Vielseitige Proteste gegen den sächsischen Verfassungsschutz in Leipzig /// Kundgebung „Verfassungsschutz auflösen statt ausstellen“ am 29.11.2012 /// Kreative Aktionen gegen Podiumsdiskussion mit dem Leiter des LfV Sachsen führen zum Abbruch der Veranstaltung
Bereits am Donnerstag, den 29.11.2012, haben etwa 50 Menschen mit einer Kundgebung unter dem Motto „Verfassungsschutz auflösen statt ausstellen“ (Aufruf) vor dem Neuen Rathaus demonstriert. Sie positionierten sich damit gegen die Eröffnung der Ausstellung „In guter Verfassung“ des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen durch dessen Leiter Gordian Meyer-Plath. In Redebeiträgen wurde dabei auf die mit Nazikadern belastete Geschichte der Verfassungsschutzämter hingewiesen und die gegenwärtige Rolle in der Bildungspolitik kritisiert. Unter dem Eindruck der aktuellen Skandale um die Verstrickungen in den rechten Terrorismus und die Verschleierungsversuche, forderten die Veranstalterinnen die Auflösung der VS-Ämter.
Pressesprecher Felix Edward dazu: "Der Verfassungsschutz hat zum wiederholten Mal in seiner Geschichte bewiesen, dass diese Behörde zu nichts anderem taugt, als Nazistrukturen - gewollt oder ungewollt - zu stützen und zu schützen. Wir sind nicht länger bereit, das hinzunehmen und weitere Opfer des vollkommen fehlgeiteten Engagements der Ämter bzgl. organisierter Neonazis zu dulden. Währenddessen hat sich Gordian Meyer-Plath im brandenburgischen Amt für Verfassungsschutz vor allem durch das Vorgehen gegen sogenannten "Linksextremismus" einen Namen gemacht. Unsere Kundgebung und die Störaktionen gegen seine gemeinsame Veranstaltung mit der Fachstelle der Extremismusprävention der Stadt haben ihm und dem Verfassungschutz gezeigt, dass er es auch in Zukunft nicht einfachen haben wird, mit seinen Propagandaveranstaltung in Leipzig und anderswo zu punkten."
Auch, am 04.12.2012 beteiligten sich ca. 50 Antifaschistinnen und Antifaschisten an Protesten gegen die Podiumsdiskussion im Neues Rathaus.
Einige der Anwesenden beobachteten die Veranstaltung nur durch Löcher in mitgebrachten Zeitungen, es wurden symbolisch Akten vernichtet, ein Spitzel funkte aufgeregt wirres Zeug an seine Vorgesetzten und zu guter Letzt wurde das Mikrofon von Meyer-Plath entfernt und einer Podiumsteilnehmerin zugeteilt, die mehr Substanzielles beizutragen hatte, als der neue Chef des LfV. Kritische Zwischenrufe und Redebeiträge dominierten die Veranstaltung und es wurde deutlich, dass hier niemend mit dem VS und seinen Vertretern sprechen würde. Der Forderung nach Auflösung der Behörde und gründlicher Offenlegung ihrer Aktivitäten wurde zur Genüge Ausdruck verliehen. Nach etwa 25 Minuten sah sich die Veranstaltungsleiterin Berit Lahm offensichtlich außer Stande, die Veranstaltung zu Ende zu führen.
Edward erklärt: „Mit dem Verfassungsschutz über Demokratie- und Bildungsarbeit zu diskutieren ist so falsch, wie mit dem ehemaligen Dr. Herrn von und zu Guttenberg über das richtige Verfassen einer Abschlussarbeit zu sprechen. Deshalb haben sich viele der kritischen Teilnehmerinnen dazu entschieden, die Veranstaltung durch subtile Aktionen zu sabotieren - Ideen dazu hat der Verfassungsschutz im letzten Jahr ausreichend geliefert. Als aufgeklärter Mensch sollte man erkennen, dass die Stunde der Abschaffung der Ämter geschlagen hat und nicht deren Kompetenzerweiterung. Nicht durch sogenannte Bildungsarbeit und auch nicht durch Abwehrzentren."
Das Bündnis „Weg mit dem VS“ kündigt daher weitere Aktionen und Protesten gegen die Verfassungsschutzbehörden an. Alle antifaschistschen und zivilgesellschaftlichen Akteure sind dazu aufgerufen, sich eindeutig für die Auflösung aller Verfassungsschutzbehörden zu positionieren. Eine sogenannte „Reformierung“ der Ämter führt nur zur Kompetenzerweiterung der Behörden, durch welche die Befugnisse des Inlandgeheimdienstes noch gestärkt werden und er weiterhin Neonazistrukturen verharmlosen und antifaschistische, emanzipatorische Politik kriminalisieren kann.
