Rückblick auf den Anti-BiSF-Wahlkampf und eine Bewertung unseres Erfolgs:
An dieser Stelle wollen wir unsere Eindrücke zu der Kampagne „Nazis stoppen! – Der BiSF den Wahlkampf vermiesen“ vermitteln. Dabei werden wir darauf eingehen wie und warum es zu der Kampagne kam, wer die sog. „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ (BiSF) eigentlich ist, wie sich die Kampagne im Einzelnen gestaltete und abschließend eine Bewertung anstreben. Vordergründiges Ziel ist es, dass jede_r Interessierte einen Einblick bekommen kann und verschiedene Prozesse transparent gemacht werden. Klar ist, dass nur durch eine breite, solidarische und gut vernetzte Zusammenarbeit der Antritt der Faschist_innen zur Kommunalwahl verhindert werden konnte.
Ein breites Bündnis gegen Neonazis!
Auf Initiative des Fürther Bündnisses gegen Rechts und der Antifaschistischen Linken Fürth (ALF) gründete sich bereits im September 2013 ein Bündnis aus antifaschistischen Gruppierungen, Gewerkschaften, Vertreter_innen antirassistischer Ultra-Gruppen in Fürth und Einzelpersonen, das sich zum Ziel gesetzt hatte, den Antritt der Faschist_innen bei den Kommunalwahlen im März 2014 zu verhindern. Aus den Erfahrungen von 2008, bei dem bereits die NPD erfolglos versucht hatte die notwendigen Unterstützungsunterschriften zu sammeln, war allen Beteiligten klar, dass die Vorbereitung frühzeitig und strukturiert beginnen musste. So kam es zu ersten Treffen bei dem die Aktionen gegen die BiSF vorbereitet wurden. In diesem Zusammenhang setzten sich alle Beteiligten das Ziel Aufklärungsarbeit zu leisten, täglich Präsenz zu zeigen und durch eine Veranstaltung und eine Demonstration auch eigene Inhalte nach außen zu tragen. Der Fahrplan war schnell klar: Wir werden versuchen alle Fürtherinnen und Fürther über die menschenverachtende Ideologie der Nazis zu informieren; wir werden täglich vor Ort sein und den direkten Kontakt mit den Menschen suchen und wir wollen einen eigenen Ausdruck, ein klares Zeichen gegen Nazis in Fürth setzen.
Das Ziel des Bündnisses war und ist es über Neonazis aufzuklären, aber auch den alltäglichen Rassismus der sog. Mitte der Gesellschaft zu verdeutlichen. Es ist klar, dass Faschismus, Rassismus und die menschenverachtende Ideologie der Neonazis weder in Fürth noch anderswo einen Platz haben dürfen. Für uns, die Antifaschistische Linke Fürth, ist zudem klar, dass der Faschismus kein Phänomen ist, das aus einem luftleeren Raum entsteht. Seine Wurzeln, das gerade zeigt die Geschichte, hat der Faschismus in der „Fremden“feindlichkeit, im Antisemitismus und in den zahlreichen Herrschaftsideologien, die auch heute noch in der Gesellschaft vertreten werden. Für uns bedeutet dies, dass sich der Kampf gegen Faschismus nicht nur gegen Neonazis richten darf, an dieser Stelle nicht stagnieren kann, sondern auch immer die momentane Herrschafts- und Gesellschaftsstruktur in Frage stellen muss. Um es in einem Satz zusammenzufassen: Der Kampf gegen die heutigen Neonazis, ist gleichzeitig ein Kampf gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem, denn gerade in diesem System entstehen faschistoide Bewegungen!
Die Neonazis der sog. „Bürgerinitiative Soziales Fürth“ (BiSF)
Das Ziel der neonazistischen BiSF war es also, im März 2014 bei den hiesigen Kommunalwahlen in den Stadtrat gewählt zu werden. Um überhaupt zur Wahl antreten zu können benötigte die BiSF, wie auch andere zuvor noch nicht angetretene Parteien oder Organisationen, 386 Unterschriften. Diese mussten die Neonazis im Zeitraum vom 19. Dezember 2013 bis zum 03. Februar 2014 sammeln. Doch was nach freundlicher und sozialer Initiative klingt, ist vielmehr eine Tarnorganisation des „Freies Netz Süd“ (FNS). Das FNS ist der gefährlichste und aktivste Zusammenschluss von Neonazikameradschaften in Süddeutschland. Es tritt vor allem durch Aufmärsche, rechte Konzerte und Veranstaltungen in der Öffentlichkeit auf. Führende Köpfe des FNS sind Matthias Fischer, der wegen Volksverhetzung eine 20-?monatige Haftstrafe absaß und auf der Kontaktliste des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) steht, sowie Norman Kempken (Nürnberg), der bundesweit zu den wichtigsten Anti-?Antifa1 Kadern zählt. Bereits 2008 versuchte Fischer mit der NPD in den Fürther Stadtrat einzuziehen, scheiterte jedoch kläglich. Mit der BiSF wurde erneut unter Federführung Fischers – er war beide Male auf Listenplatz 1 – versucht in den Stadtrat einzuziehen. Aber auch andere Neonazis wie Stella Ruff, Christoph P. und Sascha Rudisch zeigten Präsenz in der Innenstadt. Bei diesen Personen handelt es sich größtenteils um langjährig aktive und überzeugte Neonazis. Sowohl anhand der personellen Überschneidung als auch hinsichtlich der Inhalte, die die BiSF vertritt wird schnell klar, dass sich hinter der sog. Initiative gewaltbereite und gefährliche Neonazis verbergen. In ihrem sog. „Stadtblatt“ und anderen Flugblättern ist der Rassismus allgegenwärtig. So fordern sie Müttergeld für „Deutsche Mütter“, sprechen davon, dass sie bald schon „fremde in der eigenen Stadt“ seien und hetzen aufs Widerlichste gegen das jüdische Museum. Ein kurzer Blick in die Publikationen reicht um zu erkennen, dass sich hinter der Tarnorganisation ein zutiefst nationalsozialistisches Weltbild verbirgt. So wird an einigen Stellen der offene Bezug zum Faschismus geschaffen, beispielsweise bei der Forderung nach einer sog. „Volksgemeinschaft“, und damit die Taten der Nationalsozialist_innen verharmlost.
