieren. Dem Kreml geht es aber um handfestere Ziele. Im von Russland im März orchestrierten Referendum über die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation stellte Moskau eine Gruppe von internationalen Wahlbeobachtern zusammen, die dem Schauspiel Legitimation verleihen sollten.

 

Als leitendes Organ trat das Eurasian Observatory for Democracy & Elections auf, eine von einem belgischen Rechtsradikalen geleitete Organisation mit euphemistischem Namen. Auf der Krim fanden sich 135 Personen aus 23 Staaten ein, unter ihnen Vertreter des extremistischen Vlaams Belang aus Belgien, der bulgarischen Ataka, der deutschen Linkspartei, der italienischen Fiamma Tricolore, von Pokret Dweri aus Serbien oder den Freiheitlichen aus Österreich. Dabei war auch wieder Chauprade. Der Öffentlichkeit wurden die Beobachter als Parlamentarier oder renommierte Politikexperten vorgestellt. Von ihnen wollte sich denn auch niemand bewusst sein, sich mitten in einer Ansammlung von Antisemiten, Holocaustleugnern, Neostalinisten, Verschwörungstheoretikern und Rechtsradikalen zu befinden.

 

Konsolidiertes Lager

 

Eine andere These besagt, dass Moskauer Politkreise zusammen mit der europäischen Rechten gezielt die EU und etablierte westeuropäische Parteien zu schwächen suchen. Klar ist, dass der Kreml gegenwärtig keine Berührungsängste gegenüber ausländischen Parteien aus dem rechten Lager hat. Dies trägt auch zur Konsolidierung der Bündnisse im rechtsradikalen und im nationalistischen Milieu Russlands bei, was Analytiker seit einigen Jahren beobachten. Im Alltag zeigt sich dies, indem anders als kremlkritische Aktionen solche von nationalistischen Kreisen geduldet werden. Wie könnte es sonst sein, dass im Zentrum Moskaus ein riesiges Plakat aufgezogen wird, auf dem Aktivisten der Protestbewegung als Landesverräter, als fünfte Kolonne diffamiert werden?