Abschließend dazu Felix Edward: "Wir werden auch in Zukunft dort kritisch intervenieren, wo der Verfassungsschutz versucht, seine Deutungshoheit zu erhalten. Nicht die haltlosen und irreführenden Geschichten über Extremisten erklären das Problem dieser Gesellschaft. Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und andere Formen von Menschenfeindlichkeit beschreiben das, was es zurückzudrängen gilt. Der Verfassungschutz steht allen Menschen, die dagegen etwas tun wollen, im Weg - er ist Teil des Problems und nicht der Lösung. Deshalb gehört er in seiner Arbeit beobachtet, behindert, genervt und schlussendlich abgeschafft. Wir rufen deshalb auch andere Antifaschistinnen auf, dem VS da auf den Schlapphut zu treten, wo er die Öffentlichkeit sucht. "
VS auflösen, Geheimdienste abwracken!
Ein guter Bericht zu den Aktionen gegen die Podiumsdiskussion:
Eine (sehr kurze) Podiumsdiskussion über den Verfassungsschutz und Bildungsarbeit (Beitrag bei freie Radios)
Interview mit dem Bündnis „Weg mit dem VS“:
Verfassungsschutz auflösen statt ausstellen! Protest gegen VS Ausstellungseröffnung in Leipzig
Einige Beispiele zu der Arbeit des sächsischen Verfassungsschutzes:
Videobeitrag: Kontraste: Ermittlungspanne bei Sachsens Verfassungsschutz
Schützt der Verfassungsschutz die “Hammerskins”? (Gamma)
Verfassungschutz verharmlost eine der wichtigsten rechten Gruppierungen in Sachsen
Fünf Jahre “Freies Netz”: Anatomie einer NS-Kader-Organisation (erschienen "Der rechte Rand" und Gamma)
Chef der “Jungen Nationaldemokraten” war beim “Ku Klux Klan” (Gamma)
Antifaschistische Kampagne "Fence off" und ihre Auseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz:
Warum sich der Verfassungsschutz für “Fence Off” interessiert
Endlich amtlich: Die Kampagne “Fence Off” ist “linksextremistisch” und wurde “maßgeblich von Autonomen initiiert”. Dies meldete das Landesamt für Verfassungsschutz auf seiner Website anlässlich der Beteiligung der Fence-Off-Kampagne an der “nicht extremistischen” 8.-Mai-Demo in Lindenau. Unklar bleibt zum einen, nach welcher der vielen, sämtlich umstrittenen und wissenschaftlich diskreditierten “Extremismus”-Definitionen dieses Urteil gefällt wurde. Und zum anderen, welche ominöse Rolle die “Autonomen” spielen, wenn sie die Kampagne doch lediglich “initiiert” haben.
Das behördliche Sprachunvermögen mal dahingestellt dursten wir nach Aufklärung, doch leider blieben unsere höflichen Nachfragen ohne Antwort. Was laut VS-Meldung aber ausdrücklich gegen die Kampagne spricht, ist das Verteilen eines kritischen Flugblattes. Aus der Meldung lässt sich folgern, dass der Flugblatt-Text mindestens bis zum Ende des ersten Satzes akribisch ausgewertet worden ist. Ein schlauer Satz, schon ist man Linksextremist – Ulbigs Hufeisenorakel machts möglich.
Apropos: Erst vor kurzem berichtete der sächsische VS über die – in seiner Lesart – ebenfalls “linksextremistische” Antirepressions-Demo am 12. April in Leipzig infolge von Razzien gegen Antifas in Sachsen (siehe Kampagnen-Statement). Laut VS seien bei der Demo “Polizisten mit Reizgas besprüht und dadurch verletzt” worden. Allerdings ist durch AugenzeugInnen bekannt, dass die Verletzungen durch eine unkundige Polizistin verursacht wurde, die ihre Reizgas-Kartusche senkrecht nach oben entleert und damit die eigenen Kollegen “eingenebelt” hat. – Genau so ernst sind also die vermeintlichen Belege für “Linksextremismus” zu nehmen.