Die Kampagne – Widerstand gegen Neonazis!
Im Vorfeld der „Unterstützungssammlung“ verteilten Aktivistinnen und Aktivisten der ALF, der Jugendantifa Fürth (JAF) und zahlreiche Antifaschist_innen aus der Region im Rahmen der Kampagne „Nazis stoppen! – Der BiSF den Wahlkampf vermiesen“ etwa 40.?000 Informationsflyer im gesamten Stadtgebiet. Dies hatte zum Ziel die Bewohner_innen bereits frühzeitig auf das Treiben der Neonazis aufmerksam zu machen. Darüber hinaus wurde versucht mit vielfältigen Plakataktionen die Aktivitäten auch im Fürther Stadtbild sichtbar zu machen. Antirassistische Ultragruppen zeigten während eines Heimspiels ein Spruchband gegen die Nazis und ein Spieltagflyer klärte über die BiSF auf, die GEW schaltete eine Anzeige in der Stadtzeitung, die auf die Ideologie der Nazis aufmerksam machte – um nur einige Beispiele der vielfältigen Aktionen zu nennen. Zudem konnte es uns in enger Zusammenarbeit mit dem Fürther Bündnis gegen Rechts und den zahlreichen Aktiven gelingen, während den Öffnungszeiten des Rathauses und des Bürgeramtes (Eintragungsorte für Unterstützungsunterschriften), aber auch auf der Hardhöhe, ganztägig vor Ort zu sein und die Bürger_innen auf den neonazistischen Hintergrund der BiSF aufmerksam zu machen. Dieses Unterfangen gestaltete sich mitunter nicht immer leicht, da die Neonazis Aktive bedrohten, belästigten und durch zahlreiche Anzeigen versuchten uns den Mut zu nehmen. Höhepunkt der neonazistischen Aktivitäten bildete die Bedrohung eines Antifaschisten mit einem Messer, bei der es die Polizei nicht für nötig erachtete eine Streife zum Tatort zu schicken. Dies und andere Vorkommnisse, wie die Bedrohungen durch Pfefferspray, die Bedrängungen in der Innenstadt oder die täglichen Beleidigungen, zeigen uns wozu die Faschist_innen fähig sind. Während des sechswöchigen Zeitraums ließen wir uns aber weder durch die Bedrohungen, noch durch Provokationen der Nazis aus der Ruhe bringen. Eine flächendeckende Präsenz zu den Öffnungszeiten konnte so gewährleistet werden. Weit mehr als 100 Antifaschist_innen sorgten dafür, dass die Nazis nicht in Ruhe verteilen und damit ihre menschenverachtende Propaganda schönreden konnten. Täglich waren wir vor Ort, um den Menschen in Fürth zu zeigen, dass Nazis hier nicht willkommen sind. Noch am Ende des Unterstützungszeitraums konnte eine flächendeckende Präsenz gewährleistet werden und dies obwohl die Nazis längst aufgegeben hatten und ihr Vorhaben zum Scheitern verurteilt war.
Neben dieser Aktionsform war vor allem die Demonstration am 11. Januar ein voller Erfolg. Am Samstag, den 11.01. versammelten sich über 2000 Menschen zur seit Jahrzehnten größten antifaschistischen Demonstration in Fürth. Das bereits erwähnte Bündnis rief unter dem Motto „Fürth Nazifrei! – Keine Nazis in den Stadtrat“ auf, um ein deutliches Zeichen gegen die Neonazis der BiSF zu setzen. Neben Redebeiträgen des Fürther Bündnisses gegen Rechts, in denen der gesellschaftliche Rassismus erörtert wurde, oder den Beiträgen von JAF und ALF in welchen die kapitalistische Logik als Wurzel für den Faschismus dargestellt wurden, ging es auch darum, über die Faschist_innen zu informieren und ihre scheinbar sozialen Aspekte als neonazistische Propaganda zu enttarnen und damit deutlich zu zeigen, dass sie auch im Fürther Stadtrat nicht willkommen sind.
