Der Gemeinderat hat die Kundgebung «Stopp Kuscheljustiz» bewilligt. Eine gute Entscheidung, finden Berner Stadtparlamentarier. Vorbehalte haben sie trotzdem.
Von Hanna Jordi, Christian Zellweger.
In der Stadt Bern könnte es am 29. März eng werden: Auf dem Bundesplatz findet um 14 Uhr eine Demonstration rechter Kreise mit dem Titel «Stopp Kuscheljustiz» statt. Andererseits mobilisieren linke Aktivisten für die Gegendemonstration. Der Gemeinderat hat am Donnerstag entschieden, die Platzkundgebung zu bewilligen.
Dieser Entscheid stösst bei Berner Stadträtinnen und Stadträten auf Zustimmung, auch wenn im Hinblick auf das Wochenende Erinnerungen an die Wahlkundgebung der SVP im Jahr 2007 wach werden: Damals stürmten linke Aktivisten nach einer eskalierten Gegendemonstration den Bundesplatz, wo es zu Ausschreitungen kam.
«Auch wenn es ein brisantes Wochenende werden könnte – grundsätzlich gilt die Demonstrations- und Versammlungsfreiheit. Es ist richtig, dass der Gemeinderat die Demonstration bewilligt hat», so Stadtrat und SP-Co-Präsident Stefan Jordi. Auch SVP-Fraktionschef Roland Jakob ist zufrieden. «Es kann ja nicht sein, dass man linke Kreise stets gewähren lässt und daneben Andersdenkende in der Meinungsäusserung beschneidet», sagt er.
«Absage ist höchst zweifelhaft»
Leena Schmitter, GB-Stadträtin, fordert aber gleiches Recht für allfällige Gegendemos. In der Medienmitteilung des Gemeinderates heisst es: «Allfällige Gegenkundgebungen werden nicht bewilligt». «Es kann nicht angehen, dass Reto Nause bereits in der Medienmitteilung den Gegendemos die Bewilligungsfähigkeit abspricht», sagt Schmitter. «Die Bewilligungspflicht ist rechtlich festgehalten – eine solche Absage ist höchst zweifelhaft».
Sicherheitsdirektor Reto Nause pariert den Vorwurf. Die deutliche Absage sei auch eine Schlussfolgerung aus den Ausschreitungen von 2007. Damals war moniert worden, der Gemeinderat habe zu undeutlich kommuniziert. So war es unklar, ob die Gegendemonstration bewilligt war oder nicht. Zudem argumentiert Nause wie schon im Januar, als eine linke Demonstration nicht bewilligt wurde. Das Bundesgericht stütze die Praxis, im Einzelfall bei drohenden Gegenveranstaltungen und absehbaren gewalttätigen Konfrontationen eine Demonstrationsbewilligung zu verwehren.
«Hartes Durchgreifen» gefordert
Die Polizei wappnet sich gemäss Medienmitteilung für einen «grösseren Einsatz», um die Sicherheit in der Stadt zu gewährleisten. Ein Drahtseilakt: Während Roland Jakob ein «entschlossenes Durchgreifen der Polizei» fordert, um die bewilligte Demo zu schützen, ruft Stefan Jordi zu «Augenmass» auf. «Wir hoffen, dass die Polizei verhältnismässig handelt. Sie soll nicht die gesamte Innenstadt abriegeln und nicht wahllos Passanten anhalten», sagt er in Anspielung auf die Geschehnisse rund um das SVP-Familienfest 2011: Damals war die Polizei stark präsent, kontrollierte zahlreiche Unbeteiligte, manche wurden festgenommen und während Stunden auf der Polizeiwache Neufeld festgehalten. Dies sorgte im Nachgang für lautstarke Kritik aus der linken Ratshälfte.
Leena Schmitter erinnert an die Verantwortung der Einzelnen. «Es liegt nicht nur an der Polizei, die Sicherheit am Samstag zu gewährleisten. Jeder Teilnehmer soll am Samstag dazu beitragen, die Situation nicht eskalieren zu lassen.»