Hakenkreuz und Kutte

Bräutigam Jens Brandt feiert mit „Endstufe“-Anhängern im Clubhaus in Bremen
Erstveröffentlicht: 
31.01.2014

Das Netzwerk zwischen Neonazis, Hools und kriminellen Rockern ist in Bremen eng verwoben. Gemeinsam feiern sie die Hochzeit eines „Endstufe“-Mitglieds oder freuen sich über gelungene Charity in einer Bremer Jugendeinrichtung.

 

Die Braut trug weiß, der Bräutigam Tattoos und Glatze. Vor dem Standesamt in der Bremer Hollerallee wienerte ein Chauffeur noch eilig den Lack seiner protzigen Stretchlimousine. Am Säulenportal des Gebäudes vertraten sich  bullige Musiker von „Endstufe“ die Füße im Schnee. Der frischvermählte Jens Brandt, genannt „Brandy“, ist Mitglied der dienstältesten deutschen Rechtsrock-Band. 1981  gegründet, genießt die Gruppe inzwischen mit ihren rund 20 veröffentlichten, teils indizierten Tonträgern „Kultstatus“ vor allem bei  rechten Old School-Anhängern.

Einige Jahre war es ruhig um die Band, Gerüchte von Drogenproblemen einzelner Mitglieder machten die Runde. Seit einiger Zeit geben sie wieder zahlreiche ihrer konspirativen Konzerte. Im August 2011 feierte „Endstufe“ mit rund 200 Neonazi-Fans das 30-jährige Bestehen in einem abgelegenen Proberaum in Groß Mackenstedt im Landkreis Diepholz. (bnr.de berichtete) Aus dem Altkreis Syke stammt Schlagzeuger Carsten Löhmann, der bei „Endstufe“ sowie bei der 2009 gegründeten Band „Bunker 16“ trommelt und ein Baugeschäft in der Nähe von Syke führt. Sein jüngerer „Bunker“-Kollege Tom Müller wohnt nur ein paar Dörfer weiter.

Der Landkreis Diepholz gilt als unauffällig, Proteste gegen braune Aktivitäten sind rar. Nach den Veröffentlichungen von bnr.de zum Geheim-Gig von „Endstufe“ 2011 wurde beiden Neonazi-Bands der Übungsraum gekündigt, inzwischen sollen sie in dem ehemaligen NS-Reichsmusterdorf Dötlingen nahe Oldenburg neue gut geschützte Räumlichkeiten gefunden haben.

 

Kontakte zum „Blood&Honour“-Netz

Ende der 90er Jahre verfügten Jens Brandt als Betreiber des Labels „Hanse Records“ und dessen Band über beste Kontakte zum militanten „Blood&Honour“-Netzwerk. Im B&H-Magazin der „Division Deutschland“, der „Stimme der Bewegung“, tauchte die Firma auf. Auch Steffen R. soll für sie gearbeitet haben. Aus NSU-Aktenmaterial geht hervor, dass „Hanse-Records“ in abgehörten Telefonaten eines mutmaßlichen sächsischen Terror-Helfers Thema war. Jan W., „Blood&Honour“-Chef aus Chemnitz suchte demnach 1998 den Kontakt zu den Bremern. R. betreibt heute ein internationales Hostel in der City. In seiner Freizeit spielt er in Tarnklamotten mit Softairwaffen Krieg.

Beate Zschäpe floh im November 2011 nach dem Tod ihrer engsten Mitstreiter Mundlos und Böhnhard in den Norden. In Bremen machte sie nach kurzem nächtlichen Aufenthalt kehrt. Was sie dort wollte, ist bis heute unklar, vielleicht suchte die angeklagte mutmaßliche Rechtsterroristin nur eine Unterkunft oder Hilfe bei zuverlässigen Kameraden.

Nach dem Verbot von „Blood&Honour“ im Jahr 2000 stellte auch „Hanse-Records“  seinen Betrieb ein. Szene-Figur „Brandy“ blieb dem White Noise treu. Steffen R. dagegen wechselte wie viele andere aus der Szene ins Rockermilieu. Zuvor soll er nach Recherchen der Bremer Antifa politisch recht umtriebig gewesen sein. Demnach zählte R. zum regionalen Chapter der „Hammerskin Nation“ und gründete 1985 die Ortsgruppe der später verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) mit. In Bremen war der smarte Irland-Fan als Bindeglied der radikalen rechten Mischszene jedoch kaum bekannt. Dabei hält er (auch) als Rocker den Kontakt zur Szene bis heute.

