Europawahl in Griechenland: Neonazis sind drittstärkste Partei

Erstveröffentlicht: 
27.05.2014

Mit einem Stimmanteil von fast 10 Prozent ging in Griechenland die rechtradikale Chrysi Avgi als drittstärkste Partei aus der Europawahl hervor.


Die Vision, die rechtsradikale Chrysi Avgi könne in Griechenland bei der Europawahl 2014 möglicherweise sogar die Nea Dimokratia (ND) überrunden, bestätigte sich letztendlich nicht, jedoch ging die neonazistische Partei mit einem Stimmanteil von immerhin ca. 9,5% als drittstärkste Partei aus dem Wahlgang hervor – obwohl die halbe Führungsriege der Partei derzeit im Knast sitzt.

Die Wähler der Partei ließen sich offensichtlich nicht von den laufenden Strafverfahren gegen die Führungsriege der Partei entmutigen und angesichts des Wahlergebnisses kann niemand mehr von “irregeleiteten Protestwählern” sprechen und behaupten, die Stimme an die Chrysi Avgi habe keinen politischen Inhalt, sondern stelle nur einen Ausdruck des Protests gegenüber der Regierungspolitik dar. 

Geographische Verteilung der Wähler der Chrysi Avgi

Stimmanteile von über 10% erzielte die Chrysi Avgi in 23 Wahlkreisen (von insgesamt 56 in ganz Griechenland), allen voran in Lakonien (15,48%), Pellas (12,89%) und Kilkis (12,74%):

  • Argolis (Argolida) – 11,19%
  • Athen A’ – 10,37%
  • Ätolien-Akarnanien (Etolokarnania) – 10,13%
  • Attika – 12,20%
  • Euböa – 10,87%
  • Evros – 11,05%
  • Fthiotida – 10,19%
  • Ilia – 10,37%
  • Imathia – 12,41%
  • Karditsa – 10,26%
  • Kastoria – 12,57%
  • Kilkis – 12,74%
  • Korinth – 11,18%
  • Lakonien – 15,48%
  • Messenien (Messinia) – 10,80%
  • Pellas – 12,89%
  • Pieria – 11,50%
  • Piräus A’ – 10,60%
  • Piräus B’ – 11,31%
  • Serres – 10,66%
  • Thessaloniki A’ – 10,24%
  • Thessaloniki B’ – 12,41%
  • Viotia – 10,20%

Auf der Gegenseite verzeichnete die Chrysi Avgi ihre niedrigsten Anteile in Lasithi (3,60%), Heraklion (4,18%), Rethymnos (4,39%), Chios (5,99%) und Ioannina (6,09%). Mit ihren 4,18% in Heraklion liegt die Chrysi Avgi dort auf dem siebten Platz, was ihr schlechtestes Ergebnis in diesem Wahlbezirk ist.

Es sei ausdrücklich angemerkt, dass die benannten Prozentsätze als vorläufig anzusehen sind und das endgültige offizielle Ergebnis – wenn auch nur noch minimal – abweichen kann.

Über 50% der Polizeibeamten wählten Chrysi Avgi!

(Autor: Vasilis Lampropoulos)

Wie ein Artikel in der Zeitung “To Vima” enthüllt, erfährt die neonazistische Chrysi Avgi nach wie vor einen enormen Zulauf aus den Reihen der Griechischen Polizei (ELAS). Die Polizeibeamten wählten wieder massenweise die Chrysi Avgi zu einem Prozentsatz, der möglicherweise über 50% liegt. Obwohl im Gegensatz zu den Parlamentswahlen 2012 die Uniformträger diesmal auf mehrere und unterschiedliche Wahllokale “verteilt” wurden, scheinen sie erneut die Stimmanteile der rechtsextremistischen Partei in die Höhe zu treiben.

Obwohl zwischenzeitlich die Ermordung des Pavlos Fyssas stattfand, in welchem Fall die ELAS die Rolle des Ermittlers übernahm, und trotz der internen Ermittlungen in Bezug auf “Zellen” der nazistischen Organisation innerhalb der Polizei, scheinen die Uniformträger die Chrysi Avgi noch dynamischer als bei den Parlamentswahlen im Juni 2012 gewählt zu haben – womit sich ein weiteres Mal eine Menge Fragen darüber stellt, was im Inneren der Polizei los ist.

Die von der Zeitung “To Vima” enthüllten Fakten sind jedenfalls bezeichnend:

Gemäß den speziellen Wählerverzeichnissen der Dienststellen der Zentralen Polizeidirektion Attikas (GADA) wählten insgesamt 2.738 Polizeibeamte, und zwar jeweils 150 – 200 Personen in jedem der Wahllokale 1014 bis einschließlich 1029 sowie der Wahllokale 1046 bis einschließlich 1048 in Schulen an den Straßen Ampelaki und Achaia, in der Nähe der Polizeizentrale in der Alexandra-Allee.

Es ist aufzeigend, dass im Durchschnitt in jedem dieser 18 Wahllokale (Anmerkung: in jedem wählten jeweils ungefähr 400 – 480 Personen, darunter jeweils 150 – 180 Polizeibeamte) die Chrysi Avgi ab 16,32% bis 22,32% der Stimmen erhielt, während ihr durchschnittliches Ergebnis im Wahlbezirk A’ Athen 7,81% betrug. Weiter ist bezeichnend, dass in benachbarten Wahllokalen, wie 1001 oder 2030, in denen nur Zivilisten wählten, der Anteil der rechtsradikalen Partei entsprechend bei 8,8% und 9% lag. Einfacher gesagt stieg der Stimmanteil der Chrysi überall dort, wo die Polizeibeamten wählen gingen, auf mehr als das Doppelte an.

