Dortmund: Alerta! PE #7 + Aussteigerinterview + Bilder

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Aus den Medien erfuhr das Alerta!-Bündnis am Abend des 1. September, dass Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau Mitgliedern des Bündnisses Hilfe beim Ausstieg aus der linken Szene angeboten hat. Diese Äußerung tätigte er, nachdem er von Antifaschist_innen beim sogenannten Friedensfest in Dortmund-Dorstfeld wegen seiner Politik gegenüber antifaschistischen Initiativen in den letzten Wochen gestört worden war. Alerta!-Sprecherin Sonja Brünzels zu Sieraus ‘Angebot’: „Danke, aber: Nein! Herr Sierau, wir benötigen kein Aussteigerprogramm. Wenn Sie oder die Stadt uns etwas Gutes tun wollen, dann sollten Sie aufhören, linke Initiativen in Dortmund zu behindern.“

 

In der Dortmunder Stadtspitze glaubt man offenbar, sich des Naziproblems entledigt zu haben. Dies ist jedoch nicht – wie Sierau glauben machen möchte – ein Erfolg der Dortmunder Zivilgesellschaft, sondern vorrangig auf die polizeilichen Maßnahmen der letzten Wochen zurückzuführen. „Friedensfeste und Sonntagsreden haben keinen Nazi am Marschieren gehindert“, so Sonja Brünzels, Sprecherin des Alerta!-Bündnisses.

 

Das Alerta!-Bündnis und die in ihm aktiven Vertreter_innen des Dortmunder Antifa-Bündnisses engagieren sich seit vielen Jahren gegen rechte und neonazistische Tendenzen in Dortmund. Wo waren Sierau und die SPD im Jahr 2005, als der Punk Thomas Schulz von einem Neonazi umgebracht wurde? Warum hat sich am letzten Mittwoch keine Vertreter_in der Stadt im Wichernhaus blicken lassen, als es bei einer Veranstaltung um den Mord des ‘Nationalsozialistischen Untergrund’ an Mehmet Kubaşık und um die Entwicklung antirassistischer Perspektiven ging? (http://www.antifacamp.org/2012/08/30/2705/) ‘Antifaschist_innen’ der Couleur eines Ullrich Sierau begnügen sich mit Reden gegen Rechts und der Schaffung von Jobs für Parteifreunde wie bei der angeblichen Koordinierungsstelle für Toleranz und Demokratie. „Eben jene Koordinierungsstelle hat sich in diesem Sommer vor allem darin hervorgetan, unseren Freund_innen vom Antifacamp möglichst viele Steine in den Weg zu legen“, so Sonja Brünzels.

 

“Für unser Bündnis gibt es eine Gruppe in Dortmund, bei der ein Ausstieg für das gesellschaftliche Klima sehr nützlich wäre – und das ist die SPD. Eine Partei, deren Ratsvertreterin Marita Hetmeier gegen Migrant_innen in der Nordstadt hetzt und die außerdem einen Feuerwehrchef, der bei Nazi-Aufmärschen mitläuft, hervorgebracht hat, ist nach unserer Einschätzung gefährlich“, so Sonja Brünzels weiter. Es ist der Extremismus der Mitte, der Dortmund zu einer Stadt hat werden lassen, in der sich Nazis pudelwohl fühlen können. Nachdem das Naziproblem über Jahre verleugnet wurde, sollte in diesem Jahr Schluss sein. So entschieden das NRW-Innenministerium und die Dortmunder Polizei, das Naziproblem autoritär anzugehen. Im selben Handstreich sollte nach dem Willen von Sierau und Co. nun auch die antifaschistische Linke, die immer wieder auf Probleme in Dortmund aufmerksam gemacht hat, erledigt werden.

Dazu bedient sich der Oberbürgermeister der sogenannten Extremismusdoktrin, der Gleichsetzung sogenannter ‘Extremisten_innen’ von links und rechts. Antifaschist_innen, die sich für eine konsequente Politik gegen Nazis einsetzen, werden dabei kurzerhand mit den Nazis, gegen die sie sich wenden, gleichgesetzt. Auch Sieraus ‘Angebot’, den Mitgliedern des Alerta!-Bündnisses beim Ausstieg aus der linken Szene zu helfen, ist in diesem Kontext zu sehen.

