Alle Jahre wieder… Kampagne gegen den Nazi-Unternehmer Detlev Hartmann ging in die zweite Runde Ein Rückblick:
Wie antifaschistisches Engagement zum Selbstläufer werden kann, zeigten bereits im vergangenen Jahr Antifas aus dem östlichen Ruhrgebiet.
2011
Nachdem Unbekannte ein Flugblatt in den Umlauf brachten, auf dem die NPD-Kandidatur des Unternehmers Detlef Hartmann für den Bundestagswahlkampf 2009 (im Wahlkreis 104 Solingen/Remscheid/Wuppertal II) thematisiert wurde, nahm sich das Antifaschistische Aktionsbündnis Witten der Sache an und veröffentlichte die belegten Fakten im Dezember 2011 auf seiner Internetpräsenz: Detlef Hartmann schien einer der finanzkräftigsten NPD-Kandidaten in NRW zu sein, da seine Süßwarenfirma Osella zahlreiche Verkaufsstände auf überregionalen Weihnachtsmärkten, diversen Festen und auch im Bochumer Rewirpowerstadion stellen konnte.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Kandidatur Hartmanns für die Nazi-Partei für nur wenig Aufsehen gesorgt, hatte Hartmann doch – nach außen stets den seriösen Geschäftsmann mimend – wohlweislich darauf verzichtet in seiner Heimatstadt anzutreten und dies lieber seinem NPD-Kameraden Dieter Schulz überlassen.
Erste Konsequenzen seines Engagements für die Nazi-Szene bekam Hartmann allerdings schon 2009 zu spüren:
Kurz bevor seine damalige Pizzeria „La Osella“ mit Hilfe der Fernsehserie „Die Küchenchefs“ zu überregionalen Ehren kommen konnte, wurde der Sender VOX auf Hartmanns NPD-Mitgliedschaft aufmerksam gemacht und „honorierte“ dies konsequenterweise mit einem Ausstrahlungsstopp der schon fertiggedrehten Folge. („Die Küchenchefs“ in Witten. TV-Köche zaubern in Annen. Derwesten.de, 24. Oktober 2009, abgerufen am 19. Dezember 2012.) (Küchenchefs drehen in Witten. kochprofisforum.de, abgerufen am 21. Dezember 2012.)
Als auch Duisburger Genoss_innen, mit Verweis auf einen Osella-Stand in Duisburg 2011, das Flugblatt auf ihrem Blog dokumentierten und der Hintergrund des Firmeninhabers bekannter wurde, recherchierte die damalige Redaktion der „Bochumer Stadt- & Studierendenzeitung“ (bsz) dankbarerweise über die Machenschaften des Wittener Biedermanns und deckte auf, dass dieser sein Gelände mehrfach für Nazi-Grillfeste und ein NPD-Sommerfest zu Verfügung gestellt hatte. (Brauner Zucker. Die Firma Osella sorgt für Kontroversen auf dem Weihnachtsmarkt. bsz, 12. Dezember 2011, abgerufen am 21. Dezember 2012.)
In Folge des bsz-Artikels vom 12. Dezember 2011 und dem darin erwähnten Osella-Stand auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt, kamen die Bochumer Lokalredaktionen in publizistischen Zugzwang und berichteten ab dem 14. Dezember 2011 in eigener Sache. Auch im überregionalen Teil der WAZ fand das Thema Beachtung: Die Redaktion interviewte den braunen Bonbonhändler selbst, dem es nicht gelang sich glaubwürdig von der NPD zu distanzieren. (Jürgen Stahl: Proteste. Ehemaliger NPD-Kandidat verkauft auf Bochumer Weihnachtsmarkt Süßes. Derwesten.de, 14. Dezember 2011, abgerufen am 21. Dezember 2012.) (Benedikt Reichel: Kandidatur für Rechtsextreme. Weihnachtsmarkt. Standbetreiber mit NPD-Vergangenheit. Ruhr Nachrichten, 14. Dezember 2011, abgerufen am 21. Dezember 2012.)
Auch die Lokalredaktion der Hattinger WAZ, nahm am 19. Dezember 2011 den Osella-Stand auf ihrem Weihnachtsmarkt zum Anlass um über Hartmann zu berichten. (Julia Benkel: 37. Nostalgischer Weihnachtsmarkt. NPD-Nähe auf dem Weihnachtsmarkt. Derwesten.de, 19. Dezember 2011, abgerufen am 21. Dezember 2012.)
In der Zwischenzeit hatte der mediale Sturm bereits Früchte tragen können. So hatten Antifascht_innen 800 Flugblätter in unmittelbarer Nähe der Bochumer Osella-Bude verteilt und dadurch nichts ahnende, potentielle Kund_innen vom Kauf der braunen Bonbons abgehalten.
Ebenso soll es zu einem Buttersäure-Anschlag auf den Verkaufsstand gekommen sein. (Linke Chaoten: BO. Buttersäureüberzug für braunen Süßigkeitenstand. linksunten.indymedia.org, 19. Dezember 2011, abgerufen am 21. Dezember 2012.)
Neben den Printmedien informierten mittlerweile auch zahlreiche Internetseiten, wie z.B. der Ruhrbarone-Blog über die Kampagne. (Stefan Laurin: Ärger für Bochumer Weihnachtsmarkthändler mit NPD Vergangenheit. Ruhrbarone, abgerufen am 21. Dezember 2012.)
