[Westbank] Zur Situation in der “Firing Zone 918”

Karte der South Hebron Hills und der Firing Zone. Quelle: Btselem

Im Bergland südöstlich von Hebron gelegen befindet sich ein 30 Quadratkilometer großes Gebiet, das 12 palästinensische Dörfer mit über 1.300 Menschen umfasst. Das israelische Militär hat de facto unter dem Namen „Firing Zone 918“ aus dem Gebiet mit dem ursprünglichen Namen „Masafer-Yatta“ ein militärisches Übungsareal gemacht. Die Bevölkerung soll das Gebiet zwangsweise verlassen.

 

Die israelische Menschenrechtsorganisation B'tselem findet klare Worte und spricht in diesem Zusammenhang von Vertreibung und ethnischer Säuberung. Ein Gerichtsverfahren, angestrebt von den betroffenen Familien und unterstützt von der israelischen Bürgerrechtsorganisation „The Association for Civil rights in Israel (ACRI)“ ist hierzu beim Obersten Gerichtshof in Jerusalem anhängig.


Mehr schlecht als recht leben sie von ihren verbliebenen Oliven- und Mandelhainen, sofern sie diese noch betreten dürfen. Sie betreiben Viehzucht und leben unter ärmsten Verhältnissen. Viele von ihnen hausen in Höhlen oder Zelten. Ihre Behausungen sind Scheune für die Tiere, Küche, Wohn- und Schlafzimmer gleichzeitig. Die palästinensischen Beduinen der „Firing Zone 918“ zählen zu den Ärmsten der Armen in Palästina. Als BesucherIn dieses kargen und trockenen Fleckchen im Heiligen Land, sofern man nicht gerade in israelischer Armee-Uniform auftaucht, begegnet einem Verzweiflung aber auch Lebensfreude, Armut aber auch Gastfreundschaft, Wut aber auch Hoffnung. Sie leben hier seit Generationen, weit länger als die Besatzung des Westjordanlandes durch das israelische Militär seit 1967 anhält. Und sie leben unter permanenter Bedrohung der Räumung, eingekreist von schießwütigem Militär und aggressiven Siedlern. Ihre Dörfer, die von Auslöschung bedroht sind, heißen Jinba, Al-Mirkez, Al- Halaweh, Halat a-Dab’a, Al-Fakheit, A-Tabban, Al- Majaz, A-Sfai Megheir Al-Abeid, Al-Mufaqara, A-Tuba und Sarura.

 

 

Geschichtlicher Hintergrund:

  • Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts war die Gegend Masafer-Yatta weitestgehend unbewohnt. Jedoch wurde sie bereits seit Jahrtausenden durch die Menschen aus der Gegend landwirtschaftlich genutzt. Insbesondere von BewohnerInnen aus dem nahegelegenen Örtchen „Yatta“ wurde diese Gegend bewirtschaftet

  • Zu Beginn des 19. Jahrhunderts setzte die Besiedlung des Gebiets ein, als, aufgrund des Bevölkerungswachstums in der Region, immer mehr Menschen nach Masafer-Yatta zogen und sich dort insbesondere in den Höhlen niederließen. Auch Armut spielte eine Rolle bei der Besiedlung des Gebietes, so zogen insbesondere diejenigen aus den umliegenden Orten zu, welche sich keine Grundstücke in den Orten wie Yatta selbst leisten konnten

  • 1946-48: Ende der britischen Mandatszeit in Palästina. Staatsgründung Jordaniens

  • 14. Mai 1948 Staatsgründung Israels

  • 1948: Eroberung des Westjordanlandes durch Jordanien

  • Juni 1967: Sechstagekrieg und Besatzung des Westjordanlandes durch Israel

  • Ende der Siebziger Jahre: Das israelische Militär richtet in der Gegend von Masafer-Yatta ein 30 Quadratkilometer umfassendes militärisches Trainingsareal ein, die sog. „Firing Zone 918“

  • August und November 1999: eine große Zahl der BewohnerInnen der zwölf Dörfer werden Räumungsbefehle und „Evacuation Orders“ auferlegt. Begründung: „illegales Bewohnen eines militärischen Sperrbezirks“

  • Am 16. November 1999 vertrieben israelische Besatzungstruppen 700 BewohnerInnen gewaltsam aus dem Gebiet. Die israelischen Besatzungskräfte zerstörten Wohnanlagen, Zisternen und konfiszierten das Land. Die nun ehemaligen BewohnerInnen wurde wohnungslos

  • März 2000: der Oberste Gerichtshof in Jerusalem interveniert und genehmigt eine „vorübergehende Rückkehr“ der BewohnerInnen von Masafer-Yatta

  • Seitdem leben die BewohnerInnen in ungesicherten Status und unter permanenter Drangsale des Militärs, dass dort teilweise großflächige Übungen abhält und die Bevölkerung vor Ort gemäß militärischer Anforderungen hin und her schubst

  • Januar 2005: die israelische Zivilverwaltung ordnet die Hauszerstörung von 15 Häusern an

  • Februar 2005: Nach einer Petition der „Rabbis for Human Rights“ entscheidet der Oberste Gerichtshof in Jerusalem, dass die Betroffenen BewohnerInnen bleiben können, sofern sie sich verpflichten keine neuen Behausungen zu errichten