 

Das Alerta!-Bündnis wird nicht auf den Vorschlag von Ulrich Sierau eingehen, wir haben aber einen Gegenvorschlag: „Herr Sierau kann gerne einmal bei uns vorbeischauen. Wir beraten dann gerne mit ihm gemeinsam, wie ein Weg aus der Sozialdemokratie aussehen könnte“, so die Bündnissprecherin. „Falls der Oberbürgermeister Angst vor seinen Genoss_innen bei Ordnungsamt und Polizei hat, finden wir da auch eine Lösung und kümmern uns um ein Zimmer in einem besetzten Haus in Hamburg oder Berlin.“

 


 

Aus aktuellem Anlass veröffentlichen wir hier das Interview mit einem Aussteiger aus der sogenannten “Autonomen Antifa”.

 

Der Text ist aus dem Jahr 2010. Die Bundesregierung startete jüngst ein Aussteigerprogramm für Linksextremisten, dessen Sinn von vielen linken Gruppen und Aktivisten kritisiert wird. Ganz aktuell und exklusiv gibt es dazu auf pantoffelpunk.de ein Blitzinterview mit dem Aussteiger T.F.:

pantoffelpunk.de: “Herr F., sie sind aus der linksextremen Szene ausgestiegen. Wie haben Sie das geschafft?”

Herr F.: “Ich bin sonst jeden Dienstag zum Treffen der Autonomen Antifa meiner Stadt gegangen, an einem Dienstag im November des letzten Jahres allerdings bin ich von einem alten Bekannten, der mit der Szene nichts zu tun hat, zum Spieleabend eingeladen worden. Wir haben nett geklönt, ein paar Bier getrunken und witzige Gesellschaftsspiele gespielt. Das war ein sehr netter Abend.”

pp: “Wie ging es weiter?”

F.: “Am Ende des Abends fragten die mich, ob ich am nächsten Dienstag wieder kommen wolle, einer würde auch eine WII mitnehmen. Ich sagte zu und hielt meine Verabredung ein.”

pp: “Sie fehlten also wieder bei dem Treffen der Antifa? Wie haben ihre Kamer… Mitstreiter reagiert?”

F.: “Ich habe irgendwann S. von der Antifa angerufen und gesagt, dass ich Dienstags jetzt etwas anderes vorhätte und nicht mehr an den Treffen teilnehmen würde. Er war natürlich etwas enttäuscht, schließlich hatten wir davor Jahre lang gemeinsam im rechtsextremen Millieu recherchiert und Daten veröffentlicht, wir haben Aktionen geplant, Demos organisiert und Migranten bei der Suche nach Hilfen unterstützt.”

pp: “Wurden Sie in der Folgezeit unter Druck gesetzt und bedroht?”

F.: “Ja. Man hatte mir massiv damit gedroht, den Termin auf Mittwoch zu verlegen, ich solle doch bitte wieder dabei sein.”

pp: “Aber Sie sind hart geblieben?”

F.: “Ja, ich hatte schon länger keine Lust mehr, wollte das Feld den Jüngeren überlassen und auch wieder mehr Zeit für meine Freundin haben.”

pp: “Mussten Sie untertauchen?”

F.: “Ja, ich habe ein paar Antifas wiedergetroffen, als ich im letzten Monat im Freibad war. S. hat mich lachend untergeduckert. Einer hatte auch einen Ball mit. Wir haben dann eine Stunde lang “Schweinchen in der Mitte” gespielt und meistens war ich das Schweinchen. Dann musste ich Gott sei Dank raus, ich hatte nur ein Zweistundenticket und wollte nicht nachbezahlen.”

pp: “Herr F., wir danken für das Gespräch.”

 

Mit freundlichster Genehmigung übernommen von http://blog.pantoffelpunk.de/zermatschtes/interview-mit-einem-aussteiger

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