Bekanntlich ist laut Ulbig die Odermannstraße 8 selbst “Beobachtungsobjekt” des Verfassungsschutzes. Indes wird das Nazi-Zentrum im jüngst veröffentlichten Verfassungsschutzbericht 2010 für Sachsen mit keinem Wort erwähnt.
Zum Weiterlesen:
- Über die fragwürdige “Freiheit” des Verfassungsschutzes, ihre Feinde selbst zu definieren, gibt es einen interessanten Artikel der polizeikritischen Fachzeitschrift CILIP
- Dieselbe Zeitschrift berichtete auch darüber, wie der Verfassungsschutzes den öffentlichen und ordnungspolitischen Fokus zunehmend auf das Konstrukt “Linksextremismus” verschiebt
Verfassungsschutz tadelt Kampagne:
“Rückgriff auf Theorien weiterer Ideologen wie Stalin”Vor kurzem meldete das Landesamt für Verfassungsschutz, dass es über Hinweise verfüge, nach denen die Kampagne “Fence Off” nicht näher bezeichnete “linksextremistische Bestrebungen” verfolge und “maßgeblich von Autonomen initiiert” worden sei. Darüber berichteten wir im letzten Kampagnen-Update. Das wollten wir genauer wissen, fragten nach – und bekamen mit einiger Verspätung wirklich eine Antwort. Sie umfasst, je nach Zählweise, eine ganze Seite oder eine halbe Satire. Im Schreiben heißt es nämlich:
“Dem Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen liegen tatsächliche Anhaltspunkte im Sinne des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes vor, dass an der Kampagne ‘Fence off’ Linksextremisten beteiligt sind.”
Das ist ausgesprochen dick aufgetragen und nicht ganz folgenlos: Eine Klassifizierung als “extremistisch” legitimiert die Beobachtung der Kampagne und ihrer MitstreiterInnen durch den Verfassungsschutz, das heißt Observation, den Einsatz von Überwachungstechnik und die Anstiftung weiterer Ermittlungen. Eine Klassifizierung als “extremistisch” ist automatisch eine Denunziation. Allein das kann man zweifelhaft finden. Die Satire beginnt, wenn dann die “tatsächlichen Anhaltspunkte” aufgezählt werden:
“Die Kampagne verwendet das Symbol der linksextremistischen „Antifaschistischen Aktion / Bundesweite Organisation“ auf ihrer Homepage und ihren Veröffentlichungen.”
Klingt schlüssig. Vorsichtshalber haben wir es trotzdem überprüft: Links das Logo der “Antifaschistischen Aktion / Bundesweite Organisation” (AA/BO), rechts das unter anderem von uns verwendete Antifa-Logo.
Beim genaueren Vergleich fallen Abweichungen in Details auf, die dem VS entgangen sind. Das betrifft nicht nur den Unterschied zwischen Rechteck und Kreis: Die AA/BO (links), eine bundesweite Vernetzung antifaschistischer Gruppen, wurde 1992 gegründet. Das Antifa-Logo (rechts) gabs schon vorher – es ist abgeleitet von einem Symbol aus den 1920er Jahren und wurde von der AA/BO nicht “erfunden”. Es ist außerdem unwahrscheinlich, dass die Kampagne “Fence Off”, die es seit drei Monaten gibt und gegen ein Nazi-Zentrum agiert, das seit zweieinhalb Jahren steht, mit der vor mehr als zehn Jahren aufgelösten AA/BO in Verbindung stehen kann.
Wir zweifeln ferner, ob von einer Organisation, die seit einem Jahrzehnt weg vom Fenster ist, eine Gefährdung für den deutschen Staat ausgeht (ZeitzeugInnen sagen, dass das selbst zu Lebzeiten der AA/BO ein Streitpunkt war). Ganz sicher kann so eine Gefährdung jedenfalls nicht ausgehen von einem speziellen Emblem oder ästhetisch verwandten Entwürfen. Aber vielleicht vom Text drumrum:
“Im Aufruf für die Kundgebung ‘Push It To The Limit’, die im Rahmen der Kampagne durchgeführt wurde, heißt es in typisch (antideutscher) linksextremistischer Diktion: ‘Es geht also auch, aber nicht nur gegen Nazis, und das geht nicht mit, sondern nur ohne Deutschland’.”
Wenn das ein Indiz für mangelnde Verfassungstreue ist, sind wir geständig: Wir haben uns schuldig gemacht, weil wir Deutschland und seine FreundInnen nicht zu unserer Kundgebung eingeladen haben. In der Regel ist und in diesem Falle war es tatsächlich so, dass sich BesucherInnen im Namen Deutschlands sowieso reinmogeln. Bei der angesprochenen Kundgebung waren das uniformierte Polizisten und eventuell nicht-uniformierte VS-Mitarbeiter.