Detaillierter erhielt im Wahllokal 1047 die Chrysi Avgi 22,32%, im Lokal 1022 erhielt sie 21,18&, im Lokal 1020 erhielt sie 20%, während sie im Wahllokal 1029 den “niedrigsten” Stimmanteil von … gerade einmal 16,54% erzielte.

Wie Analytiker anführten, welche die Ergebnisse untersuchten, “zeigt die Tatsache, dass in diesen Wahllokalen ein Anteil von ungefähr 30% – 40% der Wähler Polizeibeamte waren, in Kombination mit den Fakten der vorherigen Wahlen, dass trotz des um die Beziehungen zwischen ELAS und Chrysi Avgi erfolgten Lärms noch mehr Polizeibeamte die rechtsextremistische Partei wählten“. Weiter wird angemerkt, dass in Wahllokalen, in denen ELAS-Offiziere des Hauptquartiers an der Katechaki-Allee wählen gingen, der Anteil der Chrysi Avgi bei 13% – 15% lag.

Verteilung der 21 Mandate Griechenlands im neuen Europa-Parlament

Obwohl das endgültige Ergebnis der Europawahl 2014 in Griechenland noch nicht offiziell bekannt gegeben worden ist, steht die Verteilung der griechischen Mandate im neuen Europa-Parlament inzwischen fest und stellt sich wie nachfolgend dar. Zum Vergleich werden auch die entsprechenden Ergebnisse der griechischen Parlamentswahlen 2012 und der Europawahl 2009 angeführt, wobei “Elia” (Olive bzw. Olivenbaum) und “PASOK” gleichgestellt werden.

Stand: 26 Mai 2014 – 20:54 Uhr
Registrierte Wähler: 9.892.622
Stand der Auszählung: 100%
Wahlbeteiligung: 59,96%
Ungültig / “weiß”: 3,80%

EU-Wahl 2014EU-Mandate 2014Parlamentswahl 2012Eu-Wahl 2009EU-Mandate 2009
SYRIZA22,60%626,89%4,70%1
Nea Dimokratia22,71%529,66%32,30%8
Chrysi Avgi9,38%36,92%0,46%- -
Elia (PASOK)8,02%2(12,28%)(36,65%)8
Potami6,61%2- -
KKE6,07%24,50%8,35%2
ANEL3,47%17,51%- -- -

ANEL = Unabhängige Hellenen
KKE = Kommunistische Partei Griechenlands

Erste Rückschlüsse aus dem Wahlergebnis

(Autor: Dimitris Kampourakis)

  1. Besteht die Möglichkeit eines umgehenden Sturzes der Regierung? Nein.
  2. Gibt es ein mittel- und langfristiges Problem in der Regierung? Es existiert.
  3. Fruchtete die Taktik der SYRIZA, aufzuzeigen, dass in der politischen Szenerie essentielle Änderungen eingetreten sind? Ja.
  4. Fruchtete die Strategie der SYRIZA bezüglich einer sofortigen Übernahme der Macht? Nein.
  5. Samaras wird weiterhin regieren, kann er es jedoch? Formal ja, praktisch jedoch immer schwerer.
  6. Was geschah mit der PASOK-Partei und der “Elia”? Demoskopische Auferstehung eines Toten, Vorherrschaft im Raum des linken Zentrums.
  7. Hat die Partei “Potami” sich gut geschlagen oder nicht? Sie schlug sich sehr gut, und zwar trotz der Tatsache, dass Stavros Theodorakis die Messlatte höher angelegt hatte. Sie hat Zukunft.
  8. Wie wird es fortan mit der DIMAR weitergehen? Außerordentlich problematisch, die parteiinternen Entwicklungen gelten als sicher.
  9. Die ANEL? Kontinuierlich absteigender Verlauf, politische Ausgrenzung.
  10. Die Chrysi Avgi? Etablierung in der politischen Szene, außerordentlich gefährliches Phänomen.
  11. Wer sind letztendlich die Sieger? Die Chrysi Avgi absolut, die SYRIZA in einem signifikanten, jedoch nicht maßgeblichen Grad, PASOK und Potami hinlänglich.
  12. Wer sind die Verlierer? Die Nea Dimokratia (ND), jedoch ohne vernichtet worden zu sein, die Unabhängigen Hellenen (ANEL), um die es wirklich schlimm bestellt ist, und die Demokratische Linke (DIMAR), die eliminiert wurde.

Sind allgemeinere Entwicklungen zu erwarten? Sicherlich. Premierminister Antonis Samaras ist verpflichtet, zu etwas sehr Allgemeinerem als einer Verbesserung seiner Regierungspolitik zu schreiten. Vielleicht zu einer globaleren Neuorganisation des Raums der Rechten. Die SYRIZA wird ihre Opposition ausweiten, mit Ziel die kommenden Parlamentswahlen. Auf Basis der derzeitigen Ergebnisse gilt die (2015 anstehende) Wahl eines Staatspräsidenten durch das Parlament als unmöglich. Bis zum kommenden März wird es also zum “Endkampf” kommen.

(Quellen: in.gr VimaGriechisches InnenministeriumProtagon.gr)