K: Staatsanwaltschaft wegen NSU-"Ermittlungen" angegriffen

oehme

Heute Morgen haben autonome Antirassist_innen das Büro von Staatsanwalt Oehme in Köln verwüstet – die Scheiben wurden entfernt und das Büro eingefärbt. Die Angreifer_innen hinterließen am Eingang zum Gebäudekomplex der Staatsanwaltschaft die Parole „Staatsanwaltschaft ermutigt Nazimörder und bedroht deren Opfer“. Oehme leitete in einer zweiten Phase die rassistischen Ermittlungen zum NSU-Bombenanschlag in der Keupstraße 2004 und ist führend mitverantwortlich für die jahrelange Terrorisierung der Opfer durch die Ermittlungsbehörden.

 

NSU-Ermittlungen - kein Skandal sondern Methode
Die unmissverständliche Botschaft ist bei den Opfern und Anwohner_innen der Keupstraße angekommen: „Das wollen wir hier nie wieder hören“ drohten Ermittler_innen einem Opfer mehrmonatiger polizeilicher Übergriffe im Rahmen der „Ermittlungen“ zum NSU-Bombenanschlag vom 9. Juni 2004 in Köln. Der von der Polizei bedrohte hatte frühzeitig bei seinen Verhören geäußert, er vermute Nazis hinter dem Attentat. Das immer noch eingeschüchterte Opfer traute sich vor wenigen Wochen erstmals über diese Bedrohungen zu reden.

Opfer zu Tätern - keine „Ungereimtheiten“ und keine „bedauerlichen Pannen“
Mit der Einstufung des NSU-Bombenanschlags (noch am selben Tag) als „Milieustraftat“ oder „Auseinandersetzung zwischen Kurden und Türken“ durch Polizei und Staatsanwaltschaft wurde die Suche auf den Bereich „Ausländerkriminalität“ gelenkt. Daraufhin wurden migrantische Zusammenhänge über Monate ausgeforscht und terrorisiert. Razzien bei Opfern des Bombenattentats sowie bei deren Verwandten und Nachbar_innen waren an der Tagesordnung. Kölns Finanzämter leisteten „Amtshilfe“ und setzen die Drohgebärden der Ermittler bereitwillig um, in dem sie mehreren Gewerbe treibenden Opfern des Keupstraßen-Attentats die finanzielle Existenzgrundlage zerstörten. Hier einige wenige Details der „Ermittlungsarbeit“ von Polizei und Staatsanwaltschaft in Abstimmung mit dem Lagezentrum des NRW-Innenministeriums:

Bereits wenige Stunden nach dem Anschlag wurde von mindestens einem der Opfer noch auf der Intensivstation! zwangsweise eine DNA-Probe genommen. +++ Wegen seines Umzugs ins Düsseldorfer Umland nimmt NRW-Innenminister Behrens vom 9.-14.6.2004 Urlaub. Obwohl ihm bereits eine Stunde nach dem Anschlag das Lagezentrum von „terroristischer Gewaltkriminalität“ in Köln in Kenntnis setzt, bleibt Behrens bis zum 14. Juni „in Urlaub“. +++ Zehn Minuten nach diesem ersten Anruf an den beurlaubten Innenminister erhält das Landeskriminalamt eine Weisung aus dem Innenministerium: „Bitte um Streichung des Begriffes 'terroristischer Anschlag' aus dem momentanen Schriftverkehr“. +++ Vier Stunden später fragt das Landesinnenministerium entrüstet „Warum ist der Verfassungsschutz involviert?“ +++ In Abstimmung mit dem LKA versichert die Bezirksregierung Köln dem Innenministerium im Vorfeld einer Pressekonferenz im Juli 2004: „Das Polizeipräsidium Köln wird den Aspekt einer laut Ergebnissen der Offenen-Fall-Analyse möglicherweise vorliegenden fremdenfeindlichen Motivation nicht thematisieren.“

Die Ermittlungsausschüsse werden sicher noch weitere „Ungeheuerlichkeiten“ zu Tage fördern. Doch bereits die hier aufgeführten Details sogenannter „Ermittlungs-Pannen“ verstellen den Blick auf den ganz und gar nicht neuen Kern: Eine gezielte staatliche Förderung und sttatlicher Schutz für rechte Todesschwadrone.