Wir werten die Demonstration als absoluten Erfolg und freuen uns, dass wir so viele Menschen dazu bewegen konnten, ein deutliches Zeichen gegen Neonazis zu setzen. Die Demonstration stellte dabei jedoch nur einen Teil der Kampagne dar. Bereits am Freitag, den 10.?01.? fand eine Informationsveranstaltung des Bündnisses zu den Kontakten der mittelfränkischen Neonazis mit den Terrorist_innen des (NSU) statt, die über 130 Personen besuchten. Die u.a. für a.i.d.a.2 publizierenden Journalisten Timo Müller und Robert Andreasch, zeigten bei der Veranstaltung in der Biko (Gewerkschaftshaus) die Zusammenarbeit und enge Verknüpfung der NSU-Terrorist_innen mit den lokalen Neonazis auf.
Am 27.01., dem Tag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee, fand zudem eine Kundgebung statt. Eine weitere Kundgebung wurde am 01.02. durchgeführt. Hintergrund war einerseits, dass wir es den Faschist_innen nicht ermöglichen wollten am Tag der Befreiung von Auschwitz ihre menschenverachtende Propaganda auf die Straße zu tragen, aber auch die Tatsache, dass an diesen beiden Tagen das Bürgeramt verlängerte Öffnungszeiten hatte. Bei beiden Kundgebungen fanden sich jeweils ca. 100 Antifaschist_innen ein. Der letzte Sammlungstag war Montag, der 03. Februar. Gegen zwölf Uhr wurde durch die Stadt verkündet, dass die Nazis der BiSF bei weitem nicht genug Unterstützungsunterschriften sammeln konnten (135) und unsere Kampagne somit ein voller Erfolg war.
Ein voller Erfolg – Wieder werden keine Nazis in den Stadtrat einziehen!
Wir bewerten die Aktivitäten gegen die BiSF als absoluten Erfolg. Die Nazis konnten nicht einmal halb so viele Stimmen wie benötigt sammeln. Dies gelang nur, weil wir gemeinsam, solidarisch und spektrenübergreifend agierten. Im Zuge der Aktivitäten wurde einmal mehr deutlich, dass sich die Fürther Polizei als Handlanger der Faschist_innen erwies. Nicht nur die Tatsache, dass sie im vorauseilenden Gehorsam jede absurde Anzeige der Nazis aufnahmen und die Anzeigen der Antifaschist_innen teilweise nicht entgegennahm, oder das Vorgehen bei der Bedrohung eines Antifaschisten mit einem Messer durch einen der Nazis, zeigt uns, dass wir uns auf den Staat und seine Polizei nicht verlassen können. Nach wie vor sieht sie in linken und antifaschistischen Kräften eine gesteigerte Gefahr. Das wurde auch in diesem Zeitraum wieder mehr als deutlich. Dies ist auch an den Teils diffamierenden Leserbriefen in der lokalen Zeitung zu erkennen, bei dem sich ein ehemaliger Fürther Polizeidirektor oder ein Mitglied der Gewerkschaft der Polizei aus Fürth aufs Übelste gegen die Sprecherin des Fürther Bündnisses gegen Rechts äußerten. Anhand dieser Äußerungen entbrannte sich eine lange öffentliche Diskussion, bei der jedoch die uneingeschränkte Solidarität mit der Sprecherin im Vordergrund stand. Auch in diesem Aspekt hat sich die solidarische und spektrenübergreifende Zusammenarbeit zahlreicher antifaschistischer Akteure als sinnvoll und zielstrebig erwiesen. Weder durch diffamierende Äußerungen einzelner Personen, noch durch die Kriminalisierungsversuche der Fürther Polizei hat sich das Bündnis spalten lassen. Wir werden uns auch zukünftig nicht von dem Verhalten der Polizei einschüchtern lassen. Noch werden es einzelne „Stimmungsmacher“ schaffen den antifaschistischen Konsens der zahlreichen Akteure zu spalten. Alles in allem bleibt festzuhalten, dass wir in Fürth ein deutliches Zeichen gegen die Nazis und Rassismus setzen konnten!
Hoch die internationale Solidarität!
Nazis verpisst euch!
1 "Anti-Antifa" nennen Neonazis das gezielte Sammeln von Fotos, Namen und Adressen von vermeintlichen politischen Gegner_innen, die dann u.U. zur Verübung von Anschlägen genutzt werden.
2 Die Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V. (a.i.d.a.) sammelt seit 1990 Material zu Themenbereichen wie Nationalismus und Rassismus, Informationen von und über neokonservative, extrem rechte und faschistische Gruppierungen sowie Publikationen zum Thema Antifaschismus und vieles mehr. (Mehr Informationen: http://www.aida-archiv.de/)