Doch auch 2012 sollte dank einiger engagierter Antifaschist_innen aus mehreren Städten kein ruhiges Weihnachtsfest für Detlef Hartmann werden:
2012
Neben einer offiziellen Erklärung auf der Firmen-Homepage von Osella zum Sommeranfang, in der es hieß, 2015 in den vorläufigen Ruhestand gehen zu wollen (Brauner Zucker adé. bsz, 3. Juli 2012, abgerufen am 21. Dezember 2012.), gab es für Antifaschist_innen im Dezember 2012 eine weitere gute Nachricht zu verzeichnen:
Der Bochumer Weihnachtsmarkt verzichtete offensichtlich darauf, Hartmanns Firma ein weiteres mal auf seinem Gelände einen Standplatz zu vermieten.
Allerdings berichtete der Ruhrbarone-Blog jetzt über neu gesichtete Osella-Verkaufsstellen in Münster und Recklinghausen. (Stefan Laurin: Auch in Münster und Recklinghausen. Braune Bonbons schmecken nicht! Ruhrbarone, abgerufen am 21. Dezember 2012.)
Glücklicherweise ließ auch hier die Reaktion nicht lange auf sich warten. Schon einen Tag später verteilte die Antifaschistische Backaktion Münster mehrere hundert Flugblätter vor dem Osella-Stand auf dem münsteraner Weihnachtsmarkt und durfte ihre Materialien – mit ausdrücklicher Bitte des bis dato uninformierten Osella-Personals – sogar am Stand selbst platzieren. In einer beispiellosen Agitprop-Performance forderte außerdem eine Angestellte Hartmanns zum Kauf von Nazi-Bonbons auf. (Antifaschistische Backaktion Münster: Münster. Flyer gegen NPD-Kandidaten auf Weihnachtsmarkt. linksunten.indymedia.org, 9. Dezember 2012, abgerufen am 21. Dezember 2012.) Erfreulicherweise berichteten die Münsteraner Ruhrnachrichten – wenn auch etwas verspätet – am 21. Dezember dann doch noch über den Protest gegen den Verkauf von Osellaprodukten. (Hyun-Ho Cha: Ex-NPD-Kandidat. Politischer Protest gegen Weihnachtsmarkthändler. Ruhr Nachrichten, 21. Dezember 2012, abgerufen am 21. Dezember 2012.)
Auch die Antifaschistische Backaktion Recklinghausen griff die Kampagne auf und tat es den Genoss_innen gleich. Dabei nahm sie wohlwollende Geldgeschenke von begeisterten Weihnachtsmarktbesucher_innen entgegen, um mit diesen die Finanzierung der zahlreichen Kopien zu unterstützen. Weniger begeistert über die Aktion war die Dame hinter dem Verkaufstresen. Weder wollte sie einen Zusammenhang der NPD-Mitgliedschaft ihres Chefs zu seiner Firma erkennen, noch war sie gewillt, die Marktschreie ihrer münsteraner Kollegin nachzuahmen. (Afa Backaktion: RE. Nazibonbons auf dem Weihnachtsmarkt. de.indymedia.org, 13. Dezember 2012, abgerufen am 21. Dezember 2012.)
Dass auch Hattingen kein ruhiger Rückzugsraum für Nazis und ihre Geschäfte ist, bewiesen dann am 14. Dezember 2012 engagierte ansässige Bürger_innen, die nicht hinnehmen wollten, dass auf den Presseartikel im Vorjahr keinerlei Konsequenz gefolgt war, und verteilten wiederum hunderte Flyer auf dem Hattinger Weihnachtsmarkt gegen den lokalen Osella-Stand. Hierbei zeigte die dortige Osella-Belegschaft eindeutig, wessen Ungeistes Kind sie ist, und schreckte nicht einmal davor zurück einen engagierten Nazi-Gegner körperlich zu attackieren und dann die staatliche „Ordnungsbehörde“ um Hilfe zu ersuchen. Da die weitgehend gut angenommene Antifa-Aktion allerdings so gut wie beendet war, zogen die Verteiler_innen es vor nicht auf die Ordnungsmacht zu warten, sondern den gelungen Abend bei Glühwein und Tee ausklingen zu lassen.
Wir freuen uns auf weitere kreative Aktionen gegen Osella und danken allen bekannten und unbekannten Beteiligten für die Unterstützung. Auf ein weiteres erfolgreiches Jahr 2013 im Kampf gegen braune Bonbons stoßen wir schon jetzt an und sind gespannt was noch bis Weihnachten 2012 passieren wird. Kein Dank geht an die neue Redaktion der bsz, die jeden Hinweis auf neue Osella-Aktivitäten ignorierte. Gleiches gilt für die jeweiligen Lokalredaktionen und Verkaufsstellen- Vermieter_innen.
danke
sehr gelungen!
danke und weiter so!
Na toll
OK, ich wohne ganz im Norden, aber von Osella hab ich vorher noch nie gehört, geschweige denn von ihrem Nazi-Chef. Gut zu wissen. Erschreckend was es alles gibt. Ich werd es auf jeden Fall verbreiten und ausschau nach diesen Kacke-Bonbons halten. Mal sehen ob man nicht den ein oder anderen Laden überzeugen kann auf so einen Mist zu verzichten...