Der aus Anlass des 55. Jahrestags der Atomkatastrophe von Majak ausgerufene internationale Uranaktionstag am 29. September 2012 wurde in Frankfurt am Main mit einer Fahrrad-Demonstration gegen einige der hier vertretenen Atomprofiteure begangen. Die Demonstration führte die knapp 120 radelnden Atomkraft-GegnerInnen vom Stadtteil Bockenheim über die Innenstadt bis an den am Rand von Frankfurt gelegenen Offenbacher Stadtteil Kaiserlei.
Das gute Wetter trug mit Sicherheit zu einer in weiten Teilen ausgelassen und guten Stimmung bei. Auf der etwa 12 Kilometer lange Strecke wurden ausgewählte lokale Profiteure der Uran- und Atomindustrie aufgesucht.
Die erste Kundgebung wurde vor dem Eingang der Urangesellschaft abgehalten. Die in der Frankfurter Solmsstraße sitzende Areva-Tochter ist im internationalen Uranhandel tätig und mutmaßlich für den Betrieb von Uranminen und der Prospektion neuer Uranlagerstätten verantwortlich. Im Redebeitrag wurde auf die massive Verseuchung ganzer Landstriche im Niger, Kanada, Australien und Kasachstan hingewiesen. Bereits der Abbau des Rohmaterials Uran führt zur Verseuchung ganzer Landstriche. Die Zustände beim Uranabbau sind nicht nur umweltschädlich, sondern auch menschenunwürdig.
Der nächste Zwischenhalt fand im Stadtteil Gallus statt: dort wurde – aus Anlass des 27. Todestags von Günter Sare eine kurze Gedenkkundgebung abgehalten. Günter Sare war am 28. September 1985 bei Protesten gegen eine NPD-Veranstaltung im nahegelegenen Bürgerhaus Gallus von einem Wasserwerfer gezielt überfahren und umgebracht. Günter Sare war nicht nur Antifaschist, sondern Teil der sozialen Bewegungen, die sich z.B. gegen die Startbahn West und Atomkraft wehrten. In einer Rede wurde auch auf den Toten der Anti-AKW-Bewegung gedacht: Etwa den bei Protesten gegen den Schnellen Brüter in Malville am 31.07.1977 von einer Gasgranate der Polizei ermordete Vital Michalon, der am Bauzaun von Wackersdorf nach einem Polizeieinsatz gestorbenen Erna Sielka, dem in Wackersdorf nach einem Gaseinsatz der Polizei gestorbenen Alois Sonleitner und Sébastien Briat, der am 7. November 2004 vom Castor in Ostfrankreich überrollt wurde.
Auf dem Weg in die Innenstadt stoppte die Demonstration vor der Frankfurter Filiale der BNP Paribas. Die französische Bank PNB Paribas ist auf dem ersten Platz der internationalen Atombanken, gefolgt von der Barclays und der Citybank. Es gibt kaum ein schmutziges Großprojekt an dem die PNB Paribas nicht beteiligt ist. In den Jahren zwischen 2000 und 2009 hat sie der Atomindustrie 13,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Ihr bester nuklearer Großkunde ist der Atomkonzern Areva.
Auf dem Weg zum nächsten Halt wurde die Fahrraddemonstration von BauarbeiterInnen im Europaviertel winkend begrüßt, die Demo schlängelte sich unter musikalischer Begleitung aus einem Fahrradlauti zur Friedrich-Ebert-Anlage.
Vor dem indischen Konsulat hatte die Polizei einen Grünstreifen mit Gittern versehen, in die die DemonstrantInnen eingepfercht werden sollten. In einem ersten Redebeitrag kam die Rolle der Firma Pricewaterhousecoopers (PWC) im Atomgeschäft zur Sprache: PWC und Euler-Hermes sind von der Bundesregierung mit der Betreuung der Exportkreditgarantien, auch Hermes Bürgschaften genannt, beauftragt. Zur Zeit gibt es verschiedene Anfragen und grundsätzliche Zusagen der Bundesregierung für Hermesbürschaften für den Bau von neuen Atomkraftwerken in Brasilien, Indien, Finnland, Tschechien und England.