 

„Endstufe“-Logo mit brauner Torte

Im Clubhaus des „MC Wild Vikings“ in Bremen-Findorff, zu dem R. sich lange bekannte, feierte Jens Brandt mit seiner Ehefrau inmitten einer einschlägigen Schar von Gästen am vergangenen Freitag seine Hochzeit. Eine braune Torte zierte das „Endstufe“-Logo. Pünktlich um sieben Uhr fuhr ein Taxi nach dem anderen vor dem weißen Gebäude mit den teils vergitterten Fenstern vor. Das Gelände liegt zwischen Wohnhäusern, dahinter breitet sich ein Schrebergarten-Gelände aus.

Niemand scheint sich im gutbürgerlichen Stadtteil Findorff an dem Clubhaus zu stören. Dabei ist die Parole „BTBW MC Bremen“ über der Eingangstür eindeutig: „Born to be Wild MC Bremen“. Diese Lederwesten-Truppe bekennt sich offen zu den „One-Percentern“ und damit zur gewaltbereiten, kriminellen Outlaws-Szene. Auch das Landeskriminalamt in Mecklenburg-Vorpommern führt die „BTBW“ in einer Sparte mit „Hells Angels“, „Gremium“ und „Bandidos“. In einem Video bezeichnen sich deren Mitglieder als „Bruderschaft“, die nach der Prämisse leben, „wahre Freundschaft“ gebe es nur unter Männern. Tatsächlich hat dieses Milieu grundsätzlich weniger mit dem Rocker-Mythos als mit Drogen, Waffen, Prostitution, Frauenhandel, Glücksspiel und Schutzgeld-Erpressung zu tun. Steffen R. selber gibt im Internet inzwischen an, Vollmitglied des „MC Blazes“ zu sein. Als deren Logo ist neben dem Totenkopf auch schon mal ein Reichsadler mit Kranz und den Worten „Treue – Ehre“ zu sehen.

 

Neonazi-Hool der „Standarte 88“ als Gast

Die letzten Gäste erreichen derweil in völliger Dunkelheit das Clubhaus. Es ist kaum ausgeleuchtet von außen. Eine Neonazistin aus Verden hilft einem glatzköpfigen Hochzeitsgast im Rollstuhl durch den Schnee. Es ist still, kein Lärm dringt aus dem Gebäude nach außen.

Ein weiterer auffälliger Rotlicht-Rocker ist Gast bei der „Endstufe“-Party: Stefan Ahrlich. Für den Zweimetermann, der sich bis zum Verbot der „Hells Angels“ in Bremen 2013 gern mit ihnen zeigte und außerdem zu den Neonazi-Hools der „Standarte 88“ zählt, arbeitete der ehemalige NPD-Kreisvorsitzende Matthias Schulz aus Verden als Chauffeur. Photos zeigen den fülligen  Neonazi in schwarzer Uniform mit Sonnenbrille wie er stolz die Tür einer weißen Stretchlimousine offen hält. Ahrlich, der mit Bordellen und   Tattooläden im Raum Delmenhorst zu tun haben soll, wirbt offen für seinen Fahrzeug-Service. Bei Facebook inszeniert sich Ahrlich, unterstreicht seine Schwäche für Hooligans mit einem Photo. Es zeigt eine aufgebrachte Gruppe muskulöser Männer, oberkörperfrei und mit hoch gereckten Fäusten, er hat das Motto hinzugefügt: „Heute geht’s rund“. Aus seiner politischen  Einstellung macht er ebenso wie zahlreiche andere Anhänger der Bremer Rocker-Szene keinen Hehl.

 

Kleine Kinder posen neben Kampfhunden

Längst verquicken sich in Bremen und Umgebung rechte Ideologie und Rotlicht-Geschäfte. Immer mehr Neonazis finden ihr berufliches Auskommen in Sicherheitsfirmen, Fitness- oder Tattoostudios und zahlreichen Tarn-Firmen wie Dachdecker-Geschäfte oder Sonnenstudios, die Polizeiangaben zufolge der Geldwäsche dienen können.

