Barrancabermeja ist eine Industriestadt in der Provinz Santander. Die Stadt ist für ihre Erdölindustrie bekannt, denn hier befinden sich am Río Magdalena die größten Erdölraffinerien des Landes. War die Stadt bis in Ende der 1980er Jahre für ihren Proletarismus und Politisierung bekannt, so übernahmen später paramilitärische Gruppen die Macht und sorgen bis heute für ein Klima der Angst und Bedrohung.
Mit 230.000 Einwohnern ist die Stadt Barrancabermeja zwar nicht sehr groß, doch durch ihre erdölverarbeitende Industrie und ihre zentrale Lage war sie seit jeher ein wichtiger Industriestandort. Am Ufer des größten Flusses Kolumbiens gelegen, wurde die Stadt mit dem Hafen ein Kommunikations- und Transportzentrum. Von der Holz- und weiterverarbeitenden Industrie änderte sich das Stadtbild mit der Industrialisierung des Landes und den ersten Erdölfunden hin zu einer modernen Industriestadt, in der das Erdöl das maßgebliche Industrieprodukt wurde. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts vereinbarte man die ersten Förderkonzessionen und mit der Tropical Oil Company begann die Förderung des schwarzen Goldes.
Die Erdölindustrie sorgte nicht nur für den wirtschaftlichen Aufschwung, sondern mit dem immer stärkeren Ausbau wandelte sich auch das innere und äußere Erscheinungsbild der Stadt. Neue Viertel entstanden, in denen die Arbeiter und ihre Familien untergebracht wurden und meist nach langen Bitten und Kämpfen entstand die dazu nötige Infrastruktur wie die Verbindung der Viertel, Schulen, ein Krankenhaus und andere Einrichtungen. Mitte der 1970er Jahre nahm die Stadt den vierten Platz in der Liste der Städte ein, die die meisten marginalen Viertel und sozialen Probleme hatten. Gab es 1970 36 Stadtviertel, so waren es 1980 schon 48 und 1990 mehr als 120. Die Hälfte der 120 Viertel war auf illegale Weise entstanden und von den Behörden nicht genehmigt.
Auch die Einwohnerschaft war stark geprägt von den sozialen Arbeits- und Lebensbedingungen. Die Stadt wurde eine Hochburg der kommunistischen und gewerkschaftlichen Ideen sowie der verschiedensten politischen Gruppierungen. Die soziale Misere und die Arbeit in der Erdölindustrie schärften den Arbeitern und Familien den Blick für die Notwendigkeit von politischen und sozialen Veränderungen. In den 1980er und 1990er Jahren sorgten Entlassungen und der Zuzug der Landbevölkerung, vor allem vom Land vertriebene Menschen aus dem Magdalena Medio, für ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit und weiterer Probleme. Kein Wunder also, dass Guerillagruppen wie FARC-EP, ELN und EPL hier einen großen Zulauf hatten.
Die Firma Ecopetrol, Kolumbiens halbstaatliche Erdölfördergesellschaft, verschärfte die Situation und die sozialen Kämpfe vor Ort. Um den Arbeitskämpfen und den sozialen Kämpfen in der Stadt Herr werden zu können engagierten sie paramilitärische Einheiten und das staatliche Militär. Die Bevölkerung wiederum sucht den Schutz bei den Guerillabewegungen, die ihrerseits Milizen in der Stadt aufbauten und durch nahe Fronten in der Gegend vertreten waren. Die Kämpfe der Guerilla für die Rechte der Bevölkerung standen also ganz im Sinne der Tradition einer kämpferischen Stadt, die sich nun gegen die Privatisierung, gegen die Sklaverei der transnationalen Konzerne und der Militarisierung der Stadt auflehnte.
Schnell machte in Kolumbien die Runde, dass Barrancabermeja unter Einfluss der Guerilla stehe. Dabei wurde die gesamte Bevölkerung der Stadt stigmatisiert. Sicherlich hatte die Guerilla großen Rückhalt unter den Leuten, doch sorgte die soziale Situation und die Repression der Regierung erst dafür, dass die Leute aufbegehrten. In den 1990er Jahren war die FARC-EP mittlerweile so erstarkt, dass ein offener Krieg durch die Paramilitärs ausgerufen wurde. Eine Front der EPL, deren großer Teil sich ab 1990 kurz nach den Friedensgesprächen von M-19, EPL und anderen Gruppen mit der Regierung demobilisieren ließ, schloss sich der FARC-EP an. In der Guerilla sahen sie die einzige Möglichkeit zur Verteidigung ihrer Interessen.
Hunderte wurden in den Jahren umgebracht und der Terror von paramilitärischer und staatlicher Seite war so groß, dass die politische Organisation und Betätigung der Bevölkerung bereits als Todesurteil galt. Konnte die FARC-EP zuerst noch politisch-militärisch die Oberhand behalten, sorgten sie zumindest auf militärischer Ebene für einen Rückzug, um das Leben der Bevölkerung nicht weiter zu gefährden. Politisch wurde die Arbeit jedoch nicht aufgegeben und trotz des paramilitärischen Terrors versuchten sich die Menschen zu organisieren. Andere schlossen sich den Fronten der FARC-EP an, die außerhalb der Stadt im Block „Magdalena Media“ operierten.
Dass der Terror der Paramilitärs auch heute noch aktuell ist, zeigen Beispiele aus den letzten Wochen. So hat eine Gruppe namens „Los Álvarez“ auf Facebook verkündet, mit sogenannten sozialen Säuberungen zu beginnen. In der Regel handelt es sich dabei um Bedrohungen, Vertreibungen und Ermordungen von Menschen, die nicht in das Bild einer konservativen Gesellschaft passen. Zudem werden diese Säuberungen auch häufig genutzt, um politische Gegner zu schädigen. Anfang Februar tauchten Trupps von schwerbewaffneten Paramilitärs in einigen marginalen Vierteln der Stadt auf, die in Jeeps durch die Straßen patrouillierten, Leute einschüchterten und einen Jugendlichen umbrachten. Geschäftsinhaber mussten ihre Läden schließen und alle auf den Straßen befindlichen Personen wurden bedroht. Eine Reaktion seitens der staatlichen Sicherheitskräfte gab es nicht.
Auch Menschenrechtsbeobachter verschiedener nationaler und internationaler Organisationen wurden in den letzten Wochen bedroht. Häufig werden dabei Telefonanrufe in den Büros benutzt, um Mitglieder von politischen und sozialen Bewegungen einzuschüchtern. Auch Flugblätter werden im Stadtgebiet verteilt, auf denen die Namen von potentiellen Opfern zu lesen sind. Im Januar dieses Jahres schickten Paramilitärs einem Mitglied einer Menschenrechtsorganisation einen Brief, mit der Aufforderung die Stadt binnen 48 Stunden zu verlassen, sonst werde er und seine Familie ermordet. Anbei wurde eine Patrone mitgesendet. Weniger häufig, aber in der Konfrontation stärker, werden Handgranaten an die Wohnhäuser oder Büros der Personen geworfen. Diese Vorfälle zeigen deutlich, wie wenig die Regierung handelt und wie gefährlich das Leben und die Betätigung in Barrancabermeja sind.
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