„Manche haben versucht, die düstere Geschichte der Legion Condor zu verdecken“
Seit Jahren forscht der Arbeitskreis Regionalgeschichte aus Neustadt die Vergangenheit des Militärstützpunktes Wunstorf/Niedersachsen, bekannt als Ausgangspunkt des Fluggeschwaders Boelcke, in dem Personal für die Kampfgeschwader der Legion Condor ausgebildet wurden und die im Spanischen Krieg eine vernichtende Rolle spielte und unter anderen die baskische Stadt bombardierte und dabei einem Massenmord beging.
Ergebnis der Arbeit ist zum einen das Buch “Luftwaffe, Judenvernichtung, totaler Krieg; Guernica, Łomża, Warschau, Coventry“ (Neustadt 2010), zum anderen eine Ausstellung zur Geschichte des Kampfgeschwaders Boelcke und der Legion Condor, ausgehend von den Jahren nach dem 1.Weltkrieg, über den spanischen Einsatz, den 2.Weltkrieg, bis heute. Diese Ausstellung wird in Kürze auch im Baskenland gezeigt.
Die Anwesenheit von zwei Mitarbeiter/innen des AKR in Bilbo (Hubert Brieden, Mechthild Dortmund) war für die einzige allein baskisch-sprachige Tageszeitung BERRIA Anlass, ein Interview zu machen über die Geschichte der Ausstellung:
Hubert Brieden, Historiker, und Mechthild Dortmund, Lehrerin, waren im Baskenland, um der ins Baskische übersetzten Version der Ausstellung “Die Vernichtung von Gernika am 26.April 1937 – Geschichte und Gegenwart eines deutschen Kriegsverbrechens“ den letzten Schliff zu geben. Die Ausstellung über die Legion Condor und die Luftwaffe der Nazis basiert auf dem 2010 von Brieden und Rademacher herausgegebenen Buch: “Luftwaffe, Judenvernichtung, totaler Krieg“.
Hier im Baskenland ist die Erinnerung an die Legion Condor eng mit der Bombardierung Gernikas verknüpft. Die AK Regionalgeschichte geleistete Arbeit zeigt jedoch, dass deren Geschichte deutlich weiter zurückgeht und ihre Fortsetzung bis in die Gegenwart reicht. Im April wird die Ausstellung in Wunstorf zu sehen sein, danach wird sie ins Baskenland kommen.
F: Wie entstand die Idee, über die Legion Condor zu forschen und eine Ausstellung zu entwickeln?
A: Wir leben in der Region Hannover, in der sich ein wichtiger Stützpunkt der deutschen Luftwaffe befindet, in Wunstorf. Anfang der 1980er Jahre entstand eine Gruppe zur Aufarbeitung der Geschichte der Region, weil die Jahre der Nazizeit mit Tabu belegt waren. Als wir anfingen nachzuforschen und Zeitzeugen zu befragen, kam die Vermutung auf, dass der Fliegerhorst Wunstorf etwas mit dem Krieg in Spanien zu tun haben könnte. Wir begannen das Regionalarchiv durchzusehen, konnten jedoch keinerlei Hinweis finden. Wir suchten auch die heutige Kommandantur des Stützpunkts auf und der Verantwortliche sagte uns, dass es diesbezüglich keinerlei Information gäbe und dass der Stützpunkt rein gar nichts mit dem Krieg in Spanien zu tun gehabt hätte.
F: Blieb eure Forschung dabei stehen?
A: Nein, denn während eines Besuchs im Militär-Hauptarchiv in Freiburg fanden wir mehrere Dokumente der Legion Condor. Daher wissen wir, dass das Personal der Legion Condor und ein Drittel der Flugobjekte aus Wunstorf stammten und viele der Bomberpiloten, auch an der Bombardierung Gernikas Beteiligte, in diesem Fliegerhorst ausgebildet wurden. Die Forschungsergebnisse gaben wir in einer kleinen Broschüre heraus, was ziemlich viel Staub aufwirbelte, speziell in Wunstorf. 1984 nahmen wir Kontakt auf mit verschiedenen Gruppen in Gernika, einige von uns fuhren auch nach Euskal Herria, wo wir sehr herzlich empfangen wurden. Seit damals pflegen wir den Kontakt mit Gernika Batzordea. Wir forschten weiter und fanden neue Beweise dafür, dass der Stützpunkt Wunstorf bei der Bombardierung Gernikas eine entscheidende Rolle spielte.
