Liberal geht auch national: Burschenschafter will Leipziger OB werden

René Hobusch

Verbindungs-Unwesen: Der FDP-Kandidat zur Leipziger Oberbürgermeister-Wahl, René Hobusch, ist “Alter Herr” der einschlägigen “Leipziger Burschenschaft Germania”. Dort und im Umfeld tummeln sich Neonazis. Distanziert hat sich der “liberale” Anwärter bisher nicht. 

Im Mai 2010 debattierte der Leipziger Stadtrat, dem 1920 verstorbenen Karl Binding die Ehrenbürgerschaft zu entziehen. Die damals noch zwei NPD-Abgeordneten im Stadtrat wollten ihren Ehrenbürger unbedingt behalten und stimmten gegen die Aberkennung. Das liegt nahe. Ungewöhnlich war nur, dass die NPD den FDP-Mann Hobusch auf ihrer Seite wusste.

 

Ungewöhnlich war das, weil Binding eine kontroverse Figur ist. Der heute weitgehend vergessene “Rechtsgelehrte” war zwar kurzzeitig Rektor der Universität Leipzig. Bekannt wurde er aber als Vordenker der Euthanasie mit einem posthum veröffentlichten Band über “Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens”. Der zum Zeitpunkt der Abstimmung noch weithin unbekannte Hobusch war da schon stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion im Stadtrat. Sein eigenartiges Votum erklärte er nicht.

Jetzt ist Hobusch stadtbekannt. Er will am 27. Januar Oberbürgermeister der Messestadt werden – und hat massive Probleme, sich nach rechtsaußen abzugrenzen.

 

Einschlägige und schlagende Burschen


So berichtete die Leipziger Internet-Zeitung kürzlich, dass Hobusch Mitglied der rechtsoffenen “Leipziger Burschenschaft Germania” ist und heute ihrem Altherrenverein angehört. Die Leipziger “Germanen” gelten selbst innerhalb des Dachverbandes “Deutsche Burschenschaft” (DB) als Hardliner. Die DB geriet in den vergangenen Monaten immer wieder in die Schlagzeilen, weil der Verband seinen untergebenen Burschen einen regelrechten “Ariernachweis” abverlangen wollte.

 

Mittlerweile sind einige Mitgliedsbünde aus Protest gegen den Neonazi-Kurs aus der DB ausgetreten. Nicht so die “Germanen” aus Leipzig.

Als wäre nichts gewesen, stellten sie bei der vergangenen Verbandstagung im November den Antrag, die Pflichtmensur wieder einzuführen. Begründung: Das stärke “in waffenstudentischer Hinsicht” die Einheit der DB. Bereits im Oktober hatten die Leipziger Burschen Felix Menzel, einen bekannten Aktivisten der “Neuen Rechten” aus Chemnitz, zu einem rassistischen Vortrag über “Ausländerkriminalität” eingeladen. Demnächst, am 19. Januar, soll eine “Reichsgründungskneipe” stattfinden.

 

Es mag “liberale” Burschenschaften geben – die Germania gehört nicht dazu. Das Gegenteil ist der Fall, das zeigen ausgerechnet Hobuschs Burschen-Brüder.

Beispiel Gerd Fritzsche: Bis Anfang 2012 saß der Borsdorfer für die NPD im Kreistag des Landkreises Leipzig. GAMMA hatte aufgedeckt, dass Fritzsche gemeinsam mit weiteren NPD-Kadern an Schießübungen des Leipziger Reservistenverbandes der Bundeswehr teilgenommen hat. Bis Herbst 2009 war Fritzsche wie Hobusch “Alter Herr” der “Leipziger Burschenschaft Germania”, wurde dann aber ausgeschlossen. Die Adresse der “Germania” verwendete Fritzsche zeitweise im Impressum seiner Website.

