Rechte Gewalttaten: Zahl der Übergriffe in Leipzig verdoppelt – Spitzenreiter in Sachsen

Erstveröffentlicht: 
25.02.2014

Dresden. Die Zahl rechter Angriffe in Sachsen ist im vergangenen Jahr wieder angestiegen. Nach den Zahlen der Opferberatung der Regionalen Arbeitsstelle für Bildung, Integration und Demokratie e.V. (RAA Sachsen) gab es im vergangenen Jahr 223 Fälle mit insgesamt 319 Opfern. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um rund 42 Prozent. Regionale Schwerpunkte waren Leipzig, Dresden und der Erzgebirgskreis.


„Diesen Zuwachs sehen wir durchaus in Zusammenhang mit der oft vorurteilsbeladenen und teilweise offen rassistisch geführten Debatte über Asylsuchende. Abwertung und Ausgrenzung sind der Nährboden für rassistische Gewalt“, sagt Andrea Hübler, Beraterin des RAA. Demonstrationen gegen Asylsuchende wie in Schneeberg oder Leipzig würden dazu beitragen, dass die Hemmschwelle für Gewalt sinke.

Waren bis 2011 Angriffe gegen „Nicht Rechte und Alternative“ in der Überzahl, sind inzwischen rassistisch motivierte Übergriffe in der Mehrzahl. Diese passierten oft mitten in der Öffentlichkeit und aus dem Nichts heraus, so Hübler.

Leipzig und Dresden bleiben Spitzenreiter

Die Zahlen seien „erschreckend hoch“, sagte Robert Kusche, Bereichsgeschäftsführer der Opferberatung. Rein statistisch gebe es jeden zweiten Tag irgendwo in Sachsen einen Angriff.

Die regionale Verteilung schwankt dabei teilweise. Leipzig und Dresden bleiben unrühmliche Spitzenreiter. In Leipzig stieg die Zahl der Fälle von 23 auf 58, in Dresden von 23 auf 33 Fälle. Auf Platz drei schob sich der Erzgebirgskreis hervor. Weitere Schwerpunkte sind der Landkreis Nordsachsen mit 21 Fällen, Chemnitz mit 18 Fällen sowie Mittelsachsen und die Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit je 17 Fällen. Stark gesunken ist die Zahl der Angriffe im Landkreis Leipzig, unter anderem weil ein regelmäßig betroffener Imbissbetreiber die Region mittlerweile verlassen habe.

Der RAA zählt in seiner Statistik ausschließlich Gewalttaten, also keine Beleidigungen oder einfache Sachbeschädigungen. Die Einordnung, ob es sich um rechte oder rassistisch motivierte Gewalt handele, erfolge nach einem ähnlichen Katalog wie beim Landeskriminalamt. Dass die Zahlen mit der offiziellen Statistik nicht überein stimmen, hat laut Hübler zwei Gründe. Zum einen gibt es Fälle, die die Behörden nicht als rechtsmotiviert einstufen, der RAA schon, zum anderen werde nicht jeder Fall von den Betroffenen zur Anzeige gebracht. Laut Hübler werde jeder vierte bekannte Fall nicht bei der Polizei angezeigt.

RAA fürchtet hohe Dunkelziffer

Zudem gibt es vor allem in den ländlichen Regionen eine hohe Dunkelziffer. Neben Aussagen von Betroffenen gegenüber der Opferberatung bekommt der RAA seine Infos auch von der Polizei und von regionalen Partnern vor Ort. Und da gebe es in verschiedenen Landkreisen noch einige „weiße Flecken“, so Hübler.

Wie viel Einfluss das auf die Statistik hat, zeigt der Erzgebirgskreis. Hier gewann der RAA im vergangenen Jahr neue Kooperationspartner und schon schnellten die Zahlen von drei Fällen 2012 auf 32 Fälle 2013 nach oben. 85 Prozent davon wurden bei der Polizei nicht angezeigt, meist aus Angst vor Rache durch die Täter.

Für viele Opfer sei die Hemmschwelle, Angiffe zu melden, sehr hoch. So hätten sich linke Jugendliche vor Ort oft an einen gewissen Grad an Gewalt gewöhnt, erst wenn statt einem blauen Auge dann ein gebrochener Arm heraus kommt, würden sie sich offenbaren. Auch Asylbewerber würden sich oft nicht offenbaren, teils aus Angst, teils aus Unkenntnis von Angeboten wie der Opferberatung.

Forderung nach klarer Positionierung gegen rassistische Angriffe

Für die Zukunft wünschen sich die Mitarbeiter des RAA eine klare Positionierung von öffentlichen Stellen. Durch die steigende Zahl von Asylbewerbern in Sachsen bestehe durchaus die Gefahr, dass die Zahl der Gewalttaten weiter ansteigt, vor allem in Orten, in denen Neonazis gezielt Vorurteile schüren.

Umso wichtiger sei es, Angriffe offen, klar und deutlich zu verurteilen, sagt Andrea Hübler. Auch Gerichte müssten deutliche Zeichen setzen. Wenn Richter den angeklagten Neonazis noch positive Sozialprognosen bescheinigten, wie kürzlich in Hoyerswerda, sei das ein völlig falsches Zeichen. Wer rassistische Angriffe nicht deutlich ächte, sondern stattdessen noch Verständnis für die Täter zeige, der begünstige Folgetaten.