F: Zum Beispiel?
A: Wir fanden das Tagebuch von Oberstleutnant Wolfram Freiherr von Richthofen. Er war nicht nur oberster Verantwortlicher der Legion Condor, sondern auch Chef aller faschistischen Luftkräfte der Nordfront, darunter deutsche, italienische und spanische Einheiten. In diesem Tagebuch erwähnt er auf sehr exakte Art und Weise Details rund um die Bombardierung Gernikas. Er schrieb nicht nur, dass die Bombardierung “ein voller Erfolg“ war, sondern nennt auch umfassende technische Daten, die uns wissen lassen wieviel Material notwenig ist, um eine zivile Stadt völlig zu zerstören. Die Lehren aus Gernika fanden im folgenden II.Weltkrieg ihre weitere Anwendung; zum Beispiel war beim Angriff auf Polen im September 1939 jedes Flugzeug mit mindestens einem Piloten der Legion Condor besetzt, um das in Spanien Gelernte zu übertragen.
F: Ist die Ausstellung Ergebnis all dieser Nachforschungen?
A: Ja. Letztes Jahr bereiteten wir uns auf den 75. Jahrestag der Bombardierung Gernikas vor und zeigten die Ausstellung in mehreren deutschen Städten. Ab dem 7.April wird sie in Wunstorf selbst zu sehen sein. Bei diesem Thema treten die städtischen Verantwortlichen immer etwas zurückhaltend auf und obwohl das Thema anfangs viel Polemik hervorrief, stellt heutzutage niemand mehr die Beteiligung dieses Fliegerhorsts an der Bombardierung Gernikas in Frage. Wir werden sehen was passiert. Unser besonderes Interesse gilt natürlich den möglichen Reaktionen seitens des Militärs.
F: Warum ist dieses Thema so unangenehm für die Militärs, die heutzutage den Stützpunkt verwalten?
A: Nach Ende des II.Weltkriegs gab es viele Treffen von Veteranen der Legion Condor und der neuen Militärgeneration. Die Veteranen hatten die Aufgabe, der neuen deutschen Luftwaffen-Generation all ihre Erfahrungen zu übermitteln. Diese Treffen fanden immer geheim statt und so langsam bringen wir immer mehr darüber in Erfahrung. Der Militärstützpunkt Wunstorf hat die Veteranen der Legion Condor immer mit offenen Armen empfangen. Die heutzutage benutzten Embleme sind denen der Legion Condor allesamt sehr ähnlich und das dem Junkers 52 Flugzeug gewidmete Museum hebt die zivilen Vorteile dieses Flugzeugs hervor ohne zu erwähnen, dass diese Maschinen bei der Zerstörung von Gernika und Durango zum Einsatz kamen. Der Fliegerhorst Wunstorf wird zur Zeit von der Bundeswehr ausgebaut als Standort für das Großraum-Militär-Transportflugzeug Airbus 400 M. Der Fliegerhorst wird damit zur Drehscheibe von Bundeswehr und Nato für zukünftige internationale Kriege.
F: Das heißt also, dass auch in Deutschland die Verantwortung mancher Aktivisten während des Naziregimes versteckt wurde?
A: Klar, dafür gab es zwei Gründe: einerseits der Antikommunismus und der damit verbundene Kalte Krieg nach Ende des II.Weltkriegs. Andererseits darf nicht vergessen werden, dass am Aufbau des Nachkriegs-Deutschlands viele Funktionsträger des Naziregimes beteiligt waren. Nach Ende des II.Weltkriegs war es Deutschland verboten, eine Armee aufzubauen, aber als dieses Verbot 1956 aufgehoben wurde, waren die Erfahrungen der Verantwortlichen in der nazionalsozialistischen Armee sehr gefragt. Es wird geschätzt, dass beim Aufbau der Bundeswehr in Deutschland diese zu 80% aus ehemaligen Mitgliedern der SS, SA und anderen Naziorganisationen bzw. der Wehrmacht bestand.
Wielun
Eine der ersten Aktion der Nazis im WW2 war die Zerstörung der polnischen Stadt Wielun. Es gab keinen rationalen Grund, dieses rein zivile Ziel zu vernichten. Möglicherweise war es eine Rekapitulation des "Gelernten" aus Spanien.