  • April 2012: Das oberste Gericht startet eine Wiederaufnahme der Beratungen über alle Petitionen bezüglich der „Firing Zone 918“. Dies beinhaltet auch jene Petitionen der Behörden, die eine Vertreibung der BewohnerInnen fordern

  • Mai 2013: Nach Angaben der israelischen antimilitaristischen Organisation „Breaking the Silence“ übt das israelische Militär in der „Firing Zone 918“, wo 1.300 Menschen leben, zum ersten mal auch mit scharfer Munition

  • Juli 2012: Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak teilt stellvertretend für die israelischen Behörden dem Gericht in Jerusalem mit, dass nach wie die Absicht besteht das Gebiet ethnisch zu säubern, insbesondere werden 8 Dörfchen genannt, die zuerst geräumt werden sollen: Khirbet al-Majaz, Khirbet a-Taban, Khirbet a-Safai, Khirbet al-Fakhit, Khirbet al-Halawah, Khirbet al-Markez, Khirbet Jenbah and Khilet a-Dabe’. Über 1.000 Menschen leben in diesen Ortschaften

  • 2 September 2013: Das Gericht in Jerusalem ordnet ein Mediationsverfahren an, dem sich das israelische Verteidigungsministerium und die Zivilverwaltung bisher verweigern

 

Aktuelle Situation: Armut, unsicherer Status und gehinderter Zugang zum eigenen Land

Heute ist der Status der BewohnerInnen der Gegend so unsicher wie seit 1999 nicht mehr. Die vom Militär festgesetzten Verwaltungsakte zur Räumung und Häuserzerstörung sind nicht außer Kraft gesetzt.

 

Die BewohnerInnen der zwölf Dörfer dürfen ohnehin nur noch am Wochenende und an jüdischen Feiertagen ihr Land bewirtschaften, sowie während zwei einmonatiger Phasen im Jahr. Eine enorme Einschränkung, welche eine normale landwirtschaftliche Tätigkeit nahezu unmöglich macht und das ohnehin schon beschwerliche Leben weiter verkompliziert.

 

Hinzu kommen permanente (gut dokumentierte) Siedler-Angriffe, bei denen die rechtsradikalen Siedler Olivenbäume zerstören, Vieh abschlachten oder auch den palästinensischen Kindern Gewalt antun. Dies unter Augen des Militärs und von den Soldaten für ihre Taten unbehelligt.

 

Vertreibungen sind ein Verstoß gegen die Genfer Konvention

„Die Vertreibung und gewaltsame Abschiebung von BewohnerInnen eine besetzten Gebiets ist im Sinne des Artikels 49 der Vierten Genfer Konvention, also nach internationalem Recht, absolut illegal“ sagt ein Vertreter der israelischen Bürgerrechtsorganisation „ACRI“, die sich für die Rechte der BewohnerInnen von Masafer-Yatta stark macht. Aber das Recht scheint auch hier, wie immer, mit den Mächtigen zu sein: So gilt, trotz allem juristischen Geplänkel, die vielleicht eher dazu dienen das Bild einer Israels in der internationalen Öffentlichkeit zu wahren, als wirklich Recht zu sprechen, die Räumung ziemlich wahrscheinlich. Zumindest ist das die Einschätzung vieler unabhängiger BeobachterInnen.

 

Die Argumentation der israelischen Behörden und des Militärs ist, dass die BewohnerInnen von Masafer-Yatta erst irgendwann in den letzten zwei Jahrhunderten dort hingezogen seinen, weshalb sie nicht als angestammte Bevölkerung gelten könne und deshalb die Genfer Konvention nicht anzuwenden sei.

 

Mehrere Menschenrechtsgruppen aktiv: „riesige Sauerei“

Neben der israelischen Menschenrechtsorganisation B'tselem, die das Geschehen intensiv verfolgt und auf ihrer Homepage dokumentiert, sind auch andere Gruppen in der „Firing Zone 918“ nahezu täglich präsent. Zu diesen Gruppen zählen das „Christian Peacemakers Team (CPT)“, das „Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel (EAPPI)” und das „International Solidarity Movement (ISM)“. „Wir teilen uns die Tage in der Woche auf, um dort „Protective Presence“ durchzuführen“, sagt der ISM-Aktivist Claudio. „Häufig kommt es zu Übergriffen der Soldaten, beispielsweise auf die Kinder der Beduinen auf ihrem Weg zur Schule. Mit unserer Anwesenheit versuchen wir u.a. einen ungehinderten Zugang der Kinder zur Schule zu ermöglichen. Aber wir versuchen auch die Siedlerübergriffe zu dokumentieren und zu verhindern (…) Humanitär betrachtet ist es eine riesige Sauerei mit ansehen zu müssen, wie die Ärmsten der Armen unter den Palästinensern hier durch das Militär herum geschubst werden, damit die Soldaten für die Besatzung und das Morden trainieren können“, so der ISM Aktivist weiter.

 

 

30.09.2013, Svenson Berger für Indymedia , Tel Aviv

nospam.svenson_berger@riseup.net

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klasse artikel!

 

mögen sie hoffentlich dort wohnen bleiben können!