Auch die Ermittlungen zum Brandanschlag 1996 in Lübeck tragen diese Handschrift. Zehn Flüchtlinge verbrennen in einem Asylbewerberheim. Safwan Eid, ein Bewohner wird aufgrund der Aussage eines rechtsradikalen Sanitäters festgenommen und als Mörder beschuldigt. Polizei und Staatsanwaltschaft setzen alles daran, die eindeutigen Verdachtsmomente gegen drei jugendliche Nazis aus der Welt zu schaffen. Das LKA hält einen Brandanschlag von außen gar für „ausgeschlossen“. Gegengutachten und öffentlicher Druck erzwingen die Freilassung von Safwan Eid. Es gibt keine weiteren Ermittlungen gegen die Nazimörder. Doch die rassistische Umprägung von Opfern zu Tätern ist auch medial eingebettet. Die Tageszeitung TAZ beweist sich 1996 als „Tabubrecherin“: Es müsse auch erlaubt sein, zu denken, dass Flüchtlinge Asylbewerberheime anzünden.

Verfassungsschutz auflösen?
Es wäre geradezu verharmlosend, lediglich den Verfassungsschutz etwa mit der appellierenden Forderung nach dessen (Selbst-)Auflösung in die Verantwortung einer Politik rechten Terrors zu nehmen. Die Gesamtwirkungsweise staatlicher Unterstützung für rechte Todesschwadrone ist umfassender und vielschichtiger:

Nazimörder töten mit staatlicher Unterstützung – direkt logistisch und finanziell. Die Bedrohung dieser Blutspur kommt bei in Deutschland lebenden Migrant_innen an – auch ohne unmittelbare Bekennung. Die gezielten, bewusst verschleiernden Ermittlungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft ermöglichen nicht nur die Bewegungsfreiheit der NSU über einen langen Zeitraum, sondern müssen mindestens als Ermutigung für weitere militante Nazigruppen verstanden werden. Die Signatur, gegen Opfer rechter Gewalt als Beschuldigte zu ermitteln, schüchtert zielsicher ein und stärkt hegemoniale rassistische Aggressivität. Die Strategie der Verkehrung wird medial mitgetragen und befördert die Gewöhnung an ein Stigma-Regime. Die Rechnung des staatlich geförderten Rechtsterrorismus geht auf – ein Klima von Verunsicherung, Ausgrenzung und Angst unter Migrant_innen ist geschaffen - Angst vor Nazis, Angst vor Behörden.

Das heißt - die direkten Amtshelfer_innen dieser rassistischen Täter-Opfer-Umprägung sitzen nicht nur beim Verfassungsschutz, sondern ebenso bei nicht-geheimdienstlichen Behörden, wie Staatsanwaltschaft, Justiz, Polizei, Finanzamt, bei der Bezirksregierung sowie in den Redaktionsetagen vieler Medien.

Und nun der Prozess als juristische Legitimationsbeschaffung
Der bevorstehende „NSU-Prozess“ in München soll die (geringfügig) irritierte staatliche Legitimität wiederherstellen. Wir fordern dazu auf, sich der in Deutschland so hervorragend einstudierten Bewältigungsinszenierung zu verweigern. Dazu zählt auch die Illusion von „Aufklärung“ in dem nun anstehenden Prozess.

Wir solidarisieren und mit den Opfern rechter Gewalt und erteilen der Rehabilitation des Staates unsere Absage durch einen praktischen Antirassismus gegen dessen Amtshelfer_innen.

Wir grüßen alle, die am Wochenende in München für eine breite und eindrucksvolle Demonstration gegen Rassismus gesorgt haben und rufen zu einem ähnlich deutlichen Signal am 25. Mai in Solingen und Berlin auf - das Problem heißt Rassismus.

autonome Antirassist_innen

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Es ist genau richtig, den Kopf des Repressionsapparates zu treffen und das sind in einem sogenannten "Rechtsstaat" die Justiz und deren Lakaien, nämlich vor allem Staatsanwaltschaften, Richterinnen und Richter. Diese Personengruppe denkt offenbar, daß sie im Schutze ihrer Amtsstuben und Gerichtsgebäude für sie auf Dauer folgenlos rassistische Doktrin durchsetzen und Menschen, die dagegegen etwas unternehmen, einer immer massiveren Repression aussetzen können. Diese stets in albernen Roben auftretende Personengruppe setzt bekanntermaßen Nazigegner einer von Jahr zu Jahr immer übler werdenden Repression aus, die bisher im "Fall Tim" seinen Höhepunkt fand und sicherlich im "Fall König" einen weiteren Höhepunkt finden wird. Dagegen muß schon jetzt kreativ vorgegangen werden, insofern ist die Umgestaltung des Büros eines Staatsanwaltes, egal an welchem Ort, eine begrüßenswerte und richtige Maßnahme im Kampf gegen den institutionalisierten Rassismus, der schon längst in bundesdeutschen Behörden an der Tagesordnung ist und Staatsanwaltschaften sind ein gehöriger Teil genau dieses Problems.

Die Nation beruhigt sich durch ihren NSU-Prozess doch eh nur noch selbst...