 

Beispiel Bernd Knapstein: Der gebürtige Kölner engagierte sich in der Vergangenheit als CSU-Fördermitglied, ferner im “Bund der Vertriebenen” sowie der neonazistischen “Jungen Landsmannschaft Ostpreußen” (JLO). Er trat wiederholt als Autor der rechten Wochenzeitung “Junge Freiheit” in Erscheinung und war 2003 Mitzeichner einer “Solidaritätserklärung” mit dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann, der in Folge einer antisemitischen Rede 2003 aus der CDU-Fraktion und kurz darauf aus der Partei ausgeschlossen worden war. Auch Knapstein gehört zu Hobuschs “Germania”.

 

Dort tummelt sich ein illustrer Kreis. Ein früherer Bundesrichter beispielsweise. Oder Jörg Krause, ehemaliger Bundestags-Direktkandidat der DSU und Vorsitzender ihrer Jugendorganisation. Im Jahr 2002 protestierte er mit einer eigenen Website gegen die Wehrmachtsausstellung in Leipzig – der “Protest” schlug sich nieder in zwei Neonazi-Aufmärschen. Krauses “Germania”-Bruder Michael Schuster, der sich als Wortführer der Burschenschaft hervortat, war DSU-Kandidat für den Leipziger Stadtrat.

 

Weitere “Germania”-Leute bezeugten in der Vergangenheit ihre Sympathie für den “Hofgeismarer Kreis” – das sind Sozialdemokraten mit Faible für nationalrevolutionäre und “nationalbolschewistische” Positionen aus der Zeit der Weimarer Republik. Zu den führenden “Hofgeismarern” der 1990er Jahre gehörte u.a. der Leipziger Juso-Vorsitzende Sascha Jung, zugleich Mitglied der einschlägigen “Münchener Burschenschaft Danubia”. Das Leipziger “Germania”-Mitglied Wilhelm Nordmeier unterzeichnete 2007 einen Appell gegen den Ausschluss Jungs aus der SPD.

 

Zusammenarbeit mit militanten Neonazis


Es geht noch krasser. Auch der Chemnitzer Neonazi Maik Otto gehört zur “Leipziger Burschenschaft Germania”, war im Wintersemester 2008/09 gar deren Sprecher. Ottos Karriere sagt alles: Er kandidierte 2009 als Vertreter der “Freien Kräfte” auf dem Ticket der extrem rechten “Pro Chemnitz”-Fraktion für den dortigen Stadtrat. Otto ist als Vertreter der “IG Chemnitzer Stadtgeschichte” auch einer der Initiatoren des jährlichen Neonazi-Trauermarschs in Chemnitz und trat zu diesem Anlass 2010 als Redner auf.

 

Otto wird dem militanten Kameradschafts-Netzwerk “Freien Netz” zugerechnet. Er mischt unter anderem mit bei den “Nationalen Sozialisten Chemnitz” (NSC) und dem völkischen “Volkstanzkreis Cossen”.

Brisant ist, dass sich bei “NSC” und im “Volkstanzkreis” mehrere Personen engagieren, die im Verdacht stehen, die Rechtsterror-Gruppe “Nationalsozialistischen Untergrund” (NSU) unterstützt zu haben. “Pro Chemnitz”-Fraktionschef Martin Kohlmann, der auch schon beim “Volkstanzkreis” auftauchte, ist Rechtsbeistand eines mutmaßlichen NSU-Helfers. Und auch Kohlmann ist ein “Bursche”, er ist als “Alter Herr” der “Arminia zu Leipzig” aufgefallen. Mittlerweile gilt er als regelrechter Szeneanwalt.

 

Wertlose Distanzierung


Hobusch konnte sich bisher nicht schlüssig von dieser braunen Seilschaft distanzieren. Vielmehr betonte er, Burschenschaften stünden “in der Tradition der Freiheitskämpfe”. Zumindest im Falle der “Leipziger Burschenschaft Germania” ist klar, welche Sorte “Freiheitskampf” hier gemeint ist. Hobusch setzte in einer Erklärung auf seiner Website hinzu, er wolle die “Tradition der Burschenschaften” nicht “Demokratiefeinden von Rechtsaußen” überlassen. Warum er dann bei eben solchen Mitglied ist, sagte er nicht.