Ein Großteil der braunen Bremer Szene bewegt sich offen an der Peripherie zur organisierten Kriminalität. Die Allianz zwischen Hakenkreuz und Kutte bringt im Internet Nicknames wie „Mengele“ oder „Quex“ hervor oder Anhänger zeigen ihre Rennautos, den eigenen Bungalow, „sexy“ Frauen und Tattoos. Kleine Kinder posen neben Kampfhunden. Zum Freimarkt im vergangenen Herbst empfing eine Bremer Abordnung den Präsidenten des  inzwischen verbotenen „MC Schwarze Schar“ aus Wismar, der für seinen Neonazi-Hintergrund bekannt ist. Die Mischszene schließt  Freundschaften zu Werder-Stars, B-Prominenten oder einem auf Schönheitsoperationen spezialisierten Zahnarzt, der immer wieder im Fernsehen zu sehen ist, mit ein.

Bis zu seinem Verbot in Bremen galt das Charter „Westside“ der „Hell Angels“ als Bindeglied. Seit 2013 sind die Kutten aus dem Straßenbild verschwunden, das Clubhaus in der City wurde geräumt. Die Führungsmitglieder Michael W. und Marcel S. zeigen sich seitdem in unauffälligerer Kleidung. Kontakte zu einem neuen Club sollen anscheinend nicht sichtbar werden. Doch längst zeigen sich „Hells Angels“-nahe Verbindungen zum „MC Legion“ auf. Der Mann fürs Grobe scheint auch hier: Stefan Ahrlich.

 

Clubhaus des „MC Legion“ in Brinkum

Im April 2013 kamen die ersten Gerüchte auf, die „Hells Angels“ aus der Hansestadt seien nur wenige Kilometer über die Landesgrenze hinweg in den niedersächsischen Landkreis Diepholz ausgewichen. Dort wo sich bereits einige rechte Bekannte tummeln, ist das Land Bremen nicht mehr zuständig.

Angeblich harmlose „Motorradfreunde“ renovierten in Brinkum ein Steak-Restaurant, doch auf der Rückseite des Gebäudes entstand das Clubhaus des „MC Legion“. Anwohner befürchteten einen Zuzug der „Hells Angels“. Doch die regionale „Kreiszeitung“ gab eilig Entwarnung: Die Sorgen einiger Bürger seien „unberechtigt“, die neuen Mieter seien „harmlose Menschen“ und das Clubhaus sei für Harley Davidson- Fans gedacht.

Bei der Eröffnung im August zeigte sich jedoch ein anderes Bild: Stefan Ahrlich im Shirt des „MC Legion“ begrüßte die ankommenden Gäste. Auffällig viel Polizei steht seitdem bei jedem Tag der offenen Tür vor dem Haus. Einer der „Hells Angels“-nahen Tätowierer feierte im Clubhaus von „Legion“ kürzlich mit Kameraden seinen Geburtstag, der Mann wird auch der Neonazi-Hooligantruppe „Nordsturm Brema“ zugerechnet.

 

„Legionäre“ verkleiden sich als Nikoläuse

Die Anhänger der MC-Neugründung „Legion“ engagieren sich im Internet  – ebenso wie Neonazis aus der Region – für die Initiative „Wir sind Daniel“ und machen damit auch virtuell Stimmung gegen die mutmaßlichen Täter, die für den Tod des jungen Daniel S. aus der Nachbargemeinde Kirchweyhe verantwortlich sein sollen. Beliebte Bands bei den „Legionären“ scheinen  „Kategorie C“, „Endstufe“ oder „Bunker 16“.

Nicht zuletzt wegen ihrer politischen Kontakte ins rechte Spektrum legen die Bremer Rocker aus den Reihen von „Hells Angels“, „Legion“ oder „Wild Vikings“ anscheinend Wert auf bürgerliche Tarnung und soziales Engagement. So verkleideten sich zwei „Legionäre“ am 6. Dezember vergangenen Jahres als Nikoläuse und fuhren gemeinsam mit weiteren „Brüdern“ für eine Charity-Aktion zum Jugendhaus im Bremer Stadtteil Hemelingen, um Präsente zu verteilen. Mit dabei war auch Florian Z., früher „Supporter“ der „Hells Angels“, Tätowierer und rechter Hooligan. Bei der Wohltätigkeitsaktion mit zahlreichen Jugendlichen trug Z. sein neues Label:  „MC Legion“.