Dann kam der bewegenste Teil der Fahrraddemonstration: Mit mehreren Reden wurde vor dem indischen Konsulat die Situation im südindischen Kudankulam thematisiert. Dort werden zur Zeit zwei Blöcke des AKW-Neubaus mit Brennstäben gefüllt. In den letzten Wochen protestierten tausende von Menschen aus der näheren Umgebung gegen die Inbetriebnahme und Befüllung der Reaktoren mit Brennstäben. Bei Demonstrationen gegen Atomkraftwerke wurden in Indien im letzten Jahr die Atomkraftgegner Anthony John, Sahayam Francis und Tabrez Soyekar von der Polizei ermordet.
Die DemonstrantInnen legten Blumen und Kerzen auf der Treppe vor dem Konsulat nieder und die Sprecherin der Initiative ByeByeBiblis verlas eine Solidaritätsnote in englischer Sprache. Danach gedachten die TeilnehmerInnen den Toten mit einer Schweigeminute.
Für viele FahrrademonstrantInnen überraschend war der nächste Halt in Frankfurt vor der IG Metall, wo es nach einer kurzen Rede ein „Open Microphone“ geben sollte. Obwohl die IG Metall Beschlüsse gegen die Atomenergie gefasst und sogar manchmal zu Anti-AKW-Demos aufgerufen hat, setzt sich die IG Metall für den Erhalt der
Arbeitsplätze bei der Atomfirma Areva ein. Areva sitzt in Deutschland vor allem in Offenbach-Kaiserlei und in Erlangen. So forderten die Betriebsräte und Vertrauensleute der IG Metall bei Areva zum Beispiel die Gewährung von Hermeskrediten bei Auslandsaufträgen durch die Bundesregierung für den weltweiten KKW-Bau.
Der Redner stellte abschließend die Frage, ob eine andere Gewerkschaft möglich sei und verwies auf die Gewerkschaft der Leiharbeiter im Atomkraftwerk Rajastan, die sich mit dem Protest der Bevölkerung gegen das AKW Kudankulam solidarisiert hatten.
Abschließend ging es am Main entlang nach Offenbach Kaiserlei zum Sitz der Firma Areva Nuclear Power (Areva NP). Areva ist ein Energiekonzern, der eines der weltweit größten Unternehmen im AKW-Sektor und zum überwiegenden Teil im Besitz des französischen Staates ist. Aktuell baut AREVA das finnische AKW Olkiluoto, ein AKW neuester Bauart (Druckwasserreaktorlinie EPR). Areva ist in allen Teilen der Wertschöpfungskette in der Atomkraft beteiligt: vom Uranbergbau im Niger, über die Brennelementefertigung, vom Reaktorbau bis zu Sicherheitsüberprüfungen und Wiederaufbereitung - ja bis zum Abbruch ausgedienter Meiler! In der Rede wurde zum Ende Solidarität mit den wegen der RZ-Mitgliedschaft und Aktionen gegen Atomfirmen in den 1970er Jahren in Frankfurt angeklagten Sonja Suder und Christian Gauger gefordert.
Insgesamt war die Mischung im Gegensatz zu vielen anderen Frankfurter Demonstrationen sehr erfrischend: viele ältere Menschen und viele Kinder radelten die ganze Strecke mit und hatten Spaß an der Aktion!
Am Ende waren die brennenste Forderungen des Tages: Lasst das Uran in der Erde! Sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit!
IG Metall für und gegen Atomkraft
Sehr gut beschrieben.
Den Beitrag zur IG M gibt es unter
http://www.netzwerkit.de/Members/MaxMoritz/news20120929-002