 

Zur Ehrenrettung führt Hobusch abschließend an, dass er im Begleitausschuss des Leipziger Aktionsplans (LAP) “Leipzig. Ort der Vielfalt” mitarbeitet. An den Vorwürfen ändert das: überhaupt nichts.

 


Lesetipp: Der StudentInnenrat (StuRa) der Universität Leipzig hat 2011 eine nach wie vor interessante Broschüre zum Verbindungs-Unwesen in Leipzig (PDF) herausgegeben.

 

 

 

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Ich denke, dass Hobusch`s Erklärung eher "wertlos" ist, als dass sie eine "Distanzierung" darstellt. Im Großen und Ganzen, hebt er die Werte und Traditionen der Bruderschaften hervor und bietet netterweise, auf Anfrage, weitere Informationen dazu an.

Er ist damit einer klaren politschen Stellungnahme aus dem Weg gegangen. Vielmehr konnte er sich als einen Typen profilieren, der zu sich steht, wie auch diese widerliche Endloskommentarliste, unter seiner Erklärung zeigt.

Leider, so glaube ich, wird es wohl genau dies sein, was in den Köpfen hängen bleibt, da den meisten "bürgerlichen Durchschnittswählern", Burschenschaften eher als merkwürdige Männerbünde, denn als etwas Bedrohliches erscheinen dürften.

Beim eigentlich wichtigen Thema, der Abgrenzung von rechtem Gedankengut, begnügte sich Hobusch mit zwei indirekten Sätzen. Wobei er einmal die Tradition der Burschenschaften und einmal seine Arbeit bei "Leipzig.Ort der Vielfalt" als Puffer dazwischen schob. Was nun eher darauf schließen lässt, dass Hobusch die "Demokratiefeinde von Rechtsaußen" relativ egal sind, solange sie nicht in sein Gehege eindringen.

Verwunderlich ist dies nicht, da Hobusch schon 2009 klar machte, in welche Richtung, er die Keule, aus der "gesellschaftlichen Mitte" heraus, schleudern möchte. Dazu ein paar Sätze aus seinem Kommentar "Stillhalteabkommen mit linker Szene keinen Cent wert – auch nicht für Gießerstraße 16", zu lesen unter fdp-leipzig.de.

"(...)Seit anderthalb Jahrzehnten buhlt die Stadtverwaltung um die linke Szene. Immer wieder wurden dem Leipziger Steuerzahler Geschenke abgeluchst, um Ruhe und Versöhnlichkeit mit den Linken und Autonomen teuer zu erkaufen. Das war sicher einen Versuch wert. Aber den sehe ich als gescheitert an. (...)Leipzig hat nicht nur Probleme mit Rechtsextremismus, sondern auch mit Linksextremisten. Die Gegend um das Connewitzer Kreuz ist immer noch eine Hochburg linksextremer Gewalt. Ein zweites Connewitz kann Leipzig, kann Plagwitz, nicht gebrauchen. (...)Dass wie unlängst geschehen die Informationen über Veranstaltungen der rechten Szene in der Odermannstraße durch die Polizei und den Verfassungsschutz nur zögerlich oder gar nicht an die Leipziger Stadtverwaltung weitergegeben werden, zeugt von einem tiefen Misstrauen. Scheinbar mussten die Polizisten davon ausgehen, dass die Informationen von dort zu den Linksautonomen durchdringen und fürchteten eine Eskalation durch Gegenaufmärsche. Das sollte uns allen zu denken geben."

Gerade beim letzten Satz, steigt mir doch Binding`s "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" wieder in den Kopf.

Naja rumwienum, ich habe jedenfalls den Eindruck, dass sich Hobusch mehr an verbrannten Mülltonnen, als an politisch motivierten Morden in unserer Stadt stört.