Finden wir nicht gut, das sagen wir (was das Grundgesetz eindeutig hergibt) hin und wieder auch öffentlich und setzen deshalb nicht auf demonstrative Gastfreundschaft. Stattdessen haben wir – darum gehts uns – Deutschland und seine Nationalisten kritisiert. Dem VS geht es aber nicht um die Kritik, sondern um die “Diktion”, also den Sprachstil. Der VS zieht uns wie bei einem Schulaufsatz einen Punkt für die polternde Form ab (was doch Ansichtssache ist), und er ermahnt uns, wie man es in einem paternalistischen Staat erwarten muss, dass der Ton die Musik macht.
Das ist ausgesprochen albern, zumal für einen Inlandsgeheimdienst, aber der VS reitet ersthaft darauf herum – eben weil er uns inhaltlich nicht widerlegt. Muss er auch nicht, sagt das Behördenhandbuch. So klärt uns der VS-Brief schließlich darüber auf, dass eine “extremistische Bestrebung” schon dann nachgewiesen sei,
“…wenn es tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie auf die Beseitigung bzw. Außergeltungssetzung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtet ist […] Im ‘Sächsischen Handbuch zum Extremismus und zu sicherheitsgefährdenden Bestrebungen’, S. 238, werden die charakteristischen Merkmale des Linksextremismus benannt.”
Auch das haben wir akribisch geprüft. Laut besagtem “Handbuch” lauten die Merkmale des “Linksextremismus” wie folgt:
- “Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus als ‘wissenschaftliche’ Anleitung zum Handeln; daneben, je nach Ausprägung der Partei oder Gruppierung, Rückgriff auch auf Theorien weiterer Ideologen wie Stalin, Trotzki, Mao Zedong und andere.”
- “Bekenntnis zur sozialistischen oder kommunistischen Transformation der Gesellschaft mittels eines revolutionären Umsturzes oder langfristiger revolutionärer Veränderungen.”
- “Bekenntnis zur Diktatur des Proletariats oder zu einer herrschaftsfreien (anarchistischen) Gesellschaft.”
- “Bekenntnis zur revolutionären Gewalt als bevorzugter oder, je nach den konkreten Bedingungen, taktisch einzusetzender Kampfform.”
Wir freuen uns schon über Komplimente. Aber dass wir “revolutionäre Gewalt” anwenden, die “Diktatur des Proletariats” ausrufen wollen und uns bei russischen oder chinesischen Experten eigens Rat geholt haben, ist ein übles Gerücht. Wenn diese Gerüchte über uns wahr wären, ständen keine Silfragen zur Debatte, sondern die Auflösung einer tatsächlich undemokratischen Organisation: des Verfassungsschutzes.
- Lesetipp: Über die mangelnde Seriosität von Einschätzungen des Verfassungsschutzes berichtet das antifaschistische a.i.d.a.-Archiv aus München. Das a.i.d.a.-Archiv war im Verfassungsschutzbericht als “linksextremistisch” bezeichnet worden. Einer gerichtlichen Prüfung hielt diese staatliche Diffamierung nicht stand.
Sehr schön
prima aktionen
Die Zeitungen nennen es Eklat
Ich finde es eine passende Antwort. Hier die Artikel der Mainstream-Presse:
http://www.lvz-online.de/leipzig/citynews/tumulte-im-neuen-rathaus-in-le...
http://www.lvz-online.de/leipzig/citynews/im-kreuzfeuer-der-kritik-ausst...
Gestapo unschädlich machen, Kontinuitäten unterbinden
Auflösen genügt nicht. Die Beschäftigten des Verfassungsschutzamtes zur Arge zu schicken damit sie sich neue Tätigkeitsfelder suchen, ist so wie den notorischen Plagiatsbaron nach Brüssel auszuweisen damit er da ein neues Pöstchen bekommt. Das kann den angerichteten Schaden bloß vergrößern. Die personelle Abwicklung der Geheimpolizeien muss auch das definitive Ende ihrer Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedeuten, sonst ist es damit wie nach 1945 und die inkonsequente Entnazifizierung damals ist ja gerade der Ursprung der heutigen Probleme. Sobald das Konsens ist, wird auch offenkundig was das mildeste